20.09.2017

Arbeit im Bündnis fortsetzen

Interview mit der Bundesministerin Dr. Barbara Hendricks zum Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen

Dr. Barbara Hendricks, Bundesministerin, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB)
Dr. Barbara Hendricks

Im Jahr 2014 wurde das Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen durch die Bundesregierung als eines der wichtigsten Themen des Landes auf die bundespolitische Agenda gesetzt. Zu den größten Erfolgen zählt hierbei die Schaffung der neuen Baugebietskategorie "Urbanes Gebiet" sowie der Beschluss des Klimaschutzplans 2050 im November 2016. TPP sprach mit Bundesministerin Dr. Barbara Hendricks zur aktuellen Bilanz und den Fortschritten der Bündnispartner.

Zu Beginn der Legislaturperiode haben Sie das Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen ins Leben gerufen. Wie fällt Ihre Bilanz aus?

Seit 2014 sitzen beim Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen alle am Wohnungsbau Beteiligten an einem Tisch zusammen. Unter dem Dach des Bündnisses haben wir das bezahlbare Wohnen und Bauen als eines der wichtigsten Themen unseres Landes wieder auf die bundespolitische Agenda gesetzt. Gemeinsam haben die Bündnispartner eine bislang deutschlandweit einmalige Wohnungsbau-Offensive gestartet. Die Bündnispartner haben wichtige Impulse gesetzt, damit die dringend benötigten Wohnungen im bezahlbaren Segment errichtet werden können. Gemeinsam haben sie für die Akzeptanz des Wohnungsneubaus geworben und zukunftsfähige Formen des Wohnungsbaus wie das serielle Bauen vorangetrieben. Ein weiterer Erfolg der Bündnisarbeit ist die Schaffung der neuen Baugebietskategorie Urbanes Gebiet. Länder und Kommunen erhalten damit neue Möglichkeiten, um in begehrten Stadtlagen Wohnungen im bezahlbaren Segment zu schaffen. Auch in den kommenden Jahren benötigen wir mindestens 350.000 neue Wohnungen pro Jahr. Wir sollten die Arbeit im Bündnis fortsetzen. Bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, ist eine Aufgabe, die Beharrlichkeit und einen langen Atem erfordert.

Ein Streitpunkt im Bündnis war der Klimaschutz. Wie sieht eine Klimaschutzpolitik für den Immobilienbereich aus, die Anreize für Investitionen schafft und zugleich die Wohnkosten im Auge behält?

Der Klimawandel ist eines der drängendsten Probleme der Menschheit. Er wird nicht nur die Politik der nächsten Jahre maßgeblich beeinflussen, sondern auch die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft vor besondere Aufgaben stellen. Das Bundeskabinett hat am 14. November 2016 den Klimaschutzplan 2050 beschlossen. Mit diesem Plan beschreibt die Bundesregierung erstmals den Weg in ein weitgehend klimaneutrales Deutschland. Gebäude sind derzeit für rund 30 Prozent der Treibhausgasemissionen in Deutschland verantwortlich. Unser Ziel ist ein nahezu klimaneutraler Gebäudebestand bis 2050. Allerdings darf dadurch der Wohnungsbau nicht ausgebremst werden. Es ist eine zentrale Herausforderung, die Schaffung ausreichenden, bedarfsgerechten sowie bezahlbaren Wohnraums einerseits und die erforderlichen energetischen Anforderungen an den Neubau und Gebäudebestand andererseits miteinander in Einklang zu bringen. Im „Bündnisses für bezahlbares Wohnen und Bauen“ arbeiten wir im Rahmen der Innovationspartnerschaft eng mit den wohnungswirtschaftlichen Verbänden zusammen.

Alle Eigentümer von Gebäuden – Wohngebäuden sowie Nichtwohngebäuden, also Büro- und Industriegebäuden, Turnhallen, Schulen, Verkaufshallen etc. – müssen ihren Beitrag leisten und für die energetische Sanierung gewonnen werden. Die Bundesregierung stellt hierfür erhebliche Fördermittel bereit. So haben wir in dieser Legislaturperiode die Fördermittel zur energetischen Sanierung und zur Förderung des Neubaus von energetisch besonders vorbildlichen Gebäuden erheblich aufgestockt.

Trotz niedriger Zinsen bleibt Deutschland ein Land der Mieter. Wann steigt der Bund wieder in die Wohneigentumsförderung ein?

Die Bundesregierung unterstützt die Wohneigentumsförderung mit verschiedenen Maßnahmen. Die Mehrzahl der Förderprogramme des Bundes steht Wohneigentümern offen oder ist ausdrücklich auf Wohneigentümer zugeschnitten. Dazu zählen die Förderung des Bausparens mit der Wohnungsbauprämie und der Arbeitnehmer-Sparzulage, die Eigenheimrente (sog. Wohn-Riester) sowie insbesondere die Förderprogramme der KfW Bankengruppe zum Klimaschutz und zur Energieeffizienz im Bereich des Wohnungsneubaus.

Auch die Länder beziehen in ihre Wohnungsbauprogramme die Förderung des Wohnungseigentums mit ein. Der Bund unterstützt sie im sozialen Wohnungsbau durch die sogenannten Kompensationsmittel, die im Jahr 2016 mehr als 1 Mrd. Euro betrugen und für die Jahre 2017 und 2018 jeweils auf über 1,5 Mrd. Euro aufgestockt wurden.

Darüber hinaus haben viele Städte und Gemeinden eigene Programme zur Wohneigentumsförderung aufgelegt, beispielsweise über Baukostenzuschüsse oder die Bereitstellung von verbilligtem Bauland.

Bereits vor einem Jahre habe ich zudem mein Konzept des Familienbaugeldes vorgestellt. Leider war dies mit dem Koalitionspartner nicht mehr umsetzbar. Deshalb werden wir das Familienbaugeld nach der Bundestagswahl in mögliche Koalitionsverhandlungen einbringen. Mit dem Familienbaugeld wollen wir gezielt Familien unterstützen, die sich ein Eigenheim sonst nicht leisten können. Denn für viele ist das fehlende Eigenkapital die größte Hürde.

In der gegenwärtigen Niedrigzinsphase sind die Wohnungsbauförderprogramme der Länder wenig attraktiv für Investoren. Wird es steuerliche Erleichterungen für Investoren geben? Und warum setzt die Politik nicht entschiedener auf die Subjektförderung?

Eine steuerliche Förderung kann einen erheblichen Anreiz für Investitionen in den Mietwohnungsneubau schaffen. Daher hatte ich mich frühzeitig für eine entsprechende Regelung ausgesprochen. Leider konnten wir unser Vorhaben nicht umsetzen. Wir werden aber in der nächsten Legislaturperiode  einen neuen Anlauf nehmen, eine zielgenaue steuerliche Förderung für bezahlbare Mietwohnungen in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten zu schaffen.

Mit dem Wohngeld unterstützen wir Haushalte mit geringem Einkommen, insbesondere Familien sowie Rentnerinnen und Rentner bei den Wohnkosten. Uns ist es gelungen, zum 1. Januar 2016 die Wohngeldleistungen zu verbessern und erstmalig seit 2009 wieder an die Mieten- und Einkommensentwicklung und auch an die warmen Nebenkosten anzupassen. Der kürzlich dem Deutschen Bundestag vorgelegte Wohngeld- und Mietenbericht zeigt, dass dies dringend nötig war: Die Zahl der Wohngeldempfängerinnen und -empfänger hat sich schätzungsweise um 43 Prozent auf 660.000 Haushalte erhöht. Das durchschnittliche Wohngeld eines Zwei-Personen-Haushalts ist um 61 Prozent von monatlich 114 Euro auf 184 Euro gestiegen. Wir brauchen eine regelmäßige und bedarfsgerechte Anpassung des Wohngeldes. Die Mieterinnen und Mieter müssen sich auf ihr Wohngeld verlassen können. Mehr Wohngeld ist wichtig, aber natürlich nicht ausreichend. Entscheidend ist, dass mehr bezahlbare Wohnungen gebaut werden.

Wird die neu geschaffene Baurechtskategorie „Urbane Gebiete“ dazu führen, dass mehr neue Wohnungen entstehen?

Die Novelle des Bauplanungsrechts gibt Städten und Gemeinden mehr Flexibilität bei der Planung von Innenstadtquartieren mit gemischter Nutzung. Herzstück der Reform ist die neue Gebietskategorie „Urbanes Gebiet“. Mit dem Urbanen Gebiet‘ schaffen wir eine wichtige Voraussetzung für den Wohnungsbau in den Städten. Die Städte bekommen damit ein die Möglichkeit, dichter und höher zu bauen und das Miteinander von Wohnen und Arbeiten in den Innenstädten zu erleichtern. Mit dem Urbanen Gebiet folgen wir dem Leitbild einer Stadt mit kurzen Wegen, Arbeitsplätzen vor Ort und einer guten sozialen Mischung.

In „urbanen Gebieten“ ist sowohl eine erheblich höhere bauliche Dichte als auch, im Rahmen des gemischten Gebietscharakters, mehr Flexibilität im Hinblick auf die Anteile der einzelnen Nutzungsarten möglich als im Mischgebiet. Zudem lässt das Immissionsschutzrecht sowohl in der für Gewerbelärm geltenden Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) als auch zukünftig in der Sportanlagenlärmschutzverordnung tagsüber um 3 dB (A) höhere Immissionsrichtwerte zu als in einem Mischgebiet.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
Erstveröffentlichung: The Property Post, August 2017

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