07.05.2024

Schnäppchenjäger

Opportunistische Investoren sehen Chancen

Richard Haimann, freier Immobilienredakteur,
Richard Haimann

Opportunistische Investoren sehen im Preiseinbruch und in der Kreditklemme am deutschen Immobilienmarkt die Chance. Die angesichts der Inflation gestiegenen Renditeanforderungen wecken zudem bei Anlegern Interesse an Infrastrukturfonds.

Cheyne Capital hat zurzeit einen Lauf. Bei den Awards des englischsprachigen Brancheninformationsdienstes Real Estate Capital Europe ist der 10,14 Milliarden Euro schwere Londoner Asset Manager gleich für mehrere Auszeichnungen nominiert worden: bester alternativer Immobilienfinanzierer Europa, bester alternativer Immobilienfinanzierer Frankreich, bester alternativer Immobilienfinanzierer  Südeuropa.                          

Das verschafft Rückenwind für ein neues Megaprojekt: 8,6 Milliarden Euro wollen die Briten für zwei neue Immobilienkreditfonds bei institutionellen Investoren einwerben. Die zurückhaltende Darlehensvergabe der Banken bei Liegenschaftsfinanzierungen böte nun ideale Bedingungen für Real Estate Debt Funds, umwirbt der Asset Manager Pensionskassen, Family Offices und Versicherungen. Investiert werden soll in anstehende Refinanzierungen von kommerziellen Liegenschaften aus den Segmenten Core, Core-Plus und Value in Westeuropa und Großbritannien.

Cheyne Capital ist nicht der einzige Kreditfonds-Anbieter, der jetzt Chancen am Markt wittert. Nach einer Studie der Berliner Immobilienberatungsgesellschaft Wüest Partner sind derzeit 55 Real Estate Debt Funds dabei, bei institutionellen Investoren Milliardenbeträge für Immobilienfinanzierungen in Europa und den USA einzusammeln.         

„In den USA und in Europa steht eine beträchtliche Zahl an Gewerbeimmobilienkrediten demnächst zur Refinanzierung an“, sagt Cyrus Korat, Partner von DRC Savills Investment Management, der Immobilienfinanzierungssparte von Savills Investment Management, die in den vergangenen Jahren 5,6 Milliarden Euro für Kreditfonds eingesammelt und am Markt investiert hat. Banken seien jedoch gegenwärtig zurückhaltend, Anschlussfinanzierungen zu gewähren, da die gestiegenen Zinsen die Immobilienpreise unter Druck bringen. „Infolgedessen wird es eine erhebliche Nachfrage nach Fremdkapital und ein geringeres Angebot geben“, sagt Finanzierungsexperte Korat. „Kreditgeber mit verfügbarem Kapital werden daher in der Lage sein, hohe risikobereinigte Renditen zu erzielen.“    

Neu sei die gegenwärtige Situation nicht. „Bei jedem Einbruch an den Immobilienmärkten seit der globalen Finanzkrise haben sich Banken vorübergehend aus der Finanzierung und Refinanzierung von Gewerbeimmobilien zurückgezogen“, sagt Korat. „Dies hat immer die Anlagechancen für Kreditfonds-Investoren erhöht.“            

„Aktuell haben insbesondere Investments in Finanzierungen ein Problem, bei denen das Immobilienprojekt von der Entwicklungsphase bis zur Fertigstellung nicht durchfinanziert ist“, sagt Hanno Kowalski, Managing Partner beim Berliner Spezialisten für Debt-Investments FAP Invest. „Ähnliches gilt für Finanzierungen, die nicht zumindest innerhalb der Laufzeit des Darlehens auf real geschaffene und im Fall eines Verkaufs erzielbare Ist-Werte abgestellt sind.“    

Der Bedarf an alternativen Finanzierungen dürfte anhalten, solange die hohen Zinsen auf die Immobilienpreise drücken – und klassische Kreditgeber entsprechend zurückhaltend agieren. Das jüngste Quartalsbarometer des Stuttgarter Immobilienfinanzierungsspezialisten BF.direkt ist seit dem Allzeittief im dritten Quartal vergangenen Jahres im ersten Drei-Monats-Zeitraum dieses Jahres zum zweiten Mal in Folge leicht gestiegen. Notierte der Index Ende Oktobers bei minus 20,22 Zählern, lag er Ende März bei minus 16,88 Punkten.  

„Wir beobachten in unserer täglichen Arbeit, dass das Neugeschäft etwas anzieht, vor allem bei Bestandsfinanzierungen, im Bereich zwischen 10 und 50 Millionen Euro und – auf die Nutzungsart bezogen – im Wohnsektor“, sagt Fabio Carrozza, Geschäftsführer der BF.real estate finance, einer Tochtergesellschaft der BF.direkt. „Zwar ist die Krise noch längst nicht vorbei, aber die Finanzierer und auch die Kreditnehmer passen sich den weiterhin schwierigen Marktbedingungen an und kommen damit nun besser zurecht.“    

Negativ beeinflussten den Barometerwert die zusätzlichen Liquiditätskosten. „55,0 Prozent der Befragten berichten von unverändert oder neuerdings ansteigenden Kosten, 6,6 Prozentpunkte mehr als im Vorquartal“, sagt Carrozza. „Hier spiegelt sich wahrscheinlich das gestiegene Marktrisiko, mit dem die Banken aktuell behaftet sind.“    

In Deutschland sind die Buchwerte von Gewerbeimmobilien nach einer Studie des vdp Verbands deutscher Pfandbriefbanken 2023 im Schnitt um 12,1 Prozent gefallen, Wohnimmobilien büßten durchschnittlich 6,1 Prozent ein. Und Banken müssen damit rechnen, dass die Buchwerte der Liegenschaften weiter unter Druck geraten. „Eine Trendwende bei den Immobilienpreisen, über die bereits des Öfteren in der Öffentlichkeit spekuliert wird, ist noch nicht absehbar“, sagt vdp-Hauptgeschäftsführer Jens Tolckmitt. Auch 2024 werde „vorerst schwierig bleiben“.    

Am stärksten sind dabei die Preise von Büroimmobilien eingebrochen. Das zeigt der Victor-Index der Beratungsgesellschaft JLL, der die Preisentwicklung an den fünf größten deutschen Bürostandorten Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg und München widerspiegelt. Danach haben die Marktwerte dort 2022 um 11,2 Prozent nachgegeben und sind im vergangenen Jahr sogar um weitere 19,6 Prozent gefallen. „Der Victor befindet sich aktuell auf dem Stand des Jahresbeginns 2017“, sagt Ralf Kemper, Head of Value and Risk Advisory bei JLL. „Fünf Jahre Wertzuwächse wurden in nur sieben Quartalen korrigiert.  

Spiegelbildlich seien dadurch die aus den Mieterträgen in Relation zu den gegenwärtigen Kaufpreisen erzielbaren Spitzenrenditen wieder auf 4,3 Prozent gestiegen, während sie sich noch 2021 unter der Marke von drei Prozent bewegten. „Es ist durchaus möglich, dass die Renditen 2024 noch weiter steigen werden, wenngleich mit einer Stabilisierung in der zweiten Jahreshälfte gerechnet wird“, sagt Kemper.    

Das weckt nun das Interesse opportunistischer US-Investmentgesellschaften. Sie haben milliardenschwere Fonds aufgelegt, um an den Immobilienmärkten Europas – und dabei auch in Deutschland – jetzt auf Schnäppchenjagd zu gehen. Allein die Blackstone Group, mit einem verwalteten Vermögen von mehr als 1.000 Milliarden US-Dollar ein Behemoth unter den Giganten der Wall Street, hat Kapitalzusagen über 13,2 Milliarden US-Dollar, rund 12,2 Milliarden Euro, für seinen jüngsten opportunistischen Fonds Blackstone Real Estate Partners Europe VII eingeworben.     

Mit dabei ist ebenfalls der im texanischen Dallas ansässige Investor Lone Star Funds mit seinem sechs Milliarden US-Dollar schweren Real Estate Fund VII. Auch „Morgan Stanley und TPG Capital aus London sind zurzeit in allen Nutzungsarten mit opportunistischem Ansatz unterwegs“, sagt Holger Matheis, CEO von Swiss Life Asset Managers Deutschland.  

„Wir beobachten aktuell Private-Equity-Investoren auf der Suche nach antizyklischen Value-add-Opportunitäten in Deutschland“, sagt Felix Meyen, Geschäftsführer der HIH Invest. Dem Hamburger Unternehmen mit einem verwalteten Vermögen von 22,3 Milliarden Euro komme dies gelegen, sagt Meyen. „Als einer der größten Immobilien-Investmentmanager Deutschlands mit entsprechendem Marktzugang können wir Investoren diese Objekte anbieten.“    

Konservativ agierende deutsche institutionelle Anleger wie Family Offices, Pensionskassen, Versicherungen und Versorgungswerke haben bislang in der gegenwärtigen Abschwungphase Investments in Immobilien gescheut. Lediglich 21,5 Milliarden Euro haben Investoren aus dem In- und Ausland im vergangenen Jahr in deutsche Gewerbeobjekte angelegt. Das sei nicht nur ein Minus von 60 Prozent gegenüber 2022, sagt Marcus Lemli, CEO Germany und Head of Investment Europe bei der Immobilienberatungsgesellschaft Savills. „Es war auch das niedrigste Investmentvolumen seit 2010.“ In jenem Jahr hatte die Finanzkrise massiv auf den Immobilienmärkten gelastet. „Die gute Nachricht für die meisten Marktakteure ist: Der größte Teil des Abschwungs – sowohl im Hinblick auf die Preise als auch auf die Transaktionsaktivität – liegt höchstwahrscheinlich hinter uns“, sagt Lemli. Sowohl die Europäische Zentralbank, als auch die Fed in den USA haben angesichts sinkender Inflationsraten deutlich gemacht, dass sie im Lauf dieses Jahres die Leitzinsen senken werden. Damit dürften sich nun „potenziellen Käufern angesichts nochmals gesunkener Preise und der in vielen Segmenten investorenfreundlichen fundamentalen Rahmenbedingungen mehr und mehr Chancen bieten“, sagt Lemli.            

Zugleich sollten institutionelle Anleger nicht darauf setzen, dass die Zinsen für Immobilienfinanzierungen erneut so tief sinken werden, wie in den vergangenen Jahren, sagt Jose Pellicer, Head of Investment Strategy bei M&G International Investments. „Immobilieninvestoren können sich nicht mehr auf die Renditekompression und billige Kredite verlassen, um ihre Rendite zu steigern – es muss ein grundlegender Wandel in der Denkweise stattfinden.“    

Ohnehin spielten trotz der gestiegenen Zinsen Immobilien in der Anlagestrategie institutioneller Investoren weiterhin „eine tragende Rolle neben Aktien und Anleihen“, sagt Alexander Eggert, Geschäftsführer von HIH Invest. Zwar sei der Renditeabstand zwischen Immobilien und Staatsanleihen geschrumpft, so dass Liegenschaften ihre Rolle als Anleihe-Substitut teils eingebüßt haben. „Doch in der langfristigen Betrachtung ist der Renditeaufschlag für Immobilieninvestments immer noch überdurchschnittlich attraktiv“, sagt Eggert.

Entscheidend für den Anlageerfolg sei, über Fonds die Immobilieninvestments breit über Nutzungsarten und Akquisitionszeitpunkte zu streuen, sagt der Geschäftsführer. „Mit Dachfonds und Bündelungslösungen lassen sich Portfolios wetterfest machen und der Verwaltungsaufwand für die Immobilienanlagen verringern.“ Entscheidend sei darüber hinaus ein aktives Asset Management. „Das Fondsmanagement muss die Leerstandsquoten geringhalten und sich proaktiv um bestehende und potenzielle Mieter bemühen“, sagt Eggert. „Das sichert beständige Kapitalzuflüsse aus Mieterträgen.“    

Als Anlagealternativen kämen für institutionelle Investoren auch immobiliennahe Assetklassen wie Erneuerbare Energien und Infrastruktur in Frage. „Sie sind relativ krisensicher, unterliegen kaum Marktschwankungen und zeichnen sich durch einen stabilen und planbaren Cashflow aus“, sagt Eggert.    

Dies bestätigt der vom Infra & Private Assets Research Institute der EDHEC Business School im französischen Lille erstellte EDHEC Infra300 Unlisted Infrastructure Equity Index. Das Barometer der in Europa aufgelegten, nicht börsennotierten Infrastrukturfonds weist für die ersten elf Monate des vergangenen Jahres eine durchschnittliche Performance von 10,45 Prozent aus. 2022 hatten diese Investmentvehikel im Schnitt eine Rendite von 8,1 Prozent für ihre Investoren erzielt.      

Damit erfüllen Infrastrukturfonds die gestiegenen Renditeanforderungen von Anlegern. Nach der jüngsten Global Investor Survey von Schroders Investment Management rechnen Anleger in Deutschland in diesem Jahr mit Renditen von sieben Prozent und hoffen sogar auf einen Ertrag von acht Prozent. Investments in Infrastrukturfonds könnten deshalb dazu beitragen, Portfolios zu stabilisieren und die Rendite zu steigern. „Derzeit ist es schwierig, die Märkte richtig einzuschätzen“, sagt Nils Rode, CIO bei Schroders. „Investoren suchen nach jedem verfügbaren Instrument, um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen.“    

Das bestätigt die zuletzt deutlich gestiegene Nachfrage nach der Assetklasse. Die Pariser Investmentgesellschaft Infranity konnte im Februar zwei von ihr aufgelegte Infrastruktur-Debtfonds mit Kapitalzusagen von zusammen zwei Milliarden Euro schließen. Das ursprüngliche Zielvolumen für jedes der beiden Investmentvehikel betrug nur 500 Millionen Euro. Die 25 Milliarden Euro schwere italienische Ärztepensionskasse Enpam hat jüngst entschieden, dieses Jahr 300 Millionen Euro in Infrastrukturfonds anzulegen.   

Edmond de Rothschild Asset Management hat sich gerade mit der Deutsche Apotheker- und Ärztebank zusammengetan, um deren institutionellen Kunden einen Zugang zu den Infrastruktur-Anlagestrategien des Genfer Investmenthauses anzubieten. Der neue apoEuropean Infrastructure investiert einerseits in die Bereiche Wassermanagement, Energieeffizienz, Abfallverwertung, Recycling und Energiegewinnung aus Abfall. Andererseits in Sektoren, die die Energiewende unterstützen, darunter Batteriespeicher, Wasserstoff, Strom aus Wasserkraft sowie die Dekarbonisierung von Versorgungsunternehmen. Werde das Kapital der Investoren in beide Bereiche zu gleichen Teilen angelegt, „bietet der Fonds einen Netto-IRR von acht Prozent“, sagt Regine Wiedmann, Head of Distribution Germany & Austria bei Edmond de Rothschild Asset Management.    

Getrieben werden Infrastrukturinvestments auch vom steigenden Bedarf an Datenzentren. Diese bilden das Rückgrat der Digitalisierung mit dem stetig wachsenden Cloud-Computing und dem Einsatz künstlicher Intelligenz (KI).

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Richard Haimann
Erstveröffentlichung: The Property Post, Mai 2024

Konversation wird geladen