03.01.2020

Modell der Teilwarmmiete

Viele Fragen zum Vorhaben der Ampel-Koalition sind noch ungelöst.

Dr. Paul Kowitz, Partner, KPC KOWITZ Policy Consultants
Prof. Dr. Martin Dombrowski, Partner, KPC KOWITZ Policy Consultants
Dr. Paul Kowitz

Die dicke Überraschung findet sich auf Seite 91. Hier im Koalitionsvertrag haben sich die Ampel-Parteien auf einen „schnellen Umstieg auf die Teilwarmmiete“ verständigt. Die Reaktionen in der Branche fielen in der Bandbreite zwischen Ungläubigkeit, Unverständnis bis hin zu Ärger aus; manch einer sah darin gar die Verwirklichung des Warmmietenmodells nach schwedischem Vorbild. Mit nüchternem Blick auf die Verabredung im Koalitionsvertrag muss jedoch konstatiert werden, dass erwachsend aus einem recht hohen Grad der Unwissenheit, verbunden mit einer überaus unkonkreten Modellbeschreibung im Koalitionsvertrag, der Erkenntnisgewinn gering ist. Anders gesagt, die Ampel-Koalitionäre haben viel Arbeit vor sich, wenn die Teilwarmmiete jemals das Licht der Welt erblicken soll. Es gilt, politisch wie rechtlich wie ökonomisch Weichenstellungen vorzunehmen, wie nachfolgend anhand dieser Dimension nachgezeichnet werden soll.

Politische Dimension: Verständnis schaffen

Methodologisch ist es an den politischen Entscheidungsträgern, überhaupt erst einmal zu verifizieren, was die Teilwarmmiete sein soll. In der Literatur gibt es unterschiedliche Modellausprägungen, die es in sich haben. Zunächst geht es bei der Teilwarmmiete ganz allgemein gesprochen um die Art und Weise der Aufteilung von Wärmekosten. Damit keine Missverständnisse aufkommen: Es geht um alle warmen Nebenkosten und nicht nur um den neuen CO2-Preis. Die verschiedenen Ausprägungen von Teilwarmmietenmodellen unterscheiden sich in den Kriterien zur Bemessung, wie hoch der Fixanteil der Wärmekosten gegenüber den warmen Nebenkosten ist.

Im Referenztemperaturmodell wird zwischen Vermieter und Mieter eine garantierte Raumtemperatur vereinbart, beispielsweise 20 Grad Celsius. Die Teilwarmmiete erstreckt sich auf die Nettokaltmete und die Grundheizkosten bis zur garantierten Raumtemperatur. Alle Kosten der Mehrbeheizung (Raumtemperatur über 20 Grad Celsius) wird über die Betriebskostenabrechnung weiterhin variabel/verbrauchsabhängig zur Abrechnung gebracht.

Anders verhält es sich im Teilwarmmietenmodell des Instituts für Wohnen und Umwelt, auf das die FDP-Bundestagsfraktion zurückgegriffen hat. Hier erstreckt sich die Teilwarmmiete über die Nettokaltmiete und die sogenannten Grundheizkosten. Diese setzen sich als Produkt aus den beiden Faktoren Energiekennwert des Gebäudes und aktuelle Brennstoffkosten zusammen.

Auch das sogenannte Prozentmodell stellt auf Grundheizkosten zusammen, die zusammen mit der Nettokaltmiete die Teilwarmmiete bildet. Allerdings legt hier der Gesetzgeber fest, wie hoch der Anteil der variablen Wärmekosten zu den fixen Wärmekosten sind. Denkbar wäre zum Beispiel, dass 70 Prozent der Wärmekosten grundsätzlich immer Grundheizkosten und damit Teil der Teilwarmmiete sind.

Verständigen muss sich die Politik also auf eine Modellausprägung – und dahinter stehen durchaus weltanschauliche Fragen. Wie viel Privatrecht will man im Mietbereich zulassen? Wie viel Einfluss soll der Staat auf die Wärmekostenverteilung haben? Welche administrativen Aufwands- und Vollzugsbedingungen müssen zur Durchsetzung des Modells von staatlicher Seite aus geschaffen werden?

Ökonomische Dimension: Folgewirkungen bedenken

Doch das sind wahrlich nicht die einzigen Fragen, die sich auftun. Denn die Anreizwirkung, die Teilwarmmietemodelle zur energetischen Gebäudesanierung liefern können, sind umstritten. Klar geworden ist, dass die diskutierten Modellausprägungen kein schwedisches Warmmietenmodell sind. Warmmietenmodelle sind nach europäischen Recht (Energieeffizienz-Richtlinie der EU) verboten und Schweden aus Gründen, die hier zu weit führen, in Europa ein Ausnahmefall.

Vielmehr soll das Teilwarmmietenmodell Anreize zur Investition schaffen. Das funktioniert folgendermaßen: Die Teilwarmmiete (oder auch Grundmiete genannt) ist immer fix und vom Mieter zu zahlen. Diese ändert sich auch dann nicht, wenn der Vermieter umfassend energetisch modernisiert und den Energiebedarf des Gebäudes real gesenkt hat. Auch wenn weniger Wärmekosten zur Grundbeheizung des Objekts entstehen, bleibt die Grundmiete in ihrer Höhe erhalten. Das Kostendelta, das entsteht, verbleibt beim Vermieter, der daraus die Refinanzierung der energetischen Modernisierungsleistung gestalten soll.

Daraus leitet sich ein Konglomerat an offenen Fragen ab: Das Öko-Institut attestiert dem Refinanzierungspotential eine deutliche Überschätzung. Ein Vermieter fahre den Autoren zufolge selbst mit einer gekappten Modernisierungsumlage besser als mit einem kleinen Kostendelta aus dem geringen Heizenergiebedarf. Dieses Kostendelta dürfte im Übrigen von Jahr zu Jahr schmaler ausfallen, wenn der CO2-Preis, wie zu erwarten ist, sukzessive steigt. Denn mit einem anwachsenden CO2-Preis erhöhen sich auch die Grundheizkosten. Damit sinkt folglich auch die Heizkostenersparnis, sprich die Refinanzierung der Investitionen. Die Ampel-Koalitionäre wollen einen steigenden CO2-Preis, gleichzeitig aber Vermieteranreize stärken. Beides scheint sich derzeit auszuschließen.

Ebenfalls unklar ist, wie die Heizkostenersparnis für den Vermieter errechnet, dessen Objekt zum Zeitpunkt der Umstellung auf Teilwarmmiete bereits umfassend energetisch modernisiert ist? Wird hier ein „early mover“ etwa bestraft?

Rechtliche Dimension: Unklarheiten a priori abbauen

Zweifelsohne stellt die Teilwarmmiete den gesamten Mietspiegel auf die Füße. In Ermangelung einer Datengrundlage kann schlechterdings ein Mietspiegel erstellt werden. Wonach wird sich künftig eine Mietpreisbremse bemessen? Wie soll das Mietrecht der Zukunft aussehen, wenn §§ 555, 556, 559 und 556c BGB völlig neu gefasst werden müssen?

Es sei außerdem darauf verwiesen, dass sich – unabhängig von der konkreten Modellausprägung – mit der Teilwarmmiete die Rolle des Vermieters ändert. Bislang stellt der Vermieter eine Mietsache gegen Entgelt bereit und dazu höchstens noch die Infrastruktur, die eine Beheizung der Mietsache ermöglicht. In der Teilwarmmiete stellt der Vermieter jedoch nicht nur die Mietsache sondern fix auch einen Grundbeheizung – und wird damit rechtlich zum Energiedienstleister. Der Vermieter liefert im Rahmen der Teilwarmmiete Energie an den Mieter. Unklar ist, ob dadurch eine gewerbliche Tätigkeit und Umsatzsteuer ausgelöst wird.

Fazit

Die Ampel-Parteien haben unter dem zeitlichen Druck, eine Vereinbarung im Koalitionsvertrag treffen zu müssen, nicht nur einen Paradigmenwechsel vorgeschlagen, sondern möglicherweise nichtsahnend auch die Büchse der Pandora geöffnet. Denn um die hier aufgeworfenen Fragen zu lösen, bedarf es vermutlich mehr als eine Legislaturperiode zur Umsetzung, weil die Teilwarmmiete mit Vorgaben des EU-Rechts und mit weiteren politischen Vorhaben wie der Reform der Modernisierungsumlage und – besonders erschwerend – einem Modell der CO2-Kostenaufteilung kompatibel sein muss.
Vor diesem komplexen Hintergrund enthielt der Koalitionsvertrag tatsächlich eine faustdicke Überraschung. Ob aus dem Projekt jemals was wird und die Aufregung um die Teilwarmmiete berechtigt ist, wird sich rasch zeigen, wenn sich die Ampel-Regierung an der Umsetzung versucht.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von KPC KOWITZ Policy Consultants
Erstveröffentlichung: The Property Post, Januar 2022

Konversation wird geladen