19.12.2018

Es muss nicht immer Berlin sein

Büroinvestments an B-Standorten

Ralf Kind, CEO/CFO, DEMIRE AG
Ralf Kind

In den Top-7-Städten wie Berlin erreichen die Bürorenditen Tiefststände – kleinere Großstädte und Mittelstädte gewinnen dagegen bei Investoren zunehmend an Bedeutung. Hier sehen sie noch Renditechancen. Warum sind derzeit vermeintliche Provinzstädte bei Investoren so beliebt?

Menschen denken oftmals in Schubladen. Denn einen Sachverhalt oder eine Person einer vorgefassten Kategorie zuzuordnen, ist einfach. Rankings beispielsweise, die mit Kategorien in Form von Buchstaben oder Plus und Minus operieren, bedienen sich dieses Schubladendenkens – und fördern es zusätzlich. Ob „B-Promi“ oder „B-Ware“ – das „B“ wirkt abstufend. Dieser Gefahr einer negativen Konnotation sind grundsätzlich auch sogenannte B-Städte beziehungsweise B-Standorte ausgeliefert. Doch das zu Unrecht. Denn Deutschlands Wirtschaftskraft beruht zum Großteil auf den mittelständisch geprägten Unternehmen in der Provinz, die oft Weltmarktführer in ihrem Segment sind. Abseits der sieben größten Städte wurden im Jahr 2015 rund 81 Prozent der deutschen Bruttowertschöpfung erzielt. Ein Vergleich zum Ausland unterstreicht die ökonomische Bedeutung: In Frankreich wird außerhalb der vier wichtigsten Metropolen nur 56 Prozent der Bruttowertschöpfung erzielt, in London außerhalb der fünf wichtigsten Standorte rund 73 Prozent.

Daher rücken die vermeintlichen B-Standorte immer mehr in den Fokus von Investoren, wenn es um Büroimmobilien geht – nicht zuletzt auch wegen steigender Kaufpreise und sinkender Nettoanfangsrenditen in den A-Städten (Berlin, Hamburg, München, Köln, Düsseldorf, Stuttgart und Frankfurt). Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland rund 27,5 Milliarden Euro abseits der Metropolen in den deutschen Gewerbeimmobilienmarkt investiert, was mehr als 45 Prozent des gesamten Investitionsvolumens im Jahr 2017 entsprach. Durch die steigende Nachfrage sinken zwar die Nettoanfangsrenditen an den Sekundärstandorten auf neue Tiefststände. Dennoch ist der Rendite-Abstand zwischen den A-Standorten und den Sekundärstandorten mit durchschnittlich zwei Prozentpunkten weiterhin auf einem sehr hohen Niveau. Daher wird der Trend hin zu den Mittelstädten weiter anhalten.

Dass der Trend in Richtung dieser Standorte nachvollziehbar ist, zeigt unter anderem die vom Immobilienresearch-Unternehmen bulwiengesa kürzlich veröffentlichte Studie „Büroimmobilienmarkt: Investmentchancen an Sekundärstandorten“. Darin vergleichen die Studienautoren Sekundärstandorte wie Bonn oder Stralsund mit den sieben größten Städten in Deutschland. Das Ergebnis: Die Sekundärstandorte bieten höhere Renditepotenziale für Investoren als die deutschen Top-7-Städte. Die größeren Chancen zeigen sich unter anderem in den höheren Nettoanfangsrenditen. Die Spanne in den vermeintlichen Provinzstädten reicht dabei von rund vier Prozent in Bonn bis zu sieben Prozent in Stralsund. In den deutschen Metropolen wie Berlin liegen dagegen die Nettoanfangsrenditen im Bürosegment im Durchschnitt bei vergleichsweise niedrigen 3,2 Prozent.

Resiliente Sekundärstandorte

Höhere Renditen sind jedoch nicht das einzige Argument, das für Sekundärstandorte spricht. Für Investoren spielt auch das Thema Marktvolatilität eine große Rolle. Was passiert mit den Mittelstädten, wenn es mit der Konjunktur wieder bergab geht? Wird dann aus den Investments ein Verlustgeschäft, weil die finanzkräftigen Büromieter eher in den großen Metropolen sitzen? Wird diese Vermutung näher untersucht, zeigt sich aber, dass eher die kleinen Büromärkte krisenfester sind als die A-Standorte München oder Frankfurt. Denn erstens zeichnen sich Mieter abseits der Metropolen durch eine höhere Standorttreue aus und ziehen somit seltener um. So hat bulwiengesa in ihrer Studie die Relation des Flächenumsatzes zum gesamten Bürobestand einer Stadt untersucht. Ist der Flächenumsatz im Vergleich zum Bestand hoch, ist das ein Indikator für eine hohe Umzugsneigung der Büromieter vor Ort. Diese ist in den A-Märkten deutlich stärker ausgeprägt als an den Sekundärstandorten. Denn vor allem mittelständische Unternehmen, oft auch Familienunternehmen, prägen die Mieterschaft an den Sekundärstandorten und diese bleiben oft ihrem jeweiligen Standort oder Region treu. Im Zuge der prosperierenden wirtschaftlichen Entwicklung der letzten Jahre konnte in fast allen A-Märkten der Leerstand verringert werden. Zweitens stehen in kleineren Städten weniger Büros leer. Historisch gesehen liegt die durchschnittliche Leerstandsquote an den Sekundärstandorten unter dem Durchschnitt der Top 7-Standorte. Das niedrigere Leerstandsniveau und die geringere Umzugsneigung gegenüber den Top 7-Standorten tragen somit zur höheren Stabilität des Büromarktes an den Sekundärstandorten bei.

Spekuliert wird nur in den Metropolen

Drittens ist spekulativer Neubau und das Risiko von einem Flächenüberangebot an den Sekundärstandorten seltener. So kann zum Beispiel spekulative Bautätigkeit, also Projektentwicklungen ohne Vorvermietung, in Zeiten nachlassender Nachfrage zu höheren Leerständen führen. Im Gegensatz zu den A-Märkten, wo der Anteil von noch nicht belegten Flächen bei Projektbeginn bei ca. 40 Prozent liegt, werden Neubaumaßnahmen an Sekundärstandorten in der Regel bedarfsorientiert ausgerichtet, das heißt mit einer hohen Vorvermietungsquote realisiert. Hierdurch wird das Risiko von Marktverwerfungen durch zu viel freie Angebotsfläche auf dem lokalen Immobilienmarkt verringert.

Das bedeutet aber nicht, dass die Bautätigkeit dort insgesamt geringer ist als in den Metropolen. Das zeigt ein Vergleich der Neubauflächen in den vergangenen zehn Jahren mit dem heutigen Flächenbestand. Da es sich an den Sekundärstandorten kaum um spekulativen Neubau handelt, resultiert der Neubau aus der steigenden Nachfrage der Unternehmen vor Ort. Hier sticht insbesondere Ingolstadt mit dem Automobilkonzern Audi hervor. In der Stadt wurden in den vergangen zehn Jahren 24 Prozent der jetzigen Bestandsfläche neu errichtet. Weitere Sekundärstandorte mit hohem Neubauanteil sind Ulm (14 Prozent), Darmstadt (14 Prozent) und Kempten (13 Prozent). In den A-Städten beträgt dagegen der Neubauanteil im Durchschnitt nur zehn Prozent. Blickt man auf die absoluten Neubauzahlen, also die Quadratmeterzahl, weisen unter den Sekundärstandorten Essen, Bremen, Dortmund, Münster, Bonn und Mannheim die höchsten Fertigstellungszahlen auf.

Fest steht: Die Einordnung von Investmentstandorten in die Kategorien A, B oder C hat sich in der Immobilienwirtschaft längst etabliert. Daher ist es müßig, Diskussionen um neue Begrifflichkeiten zu führen. Aber man sollte diese zumindest hinterfragen und im Rahmen einer nachhaltigen Investitionsstrategie richtig einordnen können. Denn aus einer Risiko- und Renditebetrachtung heraus sprechen viele Argumente für Sekundärstandorte.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von DEMIRE AG
Erstveröffentlichung: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Oktober 2018

Konversation wird geladen