07.11.2023

Der Zeithorizont ist entscheidend

Thomas Wirtz, Geschäftsführer, INDUSTRIA WOHNEN GmbH
Thomas Wirtz

Wohnimmobilieninvestments lohnen sich weiterhin – auch wenn die Preise momentan leicht sinken. Gründe für ein Investment sind vor allem der Inflationsschutz und die hohe Nachfrage nach Wohnraum, mit der das Angebot auf absehbare Zeit nicht mithalten kann.

Zeitenwende am Immobilienmarkt: Nach mehr als einem Jahrzehnt kontinuierlich steigender Werte sind die Wohnimmobilienpreise in Deutschland im ersten Quartal 2023 erstmals wieder zurückgegangen. Sie sanken laut dem Häuserpreisindex des Statistischen Bundesamts um durchschnittlich 6,8 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal. Der Hauptgrund für diese Entwicklung ist bekannt: Das Kaufinteresse an Immobilien ist durch gestiegene Zinsen und Inflation deutlich zurückgegangen. Sollten professionelle und private Investoren in dieser Situation in deutsche Wohnimmobilien investieren?

Zunächst muss berücksichtigt werden, dass es sich bei den 6,8 Prozent um einen Durchschnittswert handelt. Die tatsächliche Preisentwicklung ist deutlich differenzierter. Von Wertverlusten betroffen sind insbesondere Immobilien in ländlichen Regionen mit schwacher Bevölkerungsprognose und Objekte mit schlechter Energieeffizienz. Vor allem der energetische Zustand einer Immobilie hat im Zuge der Diskussion um das Gebäudeenergiegesetz („Heizungsgesetz“) stark an Bedeutung gewonnen.

Studie belegt: Deutsche Wohnimmobilien schützen vor Inflation

Das vielleicht größte Argument für eine Investition in den Wohnungsmarkt ist der Inflationsschutz. Dieser ist bei deutschen Wohnimmobilien – bei einem langfristigen Investitionshorizont – gegeben. Dies belegt eine aktuelle Studie von DB Research mit dem Titel „Deutscher Wohnungsmarkt: Inflationsschutz ist die Regel“.

Beim Thema Inflationsschutz spielt der Anlagehorizont eine entscheidende Rolle. Unserer Meinung nach sollten Engagements am Wohnungsmarkt grundsätzlich langfristiger Natur sein – das bedeutet mehr als zehn und im Idealfall auch mehr als 20 Jahre. Aufgrund des Inflationsschutzes eignen sich Wohnimmobilien auch für die Altersvorsorge, die ja per definitionem langfristig angelegt ist und in der Regel über mehrere Jahrzehnte geplant wird. 

Mieten werden in den kommenden Jahren ansteigen

Der Inflationsschutzeffekt von Wohnimmobilien wird in den kommenden Jahren noch durch den hohen Druck auf die Mieten verstärkt. Bereits jetzt ist absehbar, dass die Zinswende und die stark gestiegenen Baukosten zu einem Einbruch des Wohnungsneubaus geführt haben. 

Die Zahl der Baugenehmigungen sank zwischen dem ersten Quartal 2022 und dem ersten Quartal 2023 um 25,7 Prozent auf 68.700 Genehmigungen für Wohnungen. 2023 dürften nach Branchenschätzungen bestenfalls 250.000 Wohnungen fertiggestellt werden. Das liegt weit unter dem Ziel von 400.000 Wohnungen pro Jahr, das sich die Politik gesteckt hat. Eine Studie des Pestel-Instituts und des Bauforschungsinstituts ARGE beziffert den Wohnungsmangel aktuell auf 700.000 Wohnungen. Hinzu kommt noch ein weiterer Effekt: Viele kaufwillige Selbstnutzer und Häuslebauer müssen nun von ihren Plänen Abstand nehmen und verbleiben auf dem Mietmarkt, so dass das schon knappe Wohnraumangebot auf zusätzliche Nachfrage trifft.

Weitere Makro-Trends, die ebenfalls auf den Mietmarkt wirken, sorgen für eine zusätzliche Angebotsverknappung. An erster Stelle ist das Bevölkerungswachstum zu nennen – auch durch die starke Zuwanderung nach Deutschland. Während lange von einer Schrumpfung der Bevölkerung ausgegangen wurde, haben die vergangenen Jahre gezeigt, dass die Zuwanderung eine viel größere Rolle spielt: Allein im Jahr 2022 betrug der Bruttozuzug nach Deutschland – auch bedingt durch den Krieg in der Ukraine – rund 2,7 Mio. Menschen, die Nettozuwanderung lag bei 1,5 Mio. Menschen. Diese Entwicklung wird sich fortsetzen. Deutsche Bank Research erwartet eine jährliche Zuwanderung von mehr als 300.000 Personen und ein Ansteigen der Bevölkerungszahl bis 2030 auf 86 Mio. Personen.

Weitere Langfrist-Trends sind die zunehmende Singularisierung der Gesellschaft mit einem wachsenden Anteil von Einpersonenhaushalten und der immer noch wachsende Flächenverbrauch pro Kopf. Die Wohnfläche pro Kopf stieg zwischen 2011 und 2021 um rund vier Prozent an und erreichte 47,7 Quadratmeter pro Person. Daraus folgt: Der Druck auf die Mietmärkte – vor allem in den Metropolen – wird in den nächsten Jahren weiter ansteigen.

In sozialer Hinsicht ist diese Entwicklung natürlich bedenklich und die Politik ist dringend dazu aufgerufen, Lösungen zu entwickeln, damit das Wohnen für breite Schichten der Bevölkerung erschwinglich bleibt. Vom Wohnraummangel betroffen sind nicht nur finanzschwache Haushalte. Das Problem betrifft mittlerweile auch die Mittelschicht – wie beispielsweise Polizeibedienstete, Pflegkräfte, Erzieher oder Rentner. Gefördertes Wohnen kann hier eine wichtige Rolle spielen. Es gibt auch schon Ansätze, das geförderte Wohnen auszuweiten, wie beispielsweise in Berlin, wo eine neue so genannte dritte Förderstufe eingeführt wurde, die auch auf die mittleren Einkommensgruppen abzielt. Aktuell ist die Förderlandschaft, auch aufgrund der länderspezifischen Regelungen, in Teilen nicht nur sehr intransparent sondern vor allem auch inhomogen. Helfen würde hier eine Vereinheitlichung.   

Anleger schauen jedoch naturgemäß aus einer anderen Perspektive auf die Märkte. Für sie ist der erwartete Mietanstieg ein wichtiger Indikator für die Nachhaltigkeit der Erträge aus der Immobilie. 

Größtes Risiko ist die Politik

Welche Risiken gibt es bei Investitionen in Wohnimmobilien? Ein Risiko – aber das ist nicht wohnimmobilienspezifisch – ist die weitere Entwicklung von Zinsen und Inflation. Sollte die Inflation hartnäckiger und länger erhöht bleiben als erwartet, dürften die Zinsen hoch bleiben oder weiter steigen. Steigende Zinsen sind für Immobilieninvestitionen immer schwierig.

Das vielleicht größte Risiko resultiert aus der Politik. Da Wohnen und dessen Bezahlbarkeit zunehmend zum Wahlkampfthema werden, sind weitere Maßnahmen zur Begrenzung des Mietanstiegs möglich. Die Mietpreisbremse und der Berliner Mietendeckel sind Beispiele, dass die Politik sich nicht scheut, Markteingriffe zu realisieren. Auch die aktuelle Debatte um die Regulierung von Indexmieten zeigt, welche Schritte die Politik erwägt. Ob derartige ordnungspolitische Maßnahmen zu Investitionsanreizen führen, um der Wohnungsknappheit zu begegnen, darf bezweifelt werden.

Fazit: Auf lange Sicht sind Wohnimmobilien attraktiv – vor allem wegen des Inflationsschutzes, des perspektivisch anhaltenden Wohnraummangels und der hohen Stabilität des deutschen Wohnimmobilienmarktes in Krisenzeiten. Letzteres hat sich beispielhaft in der Finanz- und in der Coronakrise gezeigt. Risiken resultieren vor allem aus der Politik, deren eigentliche Aufgabe es jetzt wäre, Anreize für Investitionen zu setzen, um durch Investitionserleichterungen Chancen zu schaffen, um das Angebot zu vergrößern. Angesichts der Zinsentwicklung empfehlen wir, nicht mit hohen Fremdkapitalquoten zu operieren.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von INDUSTRIA Wohnen GmbH
Erstveröffentlichung: Börsen Zeitung, September 2023

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