29.09.2021

Logistikimmobilienmarkt Süddeutschland

Mehr als Flächenknappheit und hohe Mieten?

MRICS Bodo Hollung, Gesellschafter und Geschäftsführer, LIP Invest GmbH
MRICS Bodo Hollung

Über die letzten Jahre hinweg ist der Logistikmarkt stetig gewachsen. Deutschland ist dabei der mit Abstand größte Logistikmarkt in Europa. Als Exportnation und aufgrund der zentralen Lage innerhalb Europas sowie einer gut ausgebauten Verkehrsstraßeninfrastruktur ist das Land ein internationales Logistik-Drehkreuz. Man könnte Deutschland als einen einzigen großen Logistikstandort inmitten Europas betrachten, aber natürlich lassen sich unterschiedliche Regionen spezifizieren: So ist Norddeutschland traditionell durch seine zahlreichen Häfen von der maritimen Logistik und dem Im- und Export geprägt, während in Süddeutschland schwerpunktmäßig Industrieunternehmen angesiedelt sind.

Die Metropolregionen München und Stuttgart gehören zu den wichtigsten Industriestandorten in Deutschland und sind somit besonders attraktiv für Kontraktlogistiker oder industrielle Eigennutzer für die Versorgung der regionalen Produktion. Die Branchenschwerpunkte Automobilindustrie – BMW in München; Daimler und Porsche in Stuttgart – und Maschinenbau/Elektrotechnik – Siemens, Bosch und Dürr – sind hier prägend. Zusätzlich sorgt der kaufkräftige Ballungsraum für eine hohe Nachfrage nach regionalen Distributionsleistungen. All diese Akteure sind auf verfügbare Logistikflächen angewiesen – die insbesondere in und um diese Ballungsräume gegen null gehen. Bisher hört für viele Investoren die Landkarte südlich von Stuttgart auf. Dabei bieten auch Standorte entlang der A81 bis zum Bodensee Potenzial. Sie eignen sich aufgrund der Nähe zur Logistikregion Stuttgart sowie der Schweiz und Östereich insbesondere für überregionale bzw. grenzüberschreitende Logistikdienstleistungen. In der Regel befinden sich die Objekte dort im Bestand von regional angesiedelten Eigenutzern oder von Logistikdienstleistern.

In den Fokus rücken im Süden Bayerns Standorte wie Mühldorf am Inn sowie weitere Orte entlang der A94, die von München bisher in eine Bundesstraße ausläuft. Der geplante vierspurige Autobahnausbau bis Passau wird sowohl einen besseren Anschluss an die A3 in Richtung Nürnberg als auch nach Österreich (Linz und Wien) schaffen. Insbesondere mit Hinblick auf die Entwicklung der neuen Seidenstraße und den damit verbundenen Warenströmen aus Osteuropa wird diese Region zukünftig eine stärkere logistische Rolle spielen.

Dass sich neben etablierten Logistikregionen auch neue Standorte herausbilden können, zeigt unter anderem das Beispiel Würzburg/Schweinfurt: Vor zehn Jahren erschien diese Region kaum auf dem Radar der Projektentwickler. Durch die attraktive Lage zwischen Frankfurt und Nürnberg, mit der sowohl die Nord-Süd- als auch die Ost-West-Achse bedient werden kann (A3 und A7), hat die Region lebhaften Auftrieb erfahren. Die hier angesiedelten Logistikimmobilien eignen sich insbesondere für die zentrale Distribution, da Bestellungen noch relativ spät angenommen und trotzdem am nächsten Tag deutschlandweit zugestellt werden können (späte Cut-Off-Zeiten). Dementsprechend wird der Standort unter anderem von der Automobilzulieferindustrie und dem Handel genutzt.
Schweinfurt ist außerdem attraktiv für Kontraktlogistiker, die Aufträge zur Versorgung der regionalen Industrie übernehmen. Sukzessive kann sich Ingolstadt in ähnlicher Weise entwickeln: Die dortige starke Industrie (z.B. Audi) ist vergleichbar mit der Nutzerstruktur in Würzburg. Die späten Cut-Off-Zeiten für eine deutschlandweite Zustellung kann Ingolstadt als südlicherer Standort zwar nicht im gleichen Maße erfüllen; die Lage zwischen München und Nürnberg macht eine Ansiedlung dennoch für viele Logistikdienstleistungen interessant.

Nürnberg selbst gehört unter anderem neben dem Rhein-Neckar-Gebiet mit Mannheim und Karlsruhe, Ulm sowie Augsburg zu den etablierten Logistikregionen Süddeutschlands. Nürnberg zeichnet sich aus durch die vorteilhafte Lage im Kreuzungspunkt der Autobahnen A3, A6 und A9. Zusätzlich zu den Fernstraßen stehen hier mit dem Hafen, dem Güterverkehrszentrum und dem Flughafen alle wichtigen Verkehrsträger zur Verfügung. Das trimodale KV-Terminal im Bayernhafen Nürnberg zählt zu den größten und leistungsfähigsten Umschlagsanlagen Europas, sodass die Region eine strategische Rolle in vielen Umschlagsprozessen einnimmt. In Kombination mit der ortsansässigen Branchenvielfalt sorgen diese günstigen Standortbedingungen für eine stabile Nachfrage nach Logistikflächen.
Die zentrale Lage zwischen den Ballungsräumen Stuttgart und München macht Ulm besonders attraktiv für eine überregionale Verteilung und den Umschlag von Waren. Auch die hier angesiedelte starke Industrie bietet große Absatzpotenziale für Logistikdienstleistungen, beispielsweise von Kontraktlogistikern und industriellen Eigennutzern.
Die Attraktivität und der Stellenwert der beschriebenen Standorte ist auch an den steigenden Mietpreisen abzulesen: So liegen die Spitzenmietpreise für Neubauten in Nürnberg mittlerweile gleichauf mit denen in Frankfurt. Den stärksten Anstieg verzeichnet hingegen Ulm, während sich München weiterhin als Spitzenreiter der Mietpreise „rühmen“ kann. Ähnlich wie in Stuttgart sind auch im Großraum München kaum geeignete Logistikflächen verfügbar; besonders Grundstücke für Neubauten ab einer Größenordnung von 10.000 Quadratmeter lassen sich hier kaum mehr finden. Der Markt ist überwiegend durch kleinere Mietvertragsabschlüsse geprägt.

Insgesamt herrscht aus Investorensicht eine gute Gemengelage in Süddeutschland: Die wirtschaftlich starken wie branchenvielfältigen Regionen sorgen für eine hohe Nachfrage nach Logistikimmobilien in unterschiedlichen Größenordnungen und Nutzungstypen. Sie schaffen somit ein attraktives Marktumfeld, in dem wenig Leerstand zu befürchten ist. Gleichzeitig bieten sich im Hinblick auf die globalen Warenströme Potenziale für Neuansiedlungen – sofern geeignete Ansiedlungsoptionen bestehen.

 

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von LIP Invest
Erstveröffentlichung: The Property Post, September 2021

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