04.11.2015

Zukunft der Logistikimmobilien

Megatrends und ihre Herausforderungen für Entwickler in Deutschland

Christof Prange, Head of Business Development und Managing Director, Goodman Germany GmbH
Christof Prange


Ein hoher Flächenbedarf von Unternehmen, die ihre Lieferketten ausbauen oder neu strukturieren, führt in der Anlageklasse Logistikimmobilien zu zahlreichen Neuentwicklungen. Schon seit einiger Zeit liegt das Neubauvolumen in Deutschland jedes Jahr zwischen 2 und 3 Millionen Quadratmeter. Megatrends wie vielfältigere Handels- und Vertriebskanäle, eine zunehmende Globalisierung von Liefernetzwerken sowie steigender Kostendruck im logistischen Wettbewerb treiben die Nachfrage nach oben und bedingen neue Standortkonzepte. Gleichzeitig werden die verfügbaren Flächen in Toplagen immer knapper. Der Wettbewerb um die besten Lagen nimmt zu.

Aufgrund der aktuellen Marktsituation stehen große Logistikentwickler vor der Aufgabe, genau zu analysieren, wie ihre Logistikimmobilien durch ein hohes Maß an Flexibilität auch die Anforderungen der Zukunft erfüllen können. Außerdem geht es um neue Konzepte, den Mehrwert der Logistik gegenüber der Gesellschaft und der Kommunalpolitik im Besonderen zu verdeutlichen. Für die größte Bewegung im Markt sorgt aktuell der Handel. Sowohl der reine E-Commerce als auch Multichannel-Händler fragen außergewöhnlich viele neue Logistikimmobilien an, weil ihre Anforderungen durch Bestandsobjekte nicht abgedeckt werden. Mit Neuentwicklungen nach dem neuesten Stand der Technik wollen sie sich entweder für die Zukunft gut positionieren oder bestehende Logistiknetzwerke konsolidieren.

Nutzerstruktur in Deutschland

Bereits ein Blick auf die Nutzerstruktur im deutschen Markt veranschaulicht, wie stark der Handel am Aufschwung im Immobilienmarkt beteiligt ist: 2014 betrug der gesamte Flächenumsatz für Logistikimmobilien rund 5,2 Millionen Quadratmeter. Davon entfielen nach dem Reporting von BNP Paribas 43,3 Prozent auf Logistikdienstleister, 30 Prozent auf den Handel und etwa 23 Prozent auf Industrieunternehmen. Bei der Analyse dieser Zahlen ist zu bedenken, dass auch zahlreiche Dienstleister im Auftrag von Handelsunternehmen tätig sind. Nur ein Beispiel: Die mittelständische Hammer Group aus Aachen ist in einem 102.000 Quadratmeter großen Logistikzentrum am Standort Bedburg bei Köln für ein prominentes Handelsunternehmen tätig.

Handel im Wandel

Die Analysten von JLL schätzen, dass der Onlinehandel in einem bereits laufenden Zeitraum von fünf Jahren etwa 25 Millionen Quadratmeter an neuen Flächen benötigt, um sich in Europa voll entfalten zu können. Davon entfallen ca. 3 Millionen Quadratmeter auf die bekannten großen Fulfillment Center, wie sie beispielsweise Amazon und Zalando von Goodman mieten. Hinzu kommen 22 Millionen Quadratmeter für den Lagernachschub des Einzelhandels auf verschiedenen Vertriebskanälen. In der Regel werden neue Immobilien im Kundenauftrag und kundenspezifisch entwickelt. Gleichzeitig sollte für die Zukunft der Logistikimmobilien die grundlegende Auffassung gelten, dass Kundenanforderungen zu einem hohen Anteil deckungsgleich sind mit Branchenanforderungen. Das heißt: Ein Fulfillment Center in einer Größenordnung von 50.000 bis über 100.000 Quadratmeter, das heute von Amazon oder Zalando betrieben wird, ließe sich im Ernstfall auch von anderen E-Commerce Unternehmen nutzen – zumal die Immobilien flexibel teilbar sind. So hat eine JLL-Umfrage unter aktuellen Nutzern von Logistikimmobilien in Deutschland ergeben, dass sich 25 Prozent der Befragten vorstellen können, in den nächsten fünf Jahren eine Mega-Lagerhalle von über 100.000 Quadratmeter zu beziehen.

Besonderheiten im E-Commerce

Wer sich als Makler oder Entwickler auf das Feld der E-Commerce-Immobilien begibt, sollte bedenken: Vor allem die Fulfillment Center sind nach besonderen Kriterien gestaltet. Zu berücksichtigen ist, dass häufig über 1.000 Mitarbeiter pro Schicht in der Immobilie tätig sind. Schon heute stehen und fallen einige Logistikansiedlungen mit der Verfügbarkeit von Arbeitskräften in einer Region. Aufgrund der demografischen Entwicklungen in Deutschland wird sich diese Tendenz weiter verschärfen. Im Interesse der Mitarbeiter sollten in der Immobilie intelligente Gebäudeleitsystem integriert sein, um Beleuchtung, Heizung und Belüftung optimal zu steuern und gute Arbeitsbedingungen zu schaffen. Auch Kantinen und große Sozialräume gehören zum Standard, den die Nutzer erwarten.

Außerdem sollte der Gebäudezugang bei Immobilien dieser Dimensionen sicher gestaltet und die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr gewährleistet sein. In der Regel lassen sich in Abstimmung mit den Kommunen gute Lösungen finden. Weitere Punkte betreffen die bauliche Gestaltung mit einer Hallenhöhe von bis zu 12 Metern und großflächigen Zwischengeschossen, u.a. zur Retourenabwicklung. Diese Immobilien sind im Bestand nicht zu finden, weshalb sie in Deutschland für den E-Commerce größtenteils erst entwickelt werden mussten. Am Fulfillment Center startet die Lieferkette jedoch erst. Durch kleinere, angeschlossene Paket- und Verteilzentren, die noch näher an die Innenstädte heranrücken, gibt es weiteres Bauvolumen. Zumal die letzte Meile auf dem Weg zum Kunden für einen Onlinehändler die wichtigste ist.

Globalisierte Logistiknetzwerke

Der Trend zu globalisierten Verteil- und Liefernetzwerken ist schon seit einiger Zeit zu beobachten und wird sich in Zukunft weiter fortsetzen. Vor diesem Hintergrund sind multimodale Logistikstandorte besonders gefragt. Anbindungen an wichtige Verkehrsträger wie Straße, Schiene, Wasser und Luft sind unbedingt erforderlich, wenn eine Logistikimmobilie als Ausgangs- und Kreuzungspunkt internationaler Logistik genutzt werden soll. Für Volkswagen wurde beispielsweise ein 24.000 Quadratmeter großer Export-Hub im Duisburger Hafen entwickelt. Durch die guten Anbindungen ist die Immobilie zum einen auf der Straße für zahlreiche Zulieferer schnell zu erreichen. Vorwiegend auf dem Wasser- und Schienenweg lassen sich die Komponenten und Module dann zu den außereuropäischen Werken des Automobilkonzerns in Nord- und Südamerika, Indien, China, Südafrika und Malaysia transportieren.

Ein weiteres Beispiel ist das neue Logistiknetzwerk der WMF Group. Um die Effizienz seiner Logistik zu steigern, hat das Handelsunternehmen 33 bestehende Lagerstandorte zu zwei strategischen Hauptstandorten in Süddeutschland und im Ruhrgebiet zusammengefasst. Ein wichtiges Entscheidungskriterium bei der Auswahl war die Möglichkeit, die Waren auch internationalen Händlern und Kunden schnell zur Verfügung zu stellen. Trotz der globalen Dimension der Logistik bleibt die Straße aber der wichtigste Verkehrsträger in Deutsch land. Schließlich erfolgen 80 Prozent des innerdeutschen Warenverkehrs per LKW.

Flächenbedarf trifft auf Flächenverknappung

Angesichts der hohen Nachfrage und der großen strategischen Bedeutung des Logistikstandorts Deutschland wirkt es für viele Marktteilnehmer herausfordernd, dass die Bundesregierung plant, den Anteil der täglich neu versiegelten Flächen bis 2030 auf ca. 30 Hektar zu begrenzen. Das entspricht einem Minus von über 60 Prozent im Vergleich zu heute. Die Pläne für Nordrhein-Westfalen gehen sogar noch weiter. Ohnehin ist die Logistik in einigen deutschen Kommunen nur wenig willkommen, da ihr ein schlechtes Image anhaftet und der Mehrwert einer schnellen Warenverfügbarkeit schnell überlagert wird.

Aus der Sicht von Goodman helfen vor allem zwei Konzepte, um produktiv auf die zunehmende Flächenverknappung zu reagieren: Landbanking und Brownfield-Konversion. Landbanking beschreibt den frühzeitigen Erwerb oder die langfristige Pachtung attraktiver Grundstücke, die damit für eine logistische Nutzung gesichert werden. Dazu müssen frühzeitig Gespräche mit den Kommunen oder anderen Eigentümern eingeleitet werden. So wurde beispielsweise beim Projekt Interlink Hamburg verfahren, um erstklassige Flächen in Hafenlage für Kunden nutzbar zu machen.

Durch Brownfield-Konversion entstehen neue Gewerbemöglichkeiten auf alten Brachflächen. Dieser Ansatz ist vor allem für die Logistik interessant, da die Brownfields häufig bereits in eine sehr gute Infrastruktur eingebunden sind. Entwickler sollten für Konversionsprojekte aber in jedem Fall die nötigen Erfahrungen vorweisen, da die Entwicklungen sehr komplex sein können. Durch eine Vielzahl erfolgreicher Musterbeispiele lässt sich auf Dauer tatsächlich ein Imagegewinn für die Logistikimmobilienbranche erzielen. Die Ansprüche der Gesellschaft und vieler Unternehmen, im Besonderen an eine schnelle Warenverfügbarkeit, sind hoch. Daher gilt es, die Politik nachhaltig vom volkswirtschaftlichen Nutzen der Logistik zu überzeugen.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V.
Erstveröffentlichung: ZIA Geschäftsbericht 2014/2015

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Grafik zu E-Commerce:
Logistikimmobilien für den Onlinehandel

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