16.04.2019

Hotelnutzung

Neue Umnutzungsperspektiven und Developmentpotentiale für innerstädtische Einzelhandelsflächen und Kaufhäuser

Dirk K. Wollweber, Geschäftsführender Gesellschafter, TREC Real Estate Consulting GmbH
Dirk K. Wollweber

Dass der Strukturwandel im Einzelhandel und die aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen seit Jahren in den Innenstädten vermehrt zu Leerständen nicht nur bei
kleineren Ladenlokalen, sondern auch bei größeren Handelsimmobilien wie Kaufhäusern führt, ist nicht nur den Experten – mithin Ihnen – schon lange bekannt, sondern es ist auch für Laien und Kunden schlichtweg visibel.

Bei der Beantwortung der Frage, was als Nachnutzung nach oder als Ergänzung zum  Einzelhandel in Frage kommt, kann aus unserer Erfahrung heraus eine Antwort sicher auch sein: „Einzelhandel, aber anders!“. Aber in diesem Beitrag soll es nicht um die klassische „Repositionierung von Kaufhäusern“ bzw. deren mögliche Umnutzung zu Geschäftshäusern oder Shopping Centern oder temporäre Pop-Up Nutzungen gehen, sondern um eine ergänzende Alternativnutzung, die sicher nicht an allen Standorten möglich ist, aber mehr und mehr von sich reden macht - nämlich eine Conversion von (Teil-) Flächen in Hotel- bzw. hotelähnliche Nutzungen (wie z.B. Boardinghäuser und Serviced Apartments).

Denn: Nicht nur im Handel herrscht Wandel. Auch der Markt der Hospitality Industrie verändert sich in den letzten Jahren drastisch, er profitiert aber innerhalb der Immobilienbranche derzeit wie kein zweiter von den veränderten Marktbedingungen. So finden zum einen aufgrund von veränderten Kundenansprüchen immer neue Lifestyle Hotelprodukte ihre Nische, die zum Teil synergetisch und komplementär mit dem innerstädtischen Einzelhandel zusammen wachsen oder diesen gar komplett substituieren, zum anderen stärkt ein verändertes Reiseverhalten der Bevölkerung daneben generell die heimische Hotelindustrie und ist mit Grund dafür, dass der deutsche Hotelinvestmentmarkt seit 2 Jahren alle Rekorde bricht und auch Hotels in B- und C- Städten bei guten sonstigen Rahmenbedingungen auf einmal investmentfähig sind. Daneben adaptieren die von vielen Hotelbetreibern oftmals ergänzend angebotenen „Serviced-Apartments“ die Entwicklungen der Wohntrends im Zeitalter der Urbanisierung, der Internationalisierung und aufgrund der veränderten Arbeitswelt.

Und im Lebenszyklus einer Immobilie sollte es - soweit bau- und planungsrechtlich möglich - im Interesse der Eigentümer liegen, auf all die Veränderungen in flexibler Form auch durch Nutzungsänderungen einzugehen.

Und fast jedem von uns wird eine Beispielimmobilie, mit der er im Laufe seiner Karriere schon einmal zu tun hatte, hierfür bekannt sein. Bei mir ist es so z.B. der ehemalige  „Mariahilfer Zentralpalast“ in Wien, heute besser bekannt als das „La Stafa“ auf der Mariahilfer Straße in Wien, welches ich seinerzeit mal als junger Akquisiteur für einen deutschen offenen Fonds erworben habe und was damals hauptsächlich als Einkaufszentrum genutzt wurde. Heute befindet sich nach einer umfassenden und preisgekrönten Sanierung im Jahr 2015  über den Einzelhandelsflächen das „Ruby Marie“, welches wie viele moderne Hotelkonzepte keinen großen Antritt und Rezeption im Erdgeschoss mehr benötigt und in dem mit vielen Vintage Elementen an die Geschichte des Hauses erinnert wird.

Die Ruby Hotels scheinen sowieso die Nähe des Handels zu mögen, auch hier in Düsseldorf wird z.B. in Kürze in den alten Brune-Büroflächen über der Kö-Galerie das „Ruby Coco“ mit 92 Zimmern eröffnet.

Einige weitere prominente Beispiele für solche „Hospitality Conversions“ sind :

  • Die Dormero-Hotelgruppe und die Andresen GbR wollen in ein Viersternehotel im bayerischen Hof investieren. Entstehen soll es in einem Teil des derzeitigen Kaufhof-Gebäudes in der Hofer Altstadt. Der bisherige Alleinmieter Kaufhof soll dann aber nicht komplett raus aus dem Haus mit ca. 9.000 m² Verkaufsfläche, wird sich aber deutlich verkleinern, um den insgesamt geplanten 112 Hotelzimmern, sowie 3 Tagungsräumen, Sauna, Fitnessbereich und Bar des Hotelbetriebes Platz zu machen. Damit wird ein Leerstand vermieden und der Nachfrage nach mehr Hotelbetten in Hof Rechnung getragen.
  • Die auf derartige Umnutzungen spezialisierte Highstreet Group um Stefan Schnoor, Holger Wohner und Hayo Nadler  baut derzeit das denkmalgeschützte, ehemalige Karstadt-Gebäude in der Holstenstraße 55-56 in Kiel zu einem Hotel der neuen NOVUM Marke niu um. Jedes niu Hotel hat seinen eigenen Charakter und ein auf den Standort abgestimmtes Designkonzept. Daher wird sich auch das maritime Kiel maßgeblich im Interieur widerspiegeln. Die Projektentwicklung mit rund 5.800 Quadratmeter Nutzfläche wird voraussichtlich 2018 fertiggestellt, dabei sollen dann 113 Zimmer sowie rund 700 Quadratmeter Einzelhandelsfläche im Erdgeschoß neu entstehen.  
  • Grätzlhotel, Wien. Die 21 Grätzlhotel-Suiten, die in der Vergangenheit zum Großteil ehemalige leerstehende Ladenlokale waren, liegen verteilt in den drei Stadtvierteln Belvedere, Meidlinger Markt und Karmelitermarkt. Das Grätzl (österreichischer Ausdruck für einen Teil eines Stadtviertels) fungiert quasi als Hotellobby. In Kooperation mit Geschäften und Lokalen im Viertel werden diverse Serviceleistungen angeboten: Zum Frühstücken geht es in das Kaffeehaus nebenan, die Bar an der Ecke ersetzt die Hotelbar und der Hamam gegenüber den Wellnessbereich.  So geht flexible Drittverwendung !
  • Vor unserer Haustür in Düsseldorf soll der ehemalige Horten bzw. später Kaufhof an der Berliner Allee als "The Crown" die neue Top-Adresse in der Düsseldorfer City werden. Der Gesamtkomplex, den die Kölner Koerfer Gruppe gemeinsam mit RKW entwickelt,  wird dann im vierten und fünften Obergeschosse ca. 200 Zimmer der Carat Hotelgruppe, von der ersten bis zur dritten Etage 525 Parkplätze sowie als Ankermieter im Erd- und Untergeschoss einen Edeka Zurheide auf gut 10.000 m² Verkaufsfläche beheimaten, der auch zahlreiche Gastronomie-Inseln enthalten soll und dann Deutschlands größter Frischemarkt  sein wird. Ergänzend kommen noch die klassischen Büroflächen im Hochhaus über dem ehemaligen Kaufhaus hinzu.  Nach etlichen Verzögerungen soll jetzt in 2018 eröffnet werden.
  • Auch in Oberhausen wird der ehemalige Kaufhof in der Innenstadt bis 2019 zu einem Drei-Sterne-Plus Hotel mit rund 200 Betten der Plaza Gruppe aus Heilbronn umgebaut. Auch hier bleibt im Erdgeschoß die Retailnutzung mit einem Netto Markt, einem Kodi sowie 2 weiteren Kleinflächen erhalten, zusätzlich sollen auch im Untergeschoß noch 2.000 m² neue Einzelhandelsfläche entstehen. Und obenauf thronen ein dutzend Mietwohnungen mit einer Größe von je 70 qm. Der Umbau für rund 15 Millionen Euro ist das erste Großprojekt des Investors Albert Kopitzki außerhalb von Berlin.   

Resümierend lässt sich festhalten, dass jeder Asset Manager und Eigentümer, der eine Nachnutzung, Drittverwendung oder Ergänzung für bzw. zu seinen bisherigen Einzelhandelsflächen sucht, um das Thema Hospitality nicht mehr umher kommt, sobald gewisse für die Hotellerie notwendige Standortkriterien erfüllt sind und eine Conversion von Baurecht, Gebäudekörper- und Schnitt her sinnvoll erscheint und der Aufwand für eine Umnutzung insbesondere auch aus Schall- und Brandschutzthemen wirtschaftlich vertretbar ist. Aber das ist ein ganz anderes Thema...

Update, März 2019:
Die Zahl der Immobilien, für die mittelfristig eine Alternativ- oder ergänzende Nutzung gesucht werden muss, könnte sich vor dem Hintergrund einiger Geschehnisse im Wirtschaftsleben kurzfristig sehr schnell potenzieren. Denn auch wenn es nach dem Bekunden vom neuen Chef von Kaufhof/ Karstadt, Stephan Fanderl, keine umfangreichen Filialschließungen geben soll , bleibt abzuwarten, wie viele ehemalige Warenhäuser einer kompletten oder auch teilweisen Drittnutzung in den nächsten Monaten zugeführt werden – und auch, wie viele ehemalige Filialen aus dem weitverzweigten Netz von Deutscher und Commerz Bank einer etwaigen Fusion zum Opfer fallen würden. Dass sich bisher von Kaufhof oder Karstadt allein betriebene Warenhäuser aufgrund Ihrer innerstädtischen Lage grundsätzlich dazu eignen, auch Hotelbetriebe zu beherbergen, ist unbestritten und auch die Drittverwendungsfähigkeit von ehemaligen Bankgebäuden für solch eine Conversion scheint gegeben (wenn wir die umbautechnischen Probleme mit den ehemaligen Tresoren mal ausklammern) , vgl. hierzu als prominentes Beispiel das ehemalige Gebäude der Bayerischen Staatsbank in der Kardinal-Faulhaber-Straße 1 in München, welches 17 Monate lang als hippes und szeniges Pop-Up Hotel „The Lovelace“ betrieben wurde und nun bis 2023 von der amerikanischen Rosewood Gruppe in ein Luxushotel umgebaut wird. 

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von TREC Real Estate Consulting GmbH
Erstveröffentlichung: Across Magazin (englischsprachiger Artikel vom 07.03.2018, https://www.across-magazine.com/retail-hotel-real-estate/) , Deutsche Übersetzung und das Update April 2019 erstmals veröffentlicht über The Property Post

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