18.10.2022

Krise als Chance

Hotels und Investments auf dem Nachhaltigkeits-Prüfstand

Katharina Preiss, Senior Vice President Germany und Leiterin der Münchener Niederlassung, mrp hotels
Beatrice Sommer, Consultant, mrp hotels
Katharina Preiss

Katharina Preiss, Senior Vice President Germany und Leiterin der neuen Münchener Niederlassung von mrp hotels, und ihre Kollegin Beatrice Sommer appellieren an das Hotel- und Gastgewerbe: Eine Energiewende und entsprechende Investitionen in die kritische Infrastruktur sind auch in diesem Bereich unausweichlich. Die aktuelle Lage sollte Anlass für Eigentümer und Betreiber sein, den gesamten Themenkomplex Energie, Nachhaltigkeit und ESG mit Nachdruck weiter voranzutreiben. Denn auch wenn die Energiekrise überwunden wäre: die Anforderungen würden eher noch strenger werden.

Die in den letzten Jahren durch die Pandemie ohnehin stark in Mitleidenschaft gezogene Hotellerie sowie der Food & Beverage-Bereich (F & B) sind durch hohe Energiepreise und Inflation in Folge des Krieges in der Ukraine direkt und indirekt stark betroffen. Laut einer Untersuchung der Eurostat und ING Research (2018) gehört die Hotellerie in der EU, anders als beispielsweise die Food & Beverage-Industrie, zwar nicht zu den energieintensivsten Branchen. Entscheidend sind für beide Bereiche nachgelagerte Auswirkungen, gerade durch die sogenannten Ripple-Effekte, beispielsweise die Weitergabe hoher Lebensmittel- oder Strompreise durch Lieferanten. Die genannte Studie sieht in diesem Punkt F & B sogar als am stärksten betroffene Branche, doch auch im Gastgewerbe ist dieser Einfluss erheblich.

„Grüner“ Hotelbetrieb wird auch für Eigentümer Frage der Werthaltigkeit
Werfen wir zunächst einen Blick auf den Status Quo, stellen wir fest, dass eine „grüne“ Hoteloperation in der Vergangenheit eher auf eine dementsprechende Positionierung abgezielt hatte.

Die zum Jahreswechsel 2021 / 2022 in Kraft getretene EU-Taxonomie vermag nun das allgemeine Marktverhalten aller Akteure zu verändern: Hoteleigentümer sind letztlich gezwungen, die neuen Auflagen zu einem Value Add zu verwerten, um dem natürlichen Wertverlust der Objekte entgegenzuwirken. Zwar sind aktuell seitens der EU keine Strafmaßnahmen geplant, allerdings wird aus unserer Sicht das Marktgleichgewicht nicht-ESG-kompatiblen Immobilien schlechte Bewertungen und Preisabschläge einbringen. Dies gilt zwar selbstverständlich für Neubauten, aber auch und vor allem für Bestandshäuser. Damit steigt der Druck auch auf die Eigentümer, aus eigenem finanziellem Interesse ihr Augenmerk verstärkt auf diesen Aspekt zu richten.

Die Energiewende gemeinschaftlich beschleunigen
Der auf den Weg gebrachte „REPowerEU“-Pakt der Europäischen Union zur raschen Verringerung und letztendlichen Beendigung der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus Russland und zur Beschleunigung des grünen Übergangs sollte Marktteilnehmern den Weg weisen. Vieles spricht dafür, dass dieser Plan dem Thema Energie einen ähnlichen Push verleihen könnte wie der „Green Deal“ der EU vor einigen Jahren.

Darauf aufbauend ist die Energiewende der offensichtlichste Ansatz für Unternehmen, den steigenden Energiepreisen entgegenzuwirken. Pioniere können bereits profitieren und liefern Best Practices. Wer Strom produziert und den Überschuss in das Netz leitet, kann ihn (aktuell durchaus zu höheren Preisen) verkaufen, dadurch Mehrkosten absorbieren und Amortisationszeiten verkürzen. Gleichzeitig kann der Fuhrpark auf voll elektrisch umgestellt und E-Ladesäulen installiert werden, deren Kosten zu einem großen Teil durch Fördergelder getragen werden. Auch die Sanierung der Gebäudehülle, der Einsatz von Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung und die Optimierung von Kälteanlagen gehören dazu, nur um einige Beispiele zu nennen.

Ebenfalls zu berücksichtigen ist, dass – wie bereits beim Stichwort Ripple-Effekt erwähnt – Zulieferer und Dienstleister ebenfalls Mehrkosten auf ihre Kunden übertragen. Nach Möglichkeit sollten daher langfristige Verträge bevorzugt werden, damit trägt der entsprechende Gastbetrieb das Risiko nicht nur selbst. Darüber hinaus gilt es viele kleinere Maßnahmen zu ergreifen, die in der Summe die Mehrkosten senken: Müllreduzierung, Wasserverbrauch senken, Heizungspumpen erneuern, Leuchtröhren durch LEDs ersetzen. Sie bedürfen zwar kleinerer Investitionen, helfen aber in der Summe weiter.

Gerade für erdgebundenen Tourismus und Reisetätigkeiten gilt: Die Abhängigkeit von den sehr energieintensiven Branchen wird gemindert oder teilweise ganz ausgeschaltet. Der damit beschriebene indirekte Impact kann also reduziert werden.

Zusammenarbeit zwischen Eigentümern und Betreibern muss enger werden
Die Nutzung erneuerbarer Energie wird durch die EU-Taxonomie also ohnehin forciert und die Dringlichkeit, den Anteil fossiler Energien möglichst bald stark zu senken, zeigt sich spätestens seit Ende Februar 2022 akut.

Besonders bauliche Veränderungen in der Energiewende bedürfen eines Konsens‘ von Eigentümer und Betreiber. Sie verlangen ein generelles Verständnis für den Lebenszyklus und setzen daneben die digitalisierte Erhebung und Erfassung der Betriebsdaten der Immobilie voraus. Auf Grundlage verlässlicher und qualitativ gesicherter Daten können Investitionen für einen energetischen Umbau mit den Ersparnissen des günstigeren Betriebs gegeneinander gerechnet werden. Die auch langfristigen Umweltauswirkungen des Betriebs sollten klar benannt und taxiert werden können. Das gilt auch für die Kosten der CO2-Steuer, die nach aktuellem Stand des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung zu gleichen Teilen getragen werden sollen. Eine faire Aufteilung der Kosten bzw. Ersparnisse ist klar in beiderseitigem Interesse.

Hinzu kommt, dass nicht nur die Projektierung und der Bau, sondern vor allem der Hotelbetrieb in der ESG-Betrachtung entscheidend ist: rund 80% der Ressourcen, die in bzw. durch eine Hotelimmobilie verbraucht werden, sind ihrem Lebenszyklus zuzuschreiben. Die Integration der Kosten bei der Ver- und Entsorgung von beispielsweise Energie, Wasser und Abfall in das Financial Reporting, und damit die Schaffung von Vergleichbarkeit bekommt weitere Relevanz. Kennzahlen werden in der für Herbst 2022 angekündigten „12th Edition“ des weltweit geltenden Reporting-Standards USALI (Uniform System of Accounts for the Lodging Industry) Eingang finden - bezeichnenderweise unter dem mahnenden Titel „Energy, Water, and Waste“.

Auch wenn es einen langen Atem und vieler kleiner Schritte bedarf - und vor allem in der kundenseitig bereits stärker sensibilisierten Ferienhotellerie erste gute Ansätze zu erkennen sind: Die Branche, Investoren und Betreiber sollten die aktuelle Situation auch als große Chance begreifen, unausweichliche Investitionen bei Energieversorgung und Sanierung der Immobilien und andererseits auch Maßnahmen für Einsparungen einzuleiten. Wie sich unter dem Eindruck der aktuellen Entwicklung zeigt, könnten solche Maßnahmen für Betreibe kurz-, mittel- und langfristig überlebenswichtig sein.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von mrp Hotels
Erstveröffentlichung: Handelsblatt Real Estate Inside Newsletter (gekürzt), September 2022

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