01.06.2022

Von der Pandemie beflügelt

Martin Kelm weiß, wie digitales Arbeitsplatzmanagement funktioniert

Reiner Reichel, Redakteur, The Property Post

Workplace Analytics & Workplace Experience (Cobundu) ist ein System, mit dem man Büroräume und einzelne Arbeitsplätze reservieren sowie buchen kann. Was soll daran spannender sein als an der Online-Reservierung eines Platzes im Theater, fragte sich „The Property Post“-Redakteur Reiner Reichel, als er die Anregung zum Interview mit Martin Kelm, Head of Smart Building Solutions bei CREM SOLUTIONS, aufgriff. Kelm gab die Antwort, indem er das System live und in Farbe auf der Wand eines Besprechungsraums in Ratingen vorführte. Gelockerte Corona-Regeln machten es möglich. Es war – von einem Interview unter freiem Himmel abgesehen – das erste Interview, das Reichel seit Beginn seiner Interviewserie vor zwei Jahren nicht am Telefon führte.

The Property Post: In der digitalen Welt buchen wir Übernachtungen, Plätze im Theater, Konzert und Restaurant über Computer oder eine App. Was ist also revolutionär an einem digitalen Buchungs-System für einen Arbeitsplatz?
Martin Kelm:
Dass das Workplace System „Cobundu“ mehr kann als nur einen Arbeitsplatz buchen. Wie viel mehr, hängt von der Ausbaustufe ab. In einer einfachen Variante werden über eine Plattform, auf die auch von außen über eine App zugegriffen werden kann, freie Arbeitsplätze und Besprechungsräume für eine bestimmte Zeit gebucht, nicht anders wie etwa Hotelzimmer. Doch das System lässt sich auf Wunsch so ausgestalten, dass Sensoren unter den Tischen anzeigen, ob Räume tatsächlich genutzt werden. Diese Sensoren reagieren auf Bewegungen unter dem Tisch, registrieren aber am Tisch vorbeilaufende Personen nicht. Es lässt sich eine Zeit voreinstellen, nach der nicht genutzte Räume wieder freigegeben werden. Über weitere Sensoren lassen sich Beleuchtung, Klimatisierung und Belüftung steuern. Die Covid-19-Pandemie hat die Sensibilität bezüglich der Luftqualität gesteigert. Weitere Sensoren können den CO2-Gehalt und die mögliche Virenlast der Raumluft erfassen. Der Nutzer kann anhand der Parameter entscheiden, ob er den Raum nutzt. Anhand von Dashboards und jederzeit verfügbaren Grafiken kann er sogar abschätzen, wann sich die Situation voraussichtlich verbessert, etwa der CO2-Gehalt niedriger ist.  

TPP: Über Bewegungsmelder können Unternehmen dann auch ganz bequem feststellen, ob und wie lange gearbeitet wird. Als Mitarbeiter würde ich mich gegen solche Überwachungsinstrumente wehren.
MK:
Die Daten der Buchung sind bei Bedarf absolut anonym. Die Unternehmen möchten nicht wissen, wer wann wo war. Das Unternehmen zieht den Mehrwert daraus, nicht genutzte Flächen effizienter zu machen und erdachte Arbeitskonzepte zu validieren.

TPP: Workplace Analytics & Workplace Experience (Cobundu) überwacht die Mitarbeiter nicht, aber wer verhindert, dass Unternehmen Ihr System zur Überwachung einsetzen?
MK:
Unsere Software entspricht den Datenschutzrichtlinien. Die Buchungs- und Personenstammdaten sind im System getrennt. Wir liefern ein Buchungs-, kein Überwachungssystem.

TPP: Mit wachsendem Erfolg?
MK:
Ja, die Pandemie hat unser Geschäft beflügelt. Jetzt, nach Auslaufen der Verpflichtung, Home Office anzubieten, haben viele Unternehmen das Problem, ihre Mitarbeiter an die Schreibtische zurückzuholen. Zum einen wollen viele Mitarbeitende zwei bis zu drei Tagen in der Woche zu Hause arbeiten. Zum anderen haben Unternehmen während der Pandemie festgestellt, dass der Laden auch läuft, wenn die Mitarbeiter zu Hause arbeiten und sie selbst weniger Bürokosten haben. Und sie erleben bei geplanten Neueinstellungen das gleiche wie wir. Nahezu jeder Bewerber fragt, wie unsere Home-Office-Reglung aussieht. Würden wir keine Heimarbeit ermöglichen, müssten wir wegen unserer wachsenden Belegschaft neue, größere Räume suchen.

TPP: Wie viele Unternehmen kommen in Deutschland als Nutzer von Cobundu in Frage?
MK:
Das Feld ist groß, lässt sich aber nicht genau ermitteln. Es ist zwar bekannt, dass es in Deutschland etwa 8000 Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern gibt. Weil darunter auch Produktionsbetriebe sind, lässt sich nicht sagen, wie viele Schreibtische sich dahinter verbergen.

TPP: Wären nicht auch Behörden potenzielle Kunden?
MK:
Gewiss, wir sind gerade mit Regierungsbehörden in Beratung.

TPP: Das klingt ein wenig so, als ob der Erfolg noch größer sein könnte, wenn die Skepsis gegenüber digitaler Technik nicht so große wäre. Was spricht für Workplace Analytics & Workplace Experience?
MK:
Wirtschaftliche Vorteile. Wenn nicht alle Mitarbeiter gleichzeitig im Büro arbeiten, braucht ein Unternehmen weniger Schreibtische. Grob über den Daumen gerechnet benötigt jeder Schreibtischarbeitsplatz zwölf bis 15 Quadratmeter Fläche. Rechnen wir mit Quadratmetermieten von 16 bis 18 Euro – Spitzenmieten in erstklassigen Lagen der Bürometropolen sind viel höher –, dann kommen wir bereits auf eine Ersparnis von 192 bis 270 Euro im Monat je Arbeitsplatz. Mit dem geringeren Flächenbedarf sinken auch sämtliche Mietnebenkosten, darunter Energie und Wasserbedarf. Zusätzlich entfallen je Platz vierstellige Anschaffungskosten für die Arbeitsplatzausstattung. Workplace Analytics & Workplace Experience mit Cobundu amortisiert sich schon im ersten Jahr.

TPP: Kommen wir noch einmal zur Technik, die möglicherweise Skepsis auslöst. Wie verbinden sich die vielen Sensoren mit dem Rechner, der dem Nutzer über einen Computerbildschirm oder sein Smartphone Auskunft über die Situation im Gebäude gibt?
MK:
Über Funk. Wir nutzen die sogenannte LoRaWan-Technik. LoRaWan steht für Long Range Wide Area Network. Diese Funktechnik arbeitet mit niedrigen Frequenzen, kann wenige Daten stabil über weite Entfernungen transportieren, braucht anders als WLAN keine große Anzahl an Repeatern, wenn Daten über mehrere Stockwerke übertragen werden sollen. Ein Gerät, einer Fritz Box vergleichbar, verarbeitet die Funkdaten so, dass sie auf Bildschirmen, Tablets oder Smartphones sichtbar werden.

TPP: Dennoch klingt dies nach großem Aufwand. Schließlich müssen die vielen verschiedenen Sensoren mit Strom versorgt werden.
MK:
Im Gegenteil, der Aufwand ist gering. Es wird nicht in die Gebäudebetriebstechnik und auch nicht in bestehende WLAN-Netze eingegriffen. Die Sensoren werden durch Batterien mit Strom versorgt, wie sie überall verkauft werden. Zudem halten die Batterien viele Jahre. Das macht die Technik auch in Bestandsgebäuden leicht nachrüstbar. Weil es sich um eine sogenannte offene Technik handelt, sind jederzeit zusätzliche Sensorarten oder weitere Funktionen nachrüstbar.

TPP: Was wird aus dem Büroimmobilienmarkt, wenn sich Home Office und Arbeitsplatzbuchungssysteme stärker verbreiten?
MK:
Ich gehe davon aus, dass das in den vergangenen Jahren starke Flächen-, Miet- und Preiswachstum nachlassen wird.

TPP: Herr Kelm, vielen Dank für das Interview.

 

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Crem Solutions GmbH & Co. KG.
Erstveröffentlichung: The Property Post, Juni 2022

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  Martin Kelm (46) steht „Head
  of Smart Building Solutions,
  CREM SOLUTIONS.
  Einfacher und auf Deutsch gesagt: Martin Kelm ist vor allem der Mann, der Absatz und Entwicklung des Raumbuchungssystems Workplace Analytics & Workplace Experience (Cobundu) vorantreibt. Er studierte an der Bergischen Universität in Wuppertal Informationstechnologie und entwickelte ab 2008 zunächst für das Start-up Immosolve Softwarelösungen für das Vermietungsmanagement von Wohnungsgesellschaften. Vor zwei Jahren kam er zu CREM SOLUTIONS, einem Tochterunternehmen des börsennotierten Softwarehauses Nemetschek Group.
Sich selbst bezeichnet er, soweit es Haustechnik, auch die im eigenen Heim, angeht, als ein „wenig technikverrückt“. Ehefrau Agnes Kelm, Master of Science der Elektrotechnik und Leiterin des BIM-Labors an der Bergischen Universität Wuppertal, teilt seine Leidenschaft.
Die Technik dominiert zwar das Berufsleben, doch im Privatleben spielt die Familie die Hauptrolle. Gegenwärtig stehen E-Bike-Touren durch das Bergische Land mit dem gemeinsamen Sohn ganz hoch im Kurs.

 

Reiner Reichel, Jahrgang 1956, war viele Jahre Immobilienredaktuer des Handelsblatts. Journalismus betreibt er, wie er Fußball spielt: hart aber fair.

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