07.10.2022

Zeitwohnen und Fachkräftemangel

Wie temporär möbliertes Wohnen eine wichtige Säule der Fachkräfteanwerbung sein kann.

Jan Hase, CEO und Co-Founder, Wunderflats GmbH
Jan Hase

Jedes Jahr benötigt Deutschland 400.000 neue Fachkräfte. Ob das viel oder wenig klingt, mag jeder selbst einschätzen. Doch hinter der Zahl steckt eine ganz andere Dimension: Denn durch Ausscheiden aus dem Erwerbsleben, weniger Nachwuchs und Abwanderungen kann Deutschland diese Lücke nicht selbst füllen. Wir benötigen daher eine Brutto-Zuwanderung von 1,5 Mio. Menschen pro Jahr. Der Wanderungssaldo lag laut Statistischem Bundesamt im letzten Jahr allerdings gerade einmal bei 329 000 Personen. Das ist die eigentliche Dimension, über die wir sprechen. Dazu müssen einerseits die Einwanderungsregeln besser passen, und andererseits unser Arbeits-, Sozial und Wohnungsmarkt flexibler werden. Für insbesondere Letzteres kann Zeitwohnen einen wichtigen Beitrag leisten.

Die demografische Welle kommt erst noch
Der Begriff Fachkräftemangel ist so häufig verwendet worden, dass er mittlerweile im allgemeinen Sprachgebrauch so verwendet wird, als sei das ein störendes, aber irgendwie normal gewordenes Problem. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat die Fachkräftelücke auf einzelne Berufe heruntergebrochen. Danach zeigt sich, was Fachkräftemangel eigentlich in der Praxis konkret bedeutet, nämlich wenn 18.279 Pflegestellen unbesetzt sind, wenn 20.466 Kinderbetreuer ihre Arbeit nicht antreten oder wenn 16.839 Gesundheitspfleger im ambulanten und stationären Bereich schlicht nicht da sind. Wie geht es einem Land, in dem derzeit rund 80.000 Lehrer beschäftigt sind, aber zu Beginn des neuen Schuljahres 2022/23 nach Einschätzungen des Deutschen Lehrerverbandes 40.000 Lehrer fehlen?

Die Generation der Baby Boomer geht derzeit in Rente. Sie hinterlassen viel zu wenig Kinder, die nachrücken, um einerseits essentielle Aufgaben der Gesellschaft auszuüben und andererseits die Sozialsysteme zu stützen. Die bittere Realität ist, dass dies erst der Beginn einer lang angekündigten Entwicklung ist.

Die Politik ist zum Handeln aufgefordert
Umso wichtiger ist es, dass nun die Einwanderungspolitik neu gedacht wird. Die Ampel-Parteien wollen ein neues Gesetz schaffen, welches qualifizierte Fachkräfte bei der Einwanderung privilegiert. Aus Kanada ist ein solches Modell bereits bekannt. Ein Punktesystem sorgt dafür, vor allem Menschen die Einwanderung zu erleichtern, die in zentralen Bereichen aufgrund ihrer Kompetenz und Ausbildung benötigt werden. Dies ist ein erster Schritt, das starre, nicht mehr zeitgemäße System aufzubrechen. Weitere Schritte müssen folgen, nämlich bei der Integration und Daseinsvorsorge, zu der Zeitwohnen einen Beitrag leisten kann.

Bei der Einwanderung müssen wir uns von dem Gedanken verabschieden, dass Menschen wie in den 1970er und Folgejahren nach Deutschland kommen, um hier für immer zu bleiben. Die Welt ist globaler, flexibler und multikultureller geworden. Grenzen verschwimmen. Dieser Flexibilität müssen wir mehr Beachtung schenken. Menschen kommen zum Arbeiten häufiger nur noch zeitlich begrenzt. Das ist Bereicherung und Herausforderung zugleich.

Zeitwohnen ist eine tragende Säule der Fachkräfteanwerbung
Die Herausforderung besteht darin, Menschen einfach und bürokratiearm, barrierefrei und unkompliziert ein Zuhause zu geben, auch wenn sie nur temporär hier arbeiten. Das Zeitwohnen ist ein Segment, in dem die Demokratisierung des Wohnraums dazu führt, dass temporär freistehender Wohnraum effizient an diese Zielgruppen vermittelt wird. Bei Wunderflats kommen ausländische Mieter hauptsächlich aus Frankreich, Spanien und Großbritannien.

Das sind auch zentrale Ergebnisse der „Zeitwohnen PulseCheck 2021“-Umfrage, die von Wunderflats als marktführendes Unternehmen des Segments in Auftrag gegeben worden ist. Befragt wurden Anfang des Jahres mehr als 40 Unternehmen, die im Segment temporär möbliertes Wohnen und Wohnen auf Zeit in Deutschland tätig sind. Zeitwohnen bietet zum traditionellen Wohnungsmarkt ein additives Angebot an, das den Angaben der befragten Unternehmen zufolge zunehmend stärker von Fachkräften aus dem Ausland in Anspruch genommen wird. Bei einem Großteil der Zeitwohnen-Anbieter stellen die ausländischen Fachkräfte mit über 50 Prozent inzwischen den mit Abstand größten Kundenkreis dar. Bei 20 Prozent der befragten Unternehmen werden sogar drei von vier Zeitwohnungen von ausländischen Fachkräften gebucht. Es wird erwartet, dass sich dieser Trend fortsetzt und Zeitwohnen einen wesentlichen Beitrag zu der internationalen beruflichen Mobilität – und damit auch zur Bewältigung des Fachkräftemangels in Deutschland – leisten kann und wird.

Was sind das für Menschen? In der Regel sind das sehr gut ausgebildete Fachkräfte, die unser Land und unseren Arbeitsmarkt bereichern. Die häufigsten vertretenen Berufe sind dabei IT-Entwickler, Dolmetscher, Ingenieure sowie Erzieher und Pfleger. Dabei beträgt in 46 Prozent der Fälle die Anmietungsdauer zwischen 3 und 6 Monaten, in mehr als einem Drittel sogar mehr als 6 Monate. Das zeigt, dass es sich hierbei nicht um touristische Vermietung handelt, sondern um Fachkräfte, Projektarbeitende und hochspezialisierte Expertinnen und Experten, die in Deutschland dringend gebraucht werden.

Sie alle sind Beispiele für Menschen, die aufgrund des flexiblen Zeitwohnenmarktes schnell Tritt gefasst haben in Deutschland. Sie sind es auch, die unseren Fachkräftemangel beheben. Anders formuliert: Wären diese Menschen nicht bereit, in Deutschland zu wohnen und zu arbeiten, wäre unsere Fachkräftelücke noch viel größer.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Wunderflats GmbH
Erstveröffentlichung: TPP, Oktober 2022

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