24.03.2016

Mit Refurbishments positionieren

Um Shopping Centern nachhaltig Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, sind erhebliche Investitionen notwendig.

Martin Eberhardt, (FRICS), Vorstandsvorsitzender der RICS und Geschäftsführer, Bouwfonds Investment Management Deutschland GmbH
Martin Eberhardt

Um die Wettbewerbsfähigkeit von Shopping Centern nachhaltig zu erhalten, sind erhebliche Investitionen in die bestehenden Einzelhandelsflächen und das allgemeine Erscheinungsbild der Einkaufszentren notwendig. Refurbishments werden allerdings nur dann zum Erfolg, wenn sie das Center zudem eindeutig positionieren, entweder als Erlebnisziel oder als Ort für schnelles, bequemes Convenience-Shopping. Mithilfe einer unverwechselbaren, eindeutigen Ausrichtung des Centers und einem professionellen Management sinkt die Anfälligkeit des stationären Handels gegenüber dem E-Commerce und aus Einzelhandelsobjekten mit Defiziten entstehen neue, erstklassige Core-Immobilien.

Im Anlagesegment „Core“ verschärft sich das Dilemma vieler Anleger zunehmend. Denn auf der Suche nach sicheren und dennoch renditestarken Investitionen übersteigt die Nachfrage nach klassischen Core-Immobilien das Angebot schon lange um ein Vielfaches. Hochwertige Büro- oder Einzelhandelsobjekte in bester Lage und mit bonitätsstarken Mietern sind so begehrt und knapp, dass die Renditen nach Bewirtschaftungskosten häufig unter die 4-Prozent-Marke gefallen sind. Angesichts der hohen Nachfrage und des begrenzten Angebots an Core-Immobilien bieten modernisierungsbedürftige Shopping Center attraktive Investitionsmöglichkeiten, sofern die Objekte professionell optimiert werden. Allein in Deutschland, den Niederlanden und Frankreich müssten fast die Hälfte aller Einzelhandelsflächen in Shopping Centern modernisiert werden. In Deutschland sind es 303 Einkaufszentren mit einer Gesamtfläche von mehr als 7,2 Millionen Quadratmetern, die ein Refurbishment benötigen, um auch künftig eine ausreichende Zahl an Konsumenten in die Geschäfte zu locken. Grundlage der Erhebung von Bouwfonds Investment Management waren 859 Einkaufszentren in Frankreich, den Niederlanden und Deutschland mit einer Fläche von mindestens 5.000 Quadratmetern, die vor dem Jahr 2005 gebaut oder zum letzten Mal modernisiert wurden.

Convenience-Shopping oder Erlebniseinkauf

Wer sich zunächst jenseits der traditionellen Core-Investments bewegt, braucht eine genaue Vorstellung davon, wie Objekte mit kurzfristig etwas mehr Risiko – bei gleichzeitig höheren Ankaufsrenditen – mittel- bis langfristig in risikoarme Core-Objekte umgewandelt werden können. Modernisierungen von Shopping Centern erscheinen zur Erzielung von überdurchschnittlichen Erträgen als besonders passend. Denn Einkaufszentren besitzen den Vorteil, dass sie bereits vielfach an zentralen, innerstädtischen Standorten etabliert sind und somit prinzipiell leicht ausreichend Kaufkraft anziehen können. Voraussetzung dafür ist jedoch eine klare Positionierung des Centers, die dem gesamten Einzelhandelsstandort eine eindeutige „Convenience”- oder „Erlebnis”-Identität verleiht. Convenience-Shopping beschreibt das Bestreben der Verbraucher, die von ihnen benötigten oder gewünschten Produkte mit minimalem Aufwand, also so bequem und schnell wie möglich, zu erwerben. Bei einem Convenience-motivierten Einkauf steht die Deckung des Bedarfs an erster Stelle. Unter dem Aspekt der schnellen und bequemen Bedarfsbefriedigung besitzen kleine Einkaufszentren als häufig Convenience-orientierte Einkaufsziele einen Pluspunkt. Denn Übersichtlichkeit und kurze Wege innerhalb des Centers tragen zur Zeitersparnis bei und verringern die Mühen beim Auffinden eines bestimmten Geschäftes. Im Rahmen eines Refurbishments sollte hier insbesondere auf die Mieterstruktur geachtet werden. Für die Convenience-Ausrichtung des Centers gelten große Supermärkte als Ankermieter, die einen Mix hochwertiger Produkte in Verbindung mit attraktiven zusätzlichen Geschäften anbieten, tendenziell als Erfolgsgarant.

Convenience-orientierten Einkaufszentren stehen Shopping

Center als Erlebniswelten gegenüber. Verbraucher, deren Wünsche nicht auf einem unmittelbaren Bedarf beruhen, gehen einkaufen, um das „Erlebnis” zu genießen. Hier geht es beim Besuch der Einkaufsziele nicht primär darum, etwas einzukaufen, sondern vielmehr um die Möglichkeit, sich unter die Leute an einem lokalen Hot Spot zu mischen, Freunde zu treffen und eine schöne Zeit beim Schaufensterbummel zu erleben. Gerade Zentren großer Städte bieten für den Konsumenten oft einen hervorragenden Erlebniswert dank ihres zur Auswahl stehenden abwechslungsreichen Mix an Mietern, Einzelhandelsbranchen und Dienstleistungen. Die lebendige Gesamtatmosphäre sorgt in diesem Fall für eine starke Anziehungskraft. Beim Erlebniseinkauf ist größer tendenziell besser. Demnach eignen sich große und sehr große Einkaufszentren besonders gut für die Positionierung als Erlebnisziel. Denn sie haben in der Regel eine große Vielfalt an Einzelhandelskategorien zu bieten, was zu einer hohen Dynamik bei der Wiedervermietung von leer werdenden Geschäften führt. Die wachsende Bedeutung des E-Commerce gefährdet vor allem diejenigen Center, die ein Übergewicht des Textileinzelhandels verzeichnen oder sich außerhalb der Stadt auf der grünen Wiese und damit jenseits der urbanen Erlebniswelten befinden. Auch mittelgroße Einkaufszentren sind in der Kataegorie „Erlebnis-Shopping” stärker von der Konkurrenz des Online-Handels bedroht, da es ihr häufig geringerer Branchenmix erschwert, neue Mieter zu finden.

Hoher Anpassungsdruck für Center und Standort

Generell sind Einzelhandelsimmobilien heute einem starken Anpassungsdruck ausgesetzt und müssen entweder mit einer erhöhten Aufenthaltsqualität und Erlebnisorientierung punkten oder ein besonders schnelles und bequemes Einkaufen ermöglichen. Shopping Center, die nicht regelmäßig instandgesetzt werden, verlieren rasch den Anschluss zu Wettbewerbern – Umsatzeinbrüche und Leerstände leiten in der Folge eine Abwärtsspirale ein. Mussten früher Anpassungen einzelhandelsgenutzter Immobilien idealerweise im Zeitraum von zehn bis 15 Jahren erfolgen, hat sich dieser Turnus auf Grund des enormen Wettbewerbsdrucks und der sich immer schneller ändernden Nachfrage der Angebotsstrukturen auf fünf bis zehn Jahre verkürzt. Laut EHI Retail Institute sind die Renovierungszyklen allein im Zeitraum von 2003 bis 2010 über alle Einzelhandelsformate hinweg von durchschnittlich neun auf sieben Jahre gesunken. Eine Überprüfung und Weiterentwicklung bestehender Einzelhandelsflächen und -konzepte in verkürzten Abständen ist erforderlich.

Wenn das Shopping Center nicht nur baulich-technisch überholt, sondern auch zur Neukundengewinnung gegenüber den Wettbewerbern neu positioniert und mit einem neuen Namen sowie einem neuen „Look & Feel“ der Öffentlichkeit präsentiert werden muss, können sich die Refurbishmentkosten schnell auf durchschnittlich 800 Euro pro Quadratmeter und mehr belaufen. Zudem muss umfangreiches Marketing dazu beitragen, dass sich sowohl das Center als auch der gesamte Einzelhandelsstandort in einem neuen Licht darstellen. Dazu gehören beispielsweise neue Zufahrtswege, erweiterte Parkmöglichkeiten oder die Schaffung von neuen Ein- und Ausgängen, die das Center mit dem umliegenden Einzelhandel verbinden sollen. Besonders innerstädtische Einkaufszentren können im Zusammenspiel mit den umliegenden Einzelhändlern einen starken Handelsstandort formen, der auch überregionale Kaufkraft anzieht und bindet. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Genius Loci gekonnt aufgegriffen wird und sich das Center vom Einheitsbrei vieler Häuser abhebt. Voraussetzung für ein gelungenes Refurbishment ist zudem die Umsetzung von klassischen Maßnahmen wie die Neuaufteilung der Mietflächen sowie eine neue Zusammensetzung und damit Optimierung des Mietermixes. Darüber hinaus werden Food Courts, Kinos, Modeschauen und weitere Unterhaltungsangebote bei Centern, die als Erlebnisziel positioniert werden sollen, immer wichtiger, denn sie leisten zur Steigerung der Aufenthaltsqualität einen entscheidenden Beitrag.

Bedarf für Anpassungsstrategien

Vor dem Hintergrund neuer Kundenbedürfnisse und einer sich immer schneller ändernden Einzelhandelslandschaft besteht der Analyse von Bouwfonds Investment Management zufolge allein bei Shopping Centern in Deutschland, Holland und Frankreich, die vor 2005 entstanden sind, die Erfordernis zum Refurbishment für eine Handelsfläche von rund 18,9 Millionen Quadratmetern. Je nach Umfang des Refurbishments belaufen sich die Instandsetzungskosten pro Quadratmeter auf circa 300 bis 800 Euro im Durchschnitt, so dass mit Gesamtkosten in einer Höhe von etwa 5,7 bis 15,1 Milliarden Euro gerechnet werden muss.

Neue Renditechancen mit der„Core-Satellite”-Strategie

Der große Refurbishment-Bedarf bei Shopping Centern könnte somit vor allem auch bei institutionellen Anlegern auf Interesse stoßen, denn vor allem im begehrten Risikosegment Core wird auch künftig die Nachfrage hoch und das Angebot knapp bleiben. Wenn der Investitionsfokus jedoch auf managementintensivere und damit chancenreichere Einzelhandelsimmobilien ausgeweitet wird, ergeben sich neue Ertragsmöglichkeiten. Diese bieten sich über die „Core-Satellite”-Strategie: Rund um einen Kern aus einem oder mehreren direkten und indirekten Investments mit bonitätsstarken Nutzern in Bestlage wird ein Ring aus Satelliten mit höherem Ertragsprofil gelegt. Die Core-Investments bilden den sicheren und liquiden Sockel des Gesamtinvestments. Um Risiken zu reduzieren und die Renditechancen zu optimieren, wird das für die Satelliten allokierte Kapital über verschiedene Segmente gestreut. Beispiele für verschiedene Satelliteninvestments sind etwa regional fokussierte Objekte an ausgewählten B-Standorten, Logistik- und Parkhaus¬immobilien, Infrastrukturfonds, Immobilieninvestments wie studentisches Wohnen und Sozialimmobilien; oder schließlich die Umsetzung risikoreicherer Investmentstile, wie zum Beispiel über Investitionen in Einkaufszentren mit Refurbishment-Bedarf.

Die in den vergangenen fünf Jahren größer gewordene Renditelücke zwischen Core- und Non-Core-Investitionen spricht dafür, dass gerade Shopping Center mit Refurbishment-Bedarf eine lohnenswerte Anlagealternative darstellen – insbesondere dann, wenn sie sich in den so begehrten Top-Lagen großer Metropolen aber auch in Mittelstädten befinden. Der Blick wird auf Objekte gelenkt, die bis zum Abschluss der Refurbishment-Maßnahmen kurzfristig bei höheren Ankaufsrenditen etwas mehr Risiko aufweisen. Nach der Revitalisierung und der eindeutigen Positionierung des Centers überzeugen die Objekte dann als Core-Immobilie mit langfristig höheren Renditen oder sie ergänzen als einer von mehreren Satelliten den Kern aus klassischen Core-Investitionen.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Bouwfonds Investment Management Deutschland
Erstveröffentlichung: Immobilien & Finanzierung vom 15.02.2014