15.03.2022

Digitalisierung

Voraussetzung und Instrument der ESG-Transformation

Thomas Veith, Partner, PricewaterhouseCoopers GmbH
Thomas Veith

Nachhaltigkeit in der Immobilienwirtschaft ist ohne digitale Lösungen und die dahinterstehenden Datenmodelle nicht realisierbar. Digitalisierung ist der Schlüssel zu mehr Effizienz in den Prozessen und zu optimierter Effektivität im Ergebnis. Im Transformationsprozess allerdings sind die Einsatzmöglichkeiten von digitalen Lösungen in den Bereichen „E“, „S“ und „G“ unterschiedlich zu bewerten.

Digitalisierte ESG?

Naturgemäß stehen digitale Lösungen im Zusammenhang mit Umweltkriterien („E“ )im Vordergrund. Denn „E“ ist großenteils durch eine entsprechende Definition von Key Performance Indicators (KPIs) nach dem derzeitigen Wissensstand messbar. Das ist zu begrüßen, weil insbesondere im Bereich der Umweltziele „Klimaschutz“ und „Anpassung an den Klimawandel“ großer Bedarf an technischen und automatisierten Lösungen besteht. Neben der automatisierten lückenlosen Erfassung von Verbrauchsdaten in Echtzeit gewinnen Analysetools – etwa zur Klimaszenarien-Betrachtung – an Bedeutung. Des Weiteren wird bei der Realisierung des Umweltziels „Kreislaufwirtschaft“ ein großer Fokus auf digitale Lösungen wie den Digital Twin oder andere Anwendungen gelegt, die eine Lebenszyklusbetrachtung und -analyse einschließlich der Baumaterialien unterstützen. Bezüglich weiterer Umweltziele – Schutz der Biodiversität sowie Wasser- und Meeresressourcen als auch Vermeidung von Umweltverschmutzung – ist zu erwarten, dass mit zunehmendem Wissensstand und Messbarkeit die Bedeutung von digitalen Anwendungen auch in diesen Bereichen zunehmen wird.

Bezüglich der Förderung sozialer Aspekte („S“) beschränken sich digitale Anwendungen derzeit mangels allgemeingültiger KPIs vor allem auf Datenbanken und digitale Checklisten – etwa zur Prüfung von Mindeststandards im Bereich Arbeitnehmerschutz, Menschenrechte und Korruptionsbekämpfung.

Im Bereich „G“ kommt digitalen Lösungen eine Unterstützungsfunktion zu, indem sie Hilfsmittel im Rahmen des Risikomanagements, des Reportings und der Geschäftsorganisation darstellen. Daneben ist unerlässlich, dass im Rahmen der Corporate Governance hinreichende Strukturen für die Erfüllung der hohen technischen und rechtlichen Anforderungen an den Einsatz von digitalen Hilfsmitteln sowie den Umgang mit Daten geschaffen und aufrechterhalten werden.

Ein wesentlicher Treiber der Digitalisierung von Immobilienunternehmen ist der Bedarf, Prozesse aufgrund des steigenden Kostendrucks effizienter zu gestalten und Geschäftsmodelle skalierbar zu machen. Aufgrund der dauerhaft positiven Entwicklung der Immobilienmärkte, auch in Krisenzeiten, haben große Teile der Branche die Dringlichkeit der Effizienzsteigerung bis dato nicht erkannt oder zumindest unterschätzt. Die steigenden regulatorischen Anforderungen auf EU- und Länderebene sind ein weiterer externer Treiber der Digitalisierung in der Immobilienwirtschaft.

Digitale ESG-Transformation im Unternehmensmanagement

Der Wettbewerb der Immobilienunternehmen um die attraktivsten Investments, Produkte und Investoren wird durch die Coronakrise sowie ESG-Anforderungen verschärft. Die bekannten KPIs in Bezug auf Rendite und Risiko müssen auf Nachfrage der Stakeholder um ESG-Kennzahlen erweitert bzw. angepasst werden. Die Digitalisierung ist hier ein wichtiges Instrument, um einerseits die Daten über Baumaterialien und den Betrieb im gesamten Lebenszyklus zu erfassen. Andererseits bieten Tech-Solutions aber auch die Grundlage, um aus den Daten maßgeschneiderte Analysen und Reportings für den Markt und die Kunden zu erstellen.

Immobilienunternehmen reagierten bisher nur vereinzelt mit einer Anpassung ihres Angebots auf die veränderte Kundennachfrage. Dabei zeigt diese eindeutig, dass sich die Bedeutung von ESG-Faktoren bei der Auswahl von Produkten und Dienstleistungen zunehmend als wichtiges zusätzliches Kriterium etabliert. Ebenfalls wandelt sich die Erwartungshaltung von Immobilieninvestoren an ihre Investments. Dieser Wandel inkludiert die Anforderung an involvierte Unternehmen, Nachhaltigkeitsstandards in der Wertschöpfungskette einzuhalten. Immer häufiger werden ESG-relevante Informationen den Geschäftsberichten von Unternehmen entnommen und in der Investitionsstrategie berücksichtigt. Darüber hinaus erwarten Immobilieninvestoren ein Management, das die relevanten ESG-Risiken erkennt, sowie ESG-Vorschriften regelkonform Folge leistet.

Fest steht, dass das vom Markt geforderte ESG-konforme Handeln nicht ohne digitale Technologie realisiert werden kann und die Nachhaltigkeitsziele nicht ohne Technologie erreicht werden können. Doch die Realität zeigt, dass diese Einsicht noch nicht bei allen Akteuren der Immobilienwirtschaft angekommen ist. Sinnbildlich dafür ist die häufig noch fehlende Verankerung der ESG-Dimensionen im Zusammenspiel mit dem entsprechenden Datenmanagement in der Unternehmensstrategie und die allgemein fehlenden Zuständigkeiten für das Themenfeld Nachhaltigkeitsdaten. Dabei ist der Einsatz digitaler Tools für das Datenmanagement im Immobilienkontext nur ein Aspekt. Ebenso entscheidend ist die feste Verankerung des systematischen ESG-Datenmanagements. Diese Maßnahme könnte den professionellen Umgang mit nachhaltigen Kriterien im Immobilienlebenszyklus gewährleisten und eine elementare Basis für einen einheitlichen Standard bilden.

Als Argument für das Ausbleiben der Implementierung in die Strategie und somit gegen einen derartigen Schritt wird die konjunkturelle Lage der Immobilienwirtschaft seit der Finanzkrise angeführt. Die Profitabilität ließ keinerlei Digitalisierungs- bzw. Innovationsdruck entstehen. Mit nun jedoch sinkenden Immobilienrenditen und Margen im Property-, Facility- sowie Asset-Management und der zunehmenden Regulatorik sehen sich zunehmend Unternehmen gezwungen, dank Digitalisierung die Effizienz sowie Transparenz in den Geschäftsablaufen und Datenhaushalten zu erhöhen. Hinzu kommen zunehmend weitere Argumente für eine nachhaltige und von Daten gestützte Unternehmensstrategie. So bestätigen jüngste Studien, dass ESG-konforme Investments sich identisch zu Anlagen konventioneller Natur rentieren. Dabei bewerten knapp 80 % des Marktes die Performance von nachhaltigen Produkten als kompetitiv und sehen Vorteile bzgl. des Risikoprofils. Das rührt unter anderem daher, dass ein relevanter Teil des Unternehmenswertes bereits heute auf nichtfinanziellen Säulen basiert (u. a. Know-how und Mitarbeiterzufriedenheit). Zudem sorgt ein professionelles Management von ESG Strategien für einen deutlichen Wettbewerbsvorteil und somit eine Steigerung der Marktgängigkeit. Dabei betrifft die Umsetzung in der Regel die gesamte Organisation und erfolgt – in Abhängigkeit vom Ambitionsniveau der Unternehmung – stufenweise sowie in Iterationen.

Die Verfügbarkeit von (Nachhaltigkeits-)Daten muss für die Akteure der Immobilienwirtschaft mittelfristig garantiert sein. Einige Asset-Manager machten die Verfügbarkeit und Nutzung von Daten strategisch zur Priorität und verlagerten die Verantwortung für die Umsetzung des Themas bereits auf strategische Positionen. Dabei sehen sie dies nur als einen Schritt zur Verbesserung der Datenverfügbarkeit. Des Weiteren sollen die Zusammenarbeit mit ESG-Tech-Unternehmen, der Einsatz von Smart Metering sowie der Zukauf von ESG-relevanten Daten zur Optimierung beitragen. So lassen sich breitere und tiefere Einblicke auf Asset-Ebene von jenen erweiterten Nachhaltigkeitsdaten ziehen, die zunehmend durch den Kapitalmarkt für die Realwirtschaft offeriert werden.

Best-Practices

Best-Practices zeigen, dass ein typischer Prozess hin zu einer Verankerung so aussehen könnte, dass anfänglich eine ganzheitliche ESG-Strategie entwickelt wird. Diese fungiert als Basis für eine individuelle ESG-Policy. Mit Erstellung von Akzeptanz- und Ausschlusskriterien sowie relevanter KPIs werden die Investmentkriterien nachgeschärft. Eine strategische Verankerung bedarf auch einer ESG-angepassten Überarbeitung des Vertragsmanagements in den Unternehmen. Nachhaltige Verträge beinhalten dementsprechend Verpflichtungen zur Datenlieferung zwischen Unternehmen, Nutzern, Betreibern und weiteren Stakeholdern. Entsprechende Klauseln sollten dabei sicherstellen, dass auch in jenen Regionen und Jurisdiktionen Verbrauchsdaten erhoben werden können, die einem starken Datenschutz unterliegen. In diesem Kontext ist zugleich die frühzeitige Einbindung der internen Datenschutzansprechpartner entscheidend. Soweit ein Datenschutzbeauftragter bestellt ist, ist dieser sogar zwingend „frühzeitig“ einzubinden, Art. 38 Abs. 1 DS-GVO. Beispielsweise muss er im Rahmen der geplanten Einbindung von (PropTech-)Dienstleistern und (sonstigen) Datenlieferanten prüfen können, ob diese Dienstleister, die in der Regel Auftragsverarbeiter i. S. d. Art. 4 Nr. 8 DS-GVO sein werden, durch angemessene technische und organisatorische Maßnahmen sicherstellen, personenbezogene Daten auf sichere Weise zu verarbeiten.

Optimiertes Datenmanagement

Mit den Möglichkeiten des optimierten Datenmanagements ließen sich darüber hinaus
noch weitere Herausforderungen bewältigen, wie z. B. die reibungslose Harmonisierung des Themas Nachhaltigkeit mit weiteren Bereichen einer Unternehmung. Jüngste Beobachtungen zeigen: Je eher von den Unternehmen der Immobilienwirtschaft eine Strategie zur Implementierung und Offenlegung von Nachhaltigkeit umgesetzt und realisiert wird, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, bei der Finanzierung von Bauvorhaben, beim Verkauf von Objekten oder anderen marktrelevanten Maßnahmen tiefgreifenden Nachteile zu erfahren. Daneben ist es unerlässlich, dass im Rahmen der Corporate Governance hinreichende Strukturen für die Erfüllung der hohen technischen und rechtlichen Anforderungen an den Einsatz von digitalen Hilfsmitteln geschaffen und aufrechterhalten werden.

Auch generell sind innovative und nachhaltige Unternehmen in Bezug auf Resilienz und Zukunftssicherheit besser aufgestellt. Dabei genügt es jedoch nicht, lediglich einen Head of Sustainability zu benennen. Vielmehr muss Nachhaltigkeit auf C-Level verankert und von der Gesamtunternehmung konsequent mitgedacht werden. Mithilfe dieser Maßnahmen könnte ein positives Signal an den Markt gesendet werden, dass sich die Unternehmen der Verantwortung gegenüber Share- und Stakeholdern sowie der Gesellschaft sehr wohl bewusst sind. Die Nachfrageseite wird in puncto Nachhaltigkeit nämlich stetig anspruchsvoller – bei durchaus vielschichtigen Anforderungen auf Unternehmens-, Produkt- und Objektebene.

 

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von PricewaterhouseCoopers GmbH
Erstveröffentlichung: Immobilienwirtschaft, März 2022

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