19.04.2023

Crowd- und Mezzanine-Geld in Gefahr

Warum Crowdfunds nichts für Private sind und Mezzanine-Profis Geduld brauchen

Reiner Reichel, Redakteur, The Property Post

Rund zehn Jahre ist es her, dass die ersten Crowdinvesting-Plattformen für Immobilien an den Start gingen. Bald darauf entwickelte sich ein richtiger Hype um diese neue Form der Finanzierung von Immobilienprojekten. Noch heute wirbt eine der Plattformen: „Investieren in professionelle Immobilienprojekte renommierter Projektentwickler mit attraktiver Verzinsung und kurzen Laufzeiten.“ Früher erhielten Anleger häufig schneller ihr Geld zurück als geplant. Heute müssen manche länger warten als vorgesehen und ihnen drohen sogar Verluste. „The Property Post“ hat bei Prof. Steffen Sebastian, einem Finanzierungsexperten, nach den Gründen gefragt.  

The Property Post: Herr Professor Sebastian, warum geraten immer häufiger Immobiliencrowdinvestments in Schieflage?
Steffen Sebastian:
Das Geld der Anleger floss und fließt in Immobilienprojektentwicklungen. Baukostensteigerungen bringen die Projektentwickler in finanzielle Schwierigkeiten. Das gilt nicht nur für die, die Gelder über Crowdinvesting-Plattformen eingeworben haben.

TPP: Trifft es Privatanleger besonders hart?
SS:
Ja, aufgrund besonderer Umstände. Zwar fallen gegenwärtig auch bei Banken und Kreditfonds Zahlungen von Projektentwicklern aus. Doch Institutionelle können die Ausfälle besser verkraften, weil sie das Ausfallrisiko über große Portfolios mit viele Einzelkrediten verteilt haben. Privatanleger haben in der Regel nicht mehrere Crowdinvestments, sondern nur eines gezeichnet, das Risiko also nicht gestreut.

TPP: Die Angebotsunterlagen der Plattformen weißen ausdrücklich auf Ausfallrisiken hin. Warum zeichnen die Anleger die Angebote trotzdem?
SS:
Die Risikohinweise sind für Private zu abstrakt. Die Angebote sind in der Regel so ausgestaltet, dass Geld über Anleihen in Immobilien angelegt wird. Immobilien und Anleihen signalisieren für Privatanleger Sicherheit. Den Anlegern ist nicht bewusst, dass sie die Spitzenfinanzierung liefern und beim Scheitern einer Projektentwicklung erst Geld zurückbekommen, nachdem alle anderen Gläubiger befriedigt wurden.

TPP: Sind also die Anleger trotz Risikohinweisen nicht ausreichend informiert?
SS:
Auf Basis der in den Angebotsunterlagen enthaltenen Informationen würde kein Projektentwickler einen Bankkredit bekommen. Und wenn mit einem Bankkreditantrag vergleichbare Information vorlägen, wäre der Zeitaufwand um sie zu prüfen für eine Investition ab 50 Euro viel zu hoch. Selbst mit meinem Wissen würde es sicher zwei Tage dauern, bis ich mir ein Bild von einer Projektenwicklung gemacht hätte.

TPP: Im Grunde genommen sind die Crowdtranchen der Privaten nichts anderes als Mezzanine-Kapital. Wie geht es denn den professionellen Mezzanine-Fonds, in den auch für die Altersvorsorge vorgesehene Gelder stecken?
SS:
Auch die in Mezzanine-Fonds investierten Institutionellen haben jetzt an der einen oder anderen Stelle Abschreibungsbedarf. Sie gleichen das Risiko aber über die Diversifikation innerhalb dieses Segments und andere Anlageklassen aus, was viele Privatanleger nicht tun.

TPP: Jede Woche werden Neubauprojekte abgesagt. Bedeutet dies auch das vorläufige Ende für Crowdinvestments und die Mezzanine-Finanzierungen?
SS:
Was die Crowdfunds angeht, bin ich mir nicht sicher. Der Privatkunde kauft leider, was ihm der Vertrieb aufschwätzt. Intelligente Anleger werden im Moment kein Mezzanine-Kapital zur Verfügung stellen.

TPP: In der Immobilien-Zeitung war kürzlich zu lesen: „Die Zahl der in Europa aktiven Debt-Fonds wächst. Da die Banken in der momentanen Marktphase vorsichtiger werden, haben die Fonds die Chance, ihren Marktanteil auszubauen.“ Werden Debt-Fonds auch in angeschlagene Mezzanine-Finanzierungen einsteigen?
SS:
Das kann ich mir nicht vorstellen, weil das Verlustrisiko im Moment noch zu hoch ist.

TPP: Was muss geschehen, damit wieder mehr Mezzanine-Kapital angeboten wird?
SS:
Dazu muss das Projektentwicklungsgeschäft wieder anziehen. Das wird aber erst geschehen, wenn Projekte attraktive Exits versprechen. Dazu müssen die Gesamtkosten sinken. Dass die Baukosten geringer werden, ist unwahrscheinlich. Also müssen die Grundstückskosten nachgeben. Doch die Eigentümer sind im Moment noch nicht bereit, zu niedrigeren Preisen zu verkaufen. Das wird noch dauern.

TPP: Herr Professor Sebastian, vielen Dank für das Interview.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von IREBS Institut für Immobilienwirtschaft
Erstveröffentlichung: The Property Post, April 2023

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Reiner Reichel, Jahrgang 1956, war viele Jahre Immobilienredaktuer des Handelsblatts. Journalismus betreibt er, wie er Fußball spielt: hart aber fair.

prof_dr_steffen_sebastian_13.jpegProf. Dr. Steffen Sebastian wusste schon vor mehr als 30 Jahren, was er will:  wirtschaftswissenschaftlich forschen. Für Außenstehende war dieses Ziel während der Ausbildung zum Steuerfachgehilfen noch nicht erkennbar. Doch dem Berufsabschluss 1990 folgte ein Studium der Betriebswirtschaftslehre, das Sebastian 2003 mit der Promotion an der Universität Mannheim abschloss. Das in diesem Tagen wieder aktuelle Thema seiner Dissertation: „Inflationsrisiken von Aktien-, Renten- und Immobilieninvestments“. Der Habilitation an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt 2006 folgte noch im gleichen Jahr die Berufung auf den Lehrstuhl für Immobilienfinanzierung an der IREBS International Real Estate Business School der Universität Regensburg. Seit 2009 ist er stellvertretender Direktor des zwei Jahre zuvor von ihm mitgegründeten Center of Finance an der Universität Regensburg. Noch im gleichen Jahr übernahm er eine Forschungsprofessur am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim.

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