11.10.2015

Immobilien für den Wandel

Veränderungen erfordern nutzungsoffene Bauten

Peter Nageler, Geschäftsführer, nonconform zt gmbh
Peter Nageler

Die gesellschaftlichen Verhältnisse ändern sich in allen Bereichen. Produktions- und Arbeitsbedingungen, Familienstrukturen, Biographien, Lebensstile, Karrieren und Alltagskulturen werden dynamischer und immer differenzierter. Zukünftige Entwicklungen werden schwerer prognostizierbar.

Wie aber sollen möglichst langlebige, robuste und mehr oder weniger starre baulich-räumliche Strukturen, die für bestimmte Verhältnisse maßgeschneidert worden sind, auf diese Dynamiken reagieren? Wie können sie dieses Tempo der Veränderung nachvollziehen?

Ein permanentes Ersetzen unpassend gewordener Strukturen durch neue bedeutet einen hohen Ressourcenverschleiß und zunehmende umweltbeeinträchtigende Emissionen für Abriss und Neubau.

Stadtplaner, Architekten, Bauherren und Investoren sind daher gefragt, nicht nur auf eine schöne Umweltzertifizierung von neuen Gebäuden abzustellen, sondern sich mit der generellen Langlebigkeit von Immobilien zu beschäftigen und Lösungen für einen längeren Lebenszyklus zu entwickeln.

Alternative Immobilienkonzepte müssen vermeiden, dass baulich-räumliche Strukturen zu rasch in Widerspruch zu den sich ändernden Bedürfnissen der Nutzer geraten. Räumliche und bauliche Ressourcen müssen daher so angelegt werden, dass sie entwicklungs-, anpassungs- und „lern“- fähig sind. Wird dies bereits bei der Planung als Prämisse berücksichtigt, werden Gebäude langfristig gemischt und variabel nutzbar.

Denn die Planung auf eine individuelle Nutzung mit zeitlicher Beschränktheit für einen einzelnen Nutzer ist nicht mehr zeitgemäß. Und dies nicht nur aus ökologischen Aspekten, sondern auch aus wirtschaftlichem Antrieb.

Bei historisch geringen Immobilienrenditen und tendenziell kürzeren Mietvertragslaufzeiten für Büroimmobilien als noch vor 20 Jahren, wird eine Neubauimmobilie nach dem Einzug der ersten Mieter zur Gebrauchtware. Zieht ein Unternehmen als Mieter nach einer angenommenen Mietvertragslaufzeit von 10 Jahren wieder aus, so hat der Eigentümer lange noch nicht seine Investition amortisiert und muss bei traditionell geplanten Büroentwicklungen in der Regel erneut hohe Investitionssummen aufbringen, um die Gebrauchtimmobilie an neue Nutzeranforderungen anzupassen.

Eine Lösung bieten nutzungsoffene Bauweisen, die die übliche Funktionstrennung aufheben. Die bislang von Funktionstrennungen geprägten, üblichen Raumorganisationen bewirken, dass jeder einzelne funktionell spezialisierte Bereich in seiner Nutzungsintensität ausgedünnt wird. Die Arbeitsstätten stehen leer, wenn nicht gearbeitet wird, die Wohnungen stehen leer, wenn die Menschen an ihren Arbeitsplätzen sind. Die zwangsläufige Ausdünnung der Nutzungsintensität betrifft auch Infrastrukturen, Erschließungsflächen und öffentliche Räume, die oft aufwendig hergestellt und gewartet werden müssen, aber nicht adäquat genutzt werden. Insgesamt stellt das Modell der nutzungsspezifischen Funktionstrennung eine enorme Verschwendung räumlicher, energetischer und humaner Ressourcen dar. Es ist keinesfalls nachhaltig, nicht wirtschaftlich und wird unter dem zunehmenden Zwang zu Ressourceneffizienz grundlegend korrigiert werden müssen.

Für welche Gesellschaft bauen wir? Leben wir noch in einer Industriegesellschaft? Lassen sich unsere Lebensprozesse, unsere immer bunter werdenden Lebensstile, unsere sozialen Beziehungsmuster noch in deterministische zeit- und raumspezifische Korsette zwängen? Oder verlangen die gegenwärtigen und die absehbaren gesellschaftliche Entwicklungen nicht schon längst andere Antworten auf die Frage der Raumorganisation?

Ein Beispiel ist das „Neue Stadthaus“ das in einem Forschungsprojekt gemeinsam mit der Technischen Universität Wien – Arch. Prof. Erich Raith entstanden ist. Das neue Stadthaus steht für eine bebauungstypologische Zukunftsperspektive, die im Sinne nachhaltiger Raumentwicklung und vitaler Urbanität auf die Optimierung „struktureller Offenheit“ abzielt.

Eine „offen“ konzipierte Raumstruktur soll gewährleisten, dass hohe Raumqualitäten und bautechnische Standards wirtschaftlich herstellbar sind, dass die so entstehenden räumlichen Ressourcen flexibel genutzt, veränderten Bedürfnissen gut angepasst und immer wieder nutzerspezifisch angeeignet werden können. Dadurch entstehen Potenziale, die Nutzungsintensität von Gebäuden, Infrastrukturen und öffentlichen Räumen gegenüber monofunktionalen Strukturen wesentlich erhöhen.

Für die Stadtentwicklung entstehen so Stadtquartiere, die bei sich ändernden Nutzungsanforderungen nicht auf der Müllhalde landen, sondern durch Änderung der Nutzungsart der flexiblen Gebäudestrukturen, sich zukunftsfähig immer wieder neu erfinden und anpassen. Und für Investoren sind Anpassungen an sich ändernde Nutzeranforderungen in flexiblen Gebäudestrukturen deutlich investitionsschonender als bei Immobilien mit klarer Funktionstrennung.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von nonconform zt gmbh
Erstveröffentlichung: The Property Post, Mai 2015