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11.10.2017

Zinsen, Krisen und heiße Kartoffeln

Ein Stimmungsbild von der EXPO REAL 2017

Impressionen und Statements von der EXPO REAL 2017 in München

Es war voll auf der diesjährigen EXPO REAL. Mit über 2.000 Ausstellern und mehr als 41.000 Gästen strömten mehr Besucher als je zuvor zum größten europäischen Branchentreff in München. Der deutschen Immobilienwirtschaft geht es gut. Die Zinsen im Euroraum sind niedrig, die Immobilienbestände in allen größeren Ballungsgebieten sind voll vermietet und die Mieten und Kaufpreise steigen weiter. Die Investorennachfrage ist so hoch, dass viele Projektentwicklungen noch vor Fertigstellung den Besitzer wechseln. Die Finanzierungspraxis ist nach wie vor konservativ und Investoren kaufen, von einzelnen Ausnahmen abgesehen, nur wenn sich Preis und Ertrag der Immobilie die Waage halten.

Die allgemeine Stimmung auf der EXPO REAL ist entsprechend gut. Der Aufschwung auf dem deutschen Immobilienmarkt hält nun schon seit neun Jahren an. Ein langer Zeitraum, gemessen an den üblichen fünf bis sechs Jahren eines Immobilienmarktzyklus. Ausgedehnt wird der aktuelle Zyklus durch die anhaltend niedrigen Zinsen. Größere Zinssprünge erwartet kaum jemand, da sich die EZB in einem Dilemma befindet: Deutliche Zinsanhebungen würden das Risiko des Staatsbankrotts der schwächeren Volkswirtschaften erhöhen und dadurch auch die politische Stabilität der EU gefährden. Diese zeigt mit den Nationalisierungstendenzen in den jüngsten Wahlen, dem Brexit und den Autonomiebestrebungen Kataloniens bereits Risse. Wenn der aktuelle Zyklus nun doch zu Ende gehen sollte, dann nicht durch Zinsanhebungen, so die Tendenz auf der Messe.

Innerhalb der EU wird Deutschland weiterhin als politisch stabiler europäischer Wirtschaftsmotor gesehen und behält dadurch für Immobilieninvestoren die Rolle als sicherer Hafen. Das zuletzt deutlicher vernehmbare Säbelrasseln auf den internationalen politischen Bühnen wird diese Rolle eher bestärken. Und auch wenn sich die Koalitionsverhandlungen nach der kürzlich durchgeführten Bundestagswahl als schwierig erweisen, werden kaum negative Effekte für die Branche erwartet. An der starken Regulierung und überbordenden Bürokratie bei Baugenehmigungsverfahren und an der quantitativ und qualitativ chronisch zu dünnen Personaldecke in den Verwaltungen wird sich auch während und nach den Koalitionsverhandlungen nicht viel ändern. Auch von dieser Seite sind keine durchschlagenden Effekte für die Branche zu erwarten – weder negative noch positive.

Auf der Marktseite gibt es Stimmen, die meinen, in bestimmten Märkten und bei bestimmten Nutzungsarten, sei bereits zu viel Phantasie in den Miet- und Kaufpreisen. Das zeige unter anderem im Hochpreissegment von Wohnimmobilien eine steigende Fluktuation. Wenn Mieter und Käufer bereits beim Einzug ihre Möbel von der Wand wegrücken, um die Wohnung nach dem Auszug nicht neu streichen zu müssen, sind sie nicht mehr dazu bereit, die hohe Miete längerfristig zu bezahlen bzw. die möglicherweise überteuert erworbene Wohnung zu halten und reichen sie lieber an den nächsten Interessenten weiter. Wie eine heiße Kartoffel, bei der sie Angst haben, sich die Finger zu verbrennen.

Selbst wenn es in Teilbereichen des Immobilienmarktes zu Rücksetzern kommt, so ist das nicht außergewöhnlich und negative Folgewirkungen für den Gesamtmarkt sind kaum zu erwarten. Dass sich hier und da ein paar Marktteilnehmer verspekulieren, gehört zum normalen Marktgeschehen. Es lehrt allen anderen, selbst in Zeiten bester Rahmenbedingungen eine gesunde Skepsis beizubehalten. Der Immobilienmarkt ist ein Markt und keine Einbahnstraßen in den sicheren Gewinn.

Wann und wie der aktuelle Marktzyklus zu Ende geht, dazu gab es auf der EXPO REAL unterschiedliche Meinungen: Die einen sehen zwar zunehmenden Verkehr, der aber mit gleichbleibender Geschwindigkeit weiterrollt. Andere erkennen bereits Bremslichter am Horizont und bereiten sich auf eine langsamere Weiterfahrt vor. Wiederum andere sehen Marktteilnehmer auf der Überholspur, die eventuell aufkommenden Gegenverkehr nicht ausreichend berücksichtigen. Und last but not least bleibt das Risiko eines unerwarteten technischen Defekts – übertragen auf den Immobilienmarkt ein Black Swan-Ereignis, mit dem niemand rechnet und das größere Schockwellen auslöst. Hierzu mag der Gedanke beruhigen, dass es Immobilien bleiben werden, in denen gelebt, gearbeitet und konsumiert wird.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Rueckerconsult GmbH
Erstveröffentlichung: The Property Post, Oktober 2017

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