03.04.2024

Immobilienprojektentwicklung

Jede Krise formt ihre Finanzierungsarten

Richard Pail, Geschäftsführer, DIEAG Investmentmanagement GmbH
Richard Pail

Die unerwartet schnelle Zinswende der EZB im Jahr 2022 markiert einen Wendepunkt für die Immobilienbranche: Das Finanzierungsumfeld für Immobiliengesellschaften hat sich mit ihm stark verändert. Finanzierende Banken agieren restriktiv in der Neukreditvergabe und justieren sich neu. Welche Folgen ergeben sich für Projektentwickler und die Finanzierung von Developments im derzeitigen Marktumfeld?

Von Juli 2022 bis September 2023 erhöhte die EZB den Leitzins zehn Mal infolge auf das derzeitig bestehende Niveau von 4,5 Prozent. Doch das Projektentwicklergeschäft sah sich bereits in der Corona-Pandemie neuen Herausforderungen gegenübergestellt: Waren es 2020 insbesondere coronabedingte Baustellenstopps, Lieferengpässe und die daraus resultierenden steigenden Baukosten, ist es nun die restriktivere Kreditvergabe der finanzierenden Banken und die starke Zurückhaltung der meisten Investorengruppen, die in erster Linie Projektentwickler hart getroffen haben.

Im Rahmen einer Umfrage des Berliner Wohn- und Gewerbemaklers Quin Investment unter 25 Projektentwicklern im August 2023 bestätigen 66 Prozent der befragten Projektentwickler den Zinsanstieg als größten Einflussfaktor für Investitionsentscheidungen. Darüber hinaus bilden insbesondere auch die hohen Baukosten einen zusätzlichen hemmenden Faktor.

Die höheren Kreditkosten im Zuge einer Refinanzierung belasten Entwickler insbesondere dann, wenn ein Verkauf nicht möglich ist, weil beispielsweise mit zu hohen Exitfaktoren kalkuliert wurde. Die Folge ist, dass Projekte zumeist ohne Gewinn oder gar mit Verlust veräußert oder vorerst in den Bestand überführt werden müssen. Dies ist jedoch nicht für jeden Entwickler möglich. Firesales sind dagegen auch keine Lösung und sind auch nicht im Interesse der finanzierenden Banken.
Die Banken haben sich ohnehin umorientiert: Sie konzentrieren sich marktbedingt nicht mehr auf Neufinanzierungen, sondern aktuell auf Refinanzierungen ihrer eigenen Engagements mittels revolvierender Finanzierungen und Laufzeitverlängerungen bestehender Kredite.

Flexibilität gefragt

Dennoch sind Finanzierungen von neuen Projektentwicklungen nicht ausgeschlossen. Ausschlaggebend ist die Höhe des Eigenkapitals und ein marktgängiges Produkt nach vorherrschenden ESG-Kriterien. Ab 40 Prozent Eigenkapital zeigen Banken wieder Finanzierungsappetit. Ein Beispiel ist die Berliner Büroprojektentwicklung „Equalizer“ der DIE Deutsche Immobilien Entwicklungs AG in der Landgrafenstraße 3-4 in der City West. Hier konnte in einem Joint-Venture-Konstrukt mit einem deutschen institutionellen Investor eine Eigenkapitalquote von insgesamt 40 Prozent vorgewiesen werden. Auf Anfrage haben sieben Großbanken ein Finanzierungsangebot vorgelegt, wovon drei Kreditinstitute in die engere Wahl einbezogen wurden. Unter anderem aufgrund der Option, ohne Vorvermietung bauen zu können, entschied sich die Bauherrin für eine 82 Millionen Euro Finanzierung der Hamburger Sparkasse (Haspa). Neben dem Eigenkapitalanteil war für die Kreditinstitute die ESG-Konformität der Projektentwicklung und der Vertrag mit Züblin, einem der größten Generalunternehmen Deutschlands, ein wichtiger Faktor. Der Verzicht auf eine Vorvermietungsquote für den Baustart ermöglicht dem Projektentwickler wiederrum eine optimalere Zielgruppenansprache im Bauverlauf. Dies ist ein Vorteil, da Corporates mit Bedarf an hochwertigen Büroflächen zögerlich sind, wenn das Baufeld noch brach liegt. Auf rund 13.000 Quadratmetern entstehen mit dem „Equalizer“ attraktive Büroflächen mit hoher Aufenthaltsqualität.

Ein anderes Beispiel, auf geänderte Marktsituationen flexibel zu reagieren, ist die Projektentwicklung Mizar Gate Office in Berlin-Schönefeld, welche noch vor der Corona-Pandemie geplant wurde. Mit Beginn der Pandemie ging das generelle Mietinteresse an Büroentwicklungen signifikant zurück. Für eine erfolgreiche Fertigstellung und Vermietung war eine Neupositionierung des Ensembles bestehend aus ursprünglich drei geplanten eigenständigen Bürogebäuden notwendig.

Der Nutzungsmix der Objekte wurde von einer reinen Büronutzung zu je einem Drittel Büro sowie Hotel (Shortstay) und Serviced Apartment (Longstay) neu konzipiert. Galt die Entscheidung 2021 noch als risikobehaftet, hat sie sich heute als erfolgreich herausgestellt. Der Short- und Long-Stay-Bereich befindet sich nach der Pandemie wieder im Aufschwung und trifft erneut auf steigende Investorennachfrage. Als Betreiber konnte NOVUM Hospitality gewonnen werden und so konnte der Vermietungsstand im gesamten Ensemble auf 96 Prozent gesteigert werden.

Die Neukonzeption hat eine Änderung der bestehenden Finanzierungsstruktur erfordert. Eine Verlängerung der Finanzierung konnte erfolgreich erzielt werden und weiteres Kapital wurde für den Mieterausbau des Hotels und Service-Apartment Gebäudes bereitstellt.

Alte Finanzierungsarten weichen neuen Finanzprodukten

Jede Krise formt ihre Finanzierungsarten. So ist es vor allem um klassische nachrangige Mezzanine-Finanzierungen ruhig geworden. Als Ersatz hierzu bedient man sich aufgrund der aktuellen Marktlage neuer Preferred-Equity-Strukturen. Dabei wird zusätzliches frisches Eigenkapital in das Projekt eingebracht. Mit einem zweiten Kapitalgeber im Projekt kann die Fertigstellung des Objekts sichergestellt werden. Auf dieses Kapital kann zugegriffen werden, sollte die finanzierende Bank keiner Erweiterung einer bestehenden Kreditlinie zustimmen. Dies kommt beispielweise dann zum Tragen, wenn eine Bank bereits das Projekt finanziert und der Entwickler zusätzlichen Kapitalbedarf unter anderem für den Mieterausbau benötigt.

Das Preferred Equity ist jedoch im Gegensatz zum klassischen Mezzanine-Kapital nicht nachrangig, sondern wird im Fall der Veräußerung oder der Verwertung erstrangig bedient. Die hauptfinanzierende Bank lässt diesen Rangunterschied zu, da mit der Bereitstellung der Finanzierung eine größere Sicherheit für die Fertigstellung des gesamten Projektes gegeben ist und im Falle eines Exits die Rückzahlung wahrscheinlicher ist, als wenn das Objekt unfertig verkauft werden muss. Allerdings ist diese Art des Eigenkapitals teuer – die IRR-Erwartungen können je nach Anbieter bei 15 bis 20 Prozent liegen.

Böses Erwachen für KVGen und institutionelle Investoren

Viele Investoren haben sich während der Niedrigzinsphase nur allzu gerne an Projektentwicklungen beteiligt – einige Investoren werden hierbei sicher auf teils unwiederbringlichen Beträgen sitzen bleiben. In den Jahresabschlüssen 2023, die in den nächsten Wochen veröffentlicht werden, werden wir mitunter deutlichen Wertberichtigungsbedarf sehen. Doch auch hier entwickelt sich ein neues Marktsegment. Über sogenannte Direct-Landing-Strategien werden solche Forderungen durch andere Kapitalgeber oder externe Unternehmen aufgekauft. Damit werden die Bücher bereinigt. Man kann dabei auch von einer heilenden Bereinigung sprechen. Der Schritt ist zwar schmerzhaft, hat aber auch einen Vorteil: Quasi nebenbei korrigieren Investoren somit auch ihre einstweilig zu hohe Immobilienquote.

Projektentwickler müssen auf innovative Finanzierungen und auf starke Partner setzen. So kann diese anspruchsvolle Marktphase erfolgreich überbrückt werden, bis ein für den Markt gesunder Kapitalmarktzinssatz im Bereich von 3,0 bis 3,5 Prozent erreicht wird. Dann werden sich Angebot und Nachfrage auf dem Immobilienmarkt wieder einspielen und ein neues Gleichgewicht erreichen.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von DIEAG
Erstveröffentlichung: Immobilien & Finanzierung, März 2024

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