27.01.2016

Besicherte Schuldscheindarlehen

Alternative zum erstrangigen Hypothekendarlehen?

Dr. Michael Piontek, Finanzvorstand, POLIS Immobilien AG
Dr. Michael Piontek

Die Hypothekenbanken in Deutschland haben sich mit der zinsgünstigen Refinanzierung über Pfandbriefe in der Vergangenheit große Marktanteile bei der Immobilienfinanzierung sichern können. In letzter Zeit treten verstärkt neue Wettbewerbsprodukte als Konkurrenz zum klassischen Senior Loan auf, die insbesondere vom börsennotierten Immobiliengesellschaften und weiteren größeren mittelständischen Unternehmen genutzt werden. Nachdem größere Finanzabschnitte ab 300 Mio. Euro mit CMBS (Commercial mortgage backed securities) oder RMBS (Residential mortgage backed securities) erfolgreich platziert werden können (z. B. Gagfah, Deutsche Annington und Vitus), erfreuen sich bei kleineren Finanzierungen Bonds oder Schuldscheindarlehen wachsender Beliebtheit. Diese alternativen Finanzierungsformen sind neben Banken einem weiten Investorenpublikum inkl. Versicherungen und Versorgungskassen zugängig. Diese Investoren haben aktuell einen hohen Anlagedruck was die Renditeanforderungen sinken lässt und dazu führt, dass nach den indirekten Investitionen über Finanzierungsinstrumente in Wohnimmobilienbestände nun auch gewerbliche Immobilienbestände als Investitionsziel in den Fokus gerückt sind. Neben den klassischen Eigenkapitalbeteiligungen kann dies auch über Fremdkapitalprodukte als Investitionsvehikel erfolgen. Diese Entwicklung ist in diesem Ausmaße und den gesunkenen Konditionsanforderungen neu.

Schuldscheindarlehen stellen in der Produktpalette das Produkt mit der kleinsten Volumensanforderung (ab 10 Mio. Euro) dar – Bonds sind aufgrund der Fixkosten für Prospekte etc. in der Regel erst ab 50 Mio. Euro wirtschaftlich. Diese Schuldscheindarlehen stellen rechtlich einen Darlehensvertrag nach § 488 (1) BGB dar und können privatschriftlich bilateral abgeschlossen werden. Bei einer Erstplatzierung sowie einer Platzierung an mehrere Gläubiger empfiehlt sich die Einschaltung einer Investmentbank, die zur Sicherstellung der Handelbarkeit auch als Zahl- und Koordinierungsstelle dienen kann.

Das Schuldscheindarlehen kann unbesichert oder erstrangig besichert platziert werden. Die Covenants und Reportingverpflichtungen unterscheiden sich nicht wesentlich von klassischen Bankfinanzierungen. Allerdings weist das Schuldscheindarlehen tendenziell einige Vorteile auf, unter anderem ist die Ausschreibung der Finanzierung zu Generierung der günstigsten Konditionen vergleichsweise einfach. Man kann sich dabei eines bekannten Investorenkreises oder einer Investmentbank bedienen. Schuldscheindarlehen werden in der Regel tilgungsfrei vereinbart, auch um den administrativen Aufwand gering zu halten. Da die Bewertung (im Falle einer Besicherung durch Immobilien) und die Einhaltungskontrolle der (LTV-)Covenants auf der Basis der unternehmenseigenen Bewertung (Bei kapitalmarktfähigen Unternehmen in der Regel durch externe Begutachtung) erfolgt, entfallen auch zusätzliche Bewertungen, was neben Kosten auch Zeit erspart. Durch den Entfall der sonst üblichen Term-Sheet-Fees können weitere Kosten eingespart werden. Eine erheblichen qualitativen Vorteil bedeute es auch, dass bei einem Schuldscheindarlehen die Darlehensbedingungen durch den Darlehensnehmer vorgegeben werden. Damit entfallen bisweilen umfangreiche und manchmal intransparente und schwer zu überwachende Kreditbedingungen von klassischen Bankfinanzierungen. Die Platzierung am Kapitalmarkt unter Vorgabe von einheitlichen Darlehensbedingungen durch den Darlehensnehmer erfüllt auch Compliance-Bedürfnisse des Darlehensnehmers, da damit die Angebote der Finanzierungspartner tatsächlich vergleichbar sind. Hypothekenbanken weisen (häufig als Folge der individuellen Erkenntnisse aus der Finanzmarktkrise) untereinander abweichende Darlehensbedingungen auf, die die Angebote trotz Zins-, Kosten- und Bereitstellungsprovisionsangaben schwer vergleichbar machen. Eine „faire“ Ausschreibung eines Senior-Loans unter verschiedenen Kreditinstituten wird dadurch erschwert. Ein Thema, das in Zeiten gesteigerter Transparenzanforderungen, Diskussionen zur „good“ Governance und eventuellen Haftungsfragen bei Compliance-Verstößen gegebenenfalls noch an Bedeutung gewinnen könnte.

Die Platzierung eines Schuldscheindarlehens ist – außer ggf. bei einer Erstplatzierung – nicht zeitaufwändiger als eine Finanzierungsanfrage, da die Gremienentscheidungen bei den Finanzierungspartnern ähnlich terminiert sind (Bei Banken die in beiden Produkten agieren sind die „Anleger“ in Schuldscheindarlehen häufig schneller als die Kreditabteilungen mit Finanzierungsentscheidungen) und die zusätzliche Begutachtung durch einen Gutachter der Hypothekenbank (Kosten, Restunsicherheit) entfällt.

Es ist aber zu beachten, dass bei einem Schuldscheindarlehen meist kürzere Laufzeiten (bis 10 Jahre) vereinbart werden. Da der Markt für dieses Produkt noch relativ neu ist, vor allem mit konkurrenzfähigen Margenvorstellungen, bleibt abzuwarten, ob bei Fälligkeit der Markt für Schuldscheindarlehen dann ebenso aufnahmefähig für eine Prolongation bzw. Ablösung durch ein neues Darlehen ist – ggf. muss dann eine Umschuldung mittels eines klassischen Hypothekendarlehens erfolgen.

Die Margen für Schuldscheindarlehen sind in den vergangenen Jahren deutlich gesunken. Während die Kosten für unbesicherte Tranchen auf max. 200 Bps gesunken sind werden besicherte Schuldscheindarlehn bis 60% des Markt- bzw. Verkehrswertes (nicht des hypothekarischen Beleihungswertes) bereits im Einzelfall z. B. bei gewerblichen Immobilien unter 100 bps. angeboten. Damit sind die Konditionen durchaus wettbewerbsfähig zu Margenangeboten von Hypothekenbanken für erstrangige, pfandbriefrefinanzierte Hypothekendarlehen im gewerblichen Bereich.

Ein Emittent eines Schuldscheindarlehens benötigt eine gewisse Infrastruktur zur Erfüllung der Reportingpflichten und Convenantberechnungen (und –forecasts). Dann ist die Platzierung eines Schuldscheindarlehens in heutigen Zeiten aber auch eine geeignete Alternative beziehungsweise Ergänzung der Finanzierungsmöglichkeiten im erstrangigen Bereich. Damit kann eine zu starke Abhängigkeit vom eher zyklisch agierenden Bankenmarkt vermieden werden. Ein Investment-Grade-Rating hilft bei der Platzierung, ist aber nicht Voraussetzung.

Die Hypothekenbanken werden dieser Konkurrenz aktiv begegnen müssen und ihre Bedingungen vereinfachen sowie eigene Stärken stärker ausspielen. So sind Schuldscheindarlehen z. B. nicht mit einer Forwardkonstruktion (dies bedeutet, dass der Platzierungserlös erst später - innerhalb einer vereinbarten Frist - einseitig vom Emittenten abgerufen werden kann) platzierbar.Andernfalls werden die Banken weitere Marktanteile an alternative Finanzierungsformen und –anbieter, diesmal auch in „kleinteiligeren“ Bereich ihres Kerngeschäftsfeldes, verlieren. Für Investoren ist es auf jeden Fall interessant, dass es derzeit eine „neue“ Alternative zur Finanzierung mit konkurrenzfähigen Konditionen gibt. Wie nachhaltig sich dieses Produkt, insbesondere auch in ggf. geändertem Zinsumfeld, im Markt etablieren kann bleibt abzuwarten.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von POLIS Immobilien AG
Erstveröffentlichung: Immobilien & Finanzierung Ausgabe 4/2015