16.05.2023

Kaufhäuser: Schließungen als Chance

Architekt Pieter Fraune erklärt, was aus Warenhäusern werden kann

Reiner Reichel, Redakteur, The Property Post

Pieter Fraune, Assoziierter Partner bei RKW Architektur + in Düsseldorf, weiß, wie sich ein leer stehenden Kaufhaus zum attraktiven Mietobjekt umgestalten lässt. RKW Architektur + lieferte die Pläne zum Umbau des als Horten-Kaufhaus gebauten Galeria-Kaufhof-Objektes in der Berliner Allee in Düsseldorf. Dort zogen nach dem Umbau ein riesiger Edeka-Markt mit angeschlossener Gastronomie und ein Drei-Sterne-Cityhotel ein. Die Schließung weiterer 47 Galeria-Kaufhof-Häuser brachte dem Büro zusätzliche Anfragen, was in den Häusern machbar sei. Schon zuvor hatten vorausschauende Vermieter Machbarkeitsstudien in Auftrag gegeben, weil sie mit weiteren Kaufhaus-Schließungen rechneten.

The Property Post: Herr Fraune, welche Folgen hat die Schließung eines Kaufhauses für eine Stadt?

Pieter Fraune: Nehmen wir Neuss als Beispiel, die Stadt, in der ich in meiner Jugend eingekauft habe. Die kurzfristigen Folgen für die Neusser Innenstadt sind gravierend. Es ist zu befürchten, dass der Kaufhof-Schließung weiterer Leerstand im Einzelhandel folgt. Aber mittelfristig muss man die Schließung als große Chance für Veränderungen begreifen. Wenn dagegen in einer Großstadt wie Düsseldorf ein Kaufhaus schließt, wirkt das weniger negativ auf die Einzelhandelslandschaft.

TPP: In Neuss und anderen betroffenen Städten scheint man aber die Chancen noch nicht erkannt zu haben.

PF: Die Skeptiker sollten verstehen, dass Städte immer im Wandel sind. Kaufhäuser wie das in Neuss wurden in attraktiven Innenstadtlagen gebaut, die gute Möglichkeiten für Nachnutzungen bieten. Das Hauptproblem ist, dass eine Nachnutzung erst nach erheblichen Umbauten möglich ist. Daraus folgt, dass der Eigentümer schmerzhafte Abwertungen vornehmen muss.   

TPP: Wie könnten Umbaumaßnahme aussehen?

PF: Zuerst sollte versucht werden, zumindest im Erdgeschoss weiterhin Einzelhandel zu etablieren und die Obergeschosse für andere Nutzungsarten vorzubereiten. Die Möglichkeit sehe ich auch in Neuss. Kaufhäusern fehlt aufgrund der tiefen Flächen von 50 Metern und mehr Tageslicht. Um Tageslicht für andere Nutzungsarten zu gewinnen, müssen in den oberen Geschossen die Außenwände aufgeschnitten und Fenster eingesetzt werden. Im Inneren müssen Decken ausgeschnitten werden, so dass lichtspendende Innenhöfe entstehen können. Auf diese Weise lässt sich ein ehemaliges Kaufhaus für Wohnzwecke, Büronutzung oder für medizinische Einrichtungen, etwa Arztpraxen vorbereiten.

TPP: Das hört sich nach sehr großem Aufwand an.

PF: Eigentlich lassen sich Kaufhäuser aufgrund ihrer Betonskelett-Bauweise gut umbauen.  Die Geschosshöhen passen zu möglichen Nachnutzungen. Umbauen ist nachhaltiger als Abreißen und in vielen Fällen auch sinnvoller, weil ein Neubau mit gleicher Grundstücksausnutzung heute nicht mehr genehmigt würde.

TPP: Was Sie vorschlagen, ist eine Projektentwicklung im Bestand. Nach Zinserhöhungen und in einer Phase steigender Preise für Baumaterial fehlt wahrscheinlich vielen Eigentümern das Geld für Umbauten. Was wird in diesen Fällen geschehen?

PF: Die Gebäude werden zumindest zunächst leer stehen, was für die Städte eine Katastrophe ist. Die Eigentümer werden die Objekte mit hohen Verlusten verkaufen müssen, wahrscheinlich zu Preisen in Höhe des Grundstückswertes, weil das bestehende Gebäude keinen Wert mehr hat. Der Wertverlust resultiert daraus, dass die Umbaukosten etwa den Neubaukosten entsprechen. 

TPP: Wie groß ist die Gefahr, dass Abschreibungen oder durch Verkauf realisierte Verluste Vermieter in die Insolvenz treiben?

PF: Wenn Vermieter ihr Risiko nicht über mehrere Liegenschaften gestreut haben, sind Insolvenzen zu befürchten. 

TPP: Was können kommunale Stadtplaner in von Kaufhaus-Schließungen betroffenen mittelgroßen Gemeinden in dieser Situation tun?

PF: Eine Möglichkeit besteht darin, dass die Stadt ihr Vorkaufsrecht nutzt, wenn das Gebäude auf den Markt kommt. Manchmal gelingt dann eine öffentliche Nachnutzung. Auch hierfür liefert Neuss ein Beispiel. Im ehemaligen Horten-Kaufhaus arbeitet heute die Kreisbehörde. Außerdem spielt dort das Rheinische Landestheater. Aber, wo immer es möglich erscheint, sollte versucht werden im Erdgeschoss an Einzelhändler zu vermieten. Sollen die oberen Stockwerke etwa für innerstädtisches Wohnen hergerichtet werden, muss in der Regel der Bebauungsplan geändert werden. Der verbietet nämlich üblicherweise Wohnen in innerstädtischen Kerngebieten. Früher haben die Städte die Menschen aus den Innenstädten gedrängt, weil sie Konflikte von Einzelhandel und Gastronomie mit der Wohnbevölkerung wegen des Lärms durch Anlieferverkehr oder durch Außenbewirtung vermeiden wollten.

TPP: Vermutlich fehlt den meisten Kaufhauseigentümern die Expertise, um die richtige Nachnutzung zu finden. Wer hilft?

PF: Architekten haben häufig ein Gefühl dafür, was möglich ist, weil sie die Gebäudestruktur kennen. Doch letztendlich kann die Entscheidung nur im Zusammenspiel zwischen Eigentümer, Architekt, Projetentwickler und Vermietungsmakler fallen. Denn der Makler muss sagen, welche Mieter er sich künftig in dem Haus vorstellen kann.

TPP: Sie schlagen eine Mischnutzung von Innenstadtgebäuden vor. Die gab es früher. Dass es heute anders ist, hat aber nicht nur stadtplanerische, sondern auch wirtschaftliche Gründe. Warum soll das nun anders sein?  

PF: Im Laufe der Zeit stiegen die Ladenmieten so hoch, dass sie den Bau oder Erhalt der Restflächen subventionieren konnten. Vermieter verzichteten auf die Vermietung von Wohnungen in Obergeschossen, weil sie Konflikten etwa wegen Lärmbelästigung aus dem Weg gehen wollten. Doch die Struktur des innerstädtischen Einzelhandels wandelt sich. Discounter ziehen in die Innenstädte. Die sind allerdings nur bereit Mieten in einer Höhe zu zahlen, wie sie für Fachmarktflächen am Stadtrand üblich sind. Dem entgegen sind Wohnungsmieten gestiegen, so dass es inzwischen Objekte gibt, in denen die Wohnungen profitabler als der Einzelhandel sind.

TPP: Der Galeria-Kaufhof-Konzern hat bereits in früheren Krisenrunde bei seinen Vermietern deutliche Mietminderungen durchgesetzt. Werden die Mieteinnahmen nach einem Umbau die gleiche Höhe wie zuvor erreichen? 

FP: Die Gesamtmiete muss einen Tick höher sein als die letzte Kaufhausmiete, sonst wird der Eigentümer den Umbau nicht finanzieren können. Aber im Vergleich zu ursprünglichen Einzelhandelsmieten dürften die Mieten eher niedriger liegen.

TPP: Herr Fraune, vielen Dank für das Interview.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von RKW Architektur +
Erstveröffentlichung: The Property Post im Mai 2023

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Reiner Reichel, Jahrgang 1956, war viele Jahre Immobilienredaktuer des Handelsblatts. Journalismus betreibt er, wie er Fußball spielt: hart aber fair.

Pieter_Fraune_Reichel_fragt_nach_05_2023.jpgPieter Fraune (58) ist ein vielseitig interessierter Mensch. Gelernt hat der Rheinländer vor vielen Jahren Bauzeichner und später an der Fachhochschule Wiesbaden Architektur studiert. Nach weiteren beruflichen Stationen in Hessen kehrte er 1998 ins Rheinland zurück, zunächst als angestellter Architekt bei RKW Architektur +.  2003 stieg er zum assoziierten Partner dieses Büros in Düsseldorf auf. Nebenbei bleibt Fraune noch Zeit als Trompeter und Flügelhornist gelegentlich mit einer Bigband Swing-Jazz zu spielen. Als echter Rheinländer ist er auch noch Mitglied eines Schützenzugs in seiner Heimatstadt Kaarst – als Grenadier. „Das sind die rot-weißen mit dem schwarzen Frack“, erklärt er für im rheinischen Brauchtum weniger bewanderte. Als sei dies noch nicht genug, ist er auch noch im Kirchenvorstand der katholischen Gemeinde Alt St. Martin in Kaarst aktiv. Aus Überzeugung: „Ich habe die Kirche noch nicht aufgegeben. Ich will sie nicht den Kirchenoberen überlassen.“

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