10.05.2021

Machen statt Zweifeln

Sicherheitsdenken = Gift für Digitalisierung

Marko Broschinski, Geschäftsführer, easol GmbH
Marko Broschinski

Wir wollen die alte Leier eines nötigen mentalen Wandels in der Immobilienbranche nicht erneut spielen. Begriffe wie „digitales Mindset“ sind allseits bekannt und zum Teil schon überstrapaziert. Denn Immobilienunternehmen können noch so aufgeschlossen sein gegenüber digitalen Lösungen – ihr Hauptproblem liegt woanders: In der Erwartung, dass die Lösungen allesamt und sofort funktionieren müssen. Doch PropTech-Lösungen im aktuellen Markt können gar nicht perfekt sein. Geduld ist also gefragt – und Risikobereitschaft.

Der erste Blick auf die digitale Entwicklung der deutschen Immobilienwirtschaft sieht verheißungsvoll aus: Die Budgets steigen, die Zahl der Software-Implementierungen wächst, die Beteiligungen an PropTechs nehmen zu. Zwar könnte die Branche noch schneller agieren, doch ihre im Branchenvergleich immer wieder gescholtene Trägheit liegt genau genommen in ihrer Natur. Nur wenige andere Wirtschaftszweige hierzulande sind so stark gesetzlich reguliert, fokussieren sich so sehr auf langfristige Investments und haben eine solche soziale Tragweite mit unterschiedlichen Beteiligten wie die Immobilienwirtschaft. Dies bedenkend, kann der Digitalisierungsgrad der Branche sogar als relativ hoch bezeichnet werden.

Das Digitalisierungsproblem ist tatsächlich anders gelagert. Es tritt erst bei einem Detailblick auf die PropTechs zutage. Hierfür zwei Beispiele: Ein Londoner PropTech reüssiert mit seinem Akquisitions-Management-Tool am britischen Markt. Mit dem Gründungsjahr übertrifft es die meisten deutschen PropTechs an Markterfahrung erheblich. Die Funktionen überzeugen und füllen mit intelligenten Prozessen sowie integrierten Marktdaten eine in Deutschland noch vorhandene Marktlücke. Doch in hiesigen Gefilden werden Bedenken laut: Die Lösung erfülle nicht die in Deutschland herrschenden, historisch gewachsenen Anforderungen. Die immense Zeitersparnis im Vergleich zu den bisherigen Abläufen, die das Tool als Nutzen stiftet, gerät in den Hintergrund der Betrachtung. Ein zweites PropTech setzt Künstliche Intelligenz (KI) als Teil seiner Lösung ein. KI bedeutet Lernen aus Beispielen. Die Einsatzfähigkeit der Lösung wird kritisch hinterfragt, da ein Validitätsgrad der automatisiert gewonnenen Informationen von 50% unzureichend sei. Auch hier unterbleibt die Betrachtung der Synergieeffekte und deren Nutzung für das Unternehmen.

Vorbehalte können in Deutschland erst dann abgebaut werden, wenn ein großer Wettbewerber erfolgreichen Vollzug in der Implementierung gemeldet hat. Doch eine Software-Implementierung erfolgt in der Regel kundenindividuell und ist daher ein zeitintensiver Prozess. Mit Datenstandards wäre der Prozess weitaus rascher. Doch die Streitfrage, wer die „Macht“ zur Definition der Standards habe, bremst die Digitalisierung der Immobilienbranche weiterhin in gewaltigem Maße. Das Warten auf die „First Mover“ gehört also zum Alltagsgeschäft zahlreicher deutscher Immobilienunternehmen. Gott sei Dank gibt es sie: jene risikobereiten, visionären Unternehmen, die ihre Unternehmensstrategie auch einmal in Zehn-Jahres-Zeiträumen bedenken und Software allen voran als Investition in die Zukunft betrachten. Sie sind häufig große Tanker und konterkarieren damit erfolgreich ihr metaphorisches Zerrbild aus der maritimen Sprache. Doch für den großen, mittelständischen Rest unserer Branche bleibt ein großes Schade angesichts der verlorenen wertvollen Zeit in der digitalen Transformation.

Lösungen für das Dilemma klingen allzu liberal, zeigen aber ihre Wahrheit. Sie lauten: Sharing Economy und sinnvolle Regulierung. Wenn Marktteilnehmer gemeinsame Aktivitäten entwickeln, Ihre Kräfte und Ihr Wissen bündeln, können im Hinblick auf die Digitalisierung erhebliche Synergieeffekte erzielt werden. Durch Standardisierungen ohne Verzicht auf notwendige Individualisierungen können (Projekt-)Kosten eingespart werden. In diesem Kontext können sich PropTechs hervorragend einbringen und mit ihren innovativen Lösungen für spezielle Problemstellungen wichtige Partner bei der Schaffung digitaler Ökosysteme werden.

Der Gesetzgeber sollte sinnvoll regulieren. Wesentlich bedeutet dies die Schaffung einer mit Blick auf die Umsetzung durch die Marktteilnehmer planbaren und verlässlichen Grundlage. Auch hierdurch würden Entwicklungen effizienter möglich bei unverändert bestehendem Wettbewerb im Markt.

Digitalisierung bleibt auch in der Immobilienbranche eine Investition in die Zukunft mit den damit verbundenen Risiken. Die Anforderungen an gute Softwarelösungen sind neben der aktuellen Leistungsfähigkeit deshalb insbesondere Entwicklungs- und Integrationsfähigkeit. Von den PropTechs werden es diejenigen ganz weit bringen, die ihren innovativen USP mit anderen Lösungen kombinieren können und damit Marktreife schaffen.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von easol Gmbh
Erstveröffentlichung: Immobilienwirtschaft 4/2021

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