29.07.2015

Anreize statt Auflagen

Ohne verbesserte Rahmenbedingungen bei der energetischen Sanierung werden die Klimaschutzziele kaum erreicht

Prof. Dr. Michael Voigtländer, Leiter des Kompetenzfelds Finanzmärkte und Immobilienmärkte, Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V.
Prof. Dr. Michael Voigtländer

Der Gebäudesektor hat eine immense Bedeutung für die Erreichung der Klimaschutzziele. Mit dem Ausstieg aus der Atomenergie hat diese Bedeutung sogar noch einmal zugenommen. Schließlich lässt sich der Wegfall der Atomenergie nur dann klimaneutral kompensieren, wenn Energie eingespart wird. Vergegenwärtigt man sich, dass Neubauten im Durchschnitt nur ein Drittel der Energie von Altbauten benötigen, werden die Potenziale schnell deutlich. Ohne eine Verstetigung und Verbesserung der Rahmenbedingungen wird es allerdings kaum gelingen, diese Potenziale tatsächlich zu nutzen.

Die Verbesserung des energetischen Zustands ihrer Gebäude ist für die Immobilieneigentümer seit einigen Jahren ein dominantes Thema, schon allein wegen der zunehmend steigenden Energiepreise, die nur im Jahr 2011 um knapp 10 Prozent gestiegen sind. Seit 2005 nehmen die Investitionen in den Gebäudebestand daher kontinuierlich zu. Im Jahr 2010 wurden 40 Milliarden Euro für die energetische Sanierung des Wohnungsbestands ausgegeben. Doch diese Anstrengungen werden zur Erreichung der klimapolitischen Ziele nicht ausreichen. Sowohl in der Breite als auch in der Tiefe muss noch mehr investiert werden. Derzeit sind gerade im Wohnungsbau Teilsanierungen mit einem Anteil von 85 Prozent vorherrschend. Damit bleiben Energieeffizienzpotenziale ungenutzt. Zwar können die Sanierungen später komplettiert werden, aber alle Beispielrechnungen zeigen, dass energetische Sanierungen dann am günstigsten durchgeführt werden können, wenn sie zusammen mit ohnehin nötigen Sanierungen durchgeführt werden.

Tatsächlich sind die Kosten nach wie vor der größte Hemmschuh bei der energetischen Sanierung. Wird die energetische Sanierung, wie gerade beschrieben, im Rahmen ohnehin fälliger Modernisierungen durchgeführt, lassen sich die Kosten in vertretbarer Zeit durch die Energieeinsparungen refinanzieren. Dass trotzdem Teilsanierungen vorherrschend sind, deutet auf Liquiditätsprobleme hin. Schnell summieren sich die Kosten einer energetischen Vollmodernisierung auf über 300 Euro pro Quadratmeter, was gerade für Selbstnutzer und Kleinvermieter nur schwer zu schultern ist. Gerade deswegen bleiben die Kreditprogramme der KfW eine wichtige Stütze der Klimaschutzpolitik. Doch auch steuerliche Fehlanreize sind für die Dominanz der Teilsanierungen mitverantwortlich. So können Vermieter kleinere Sanierungen wie etwa den Austausch der Heizungsanlagen sofort abschreiben, Vollmodernisierungen sind hingegen zu aktivieren und über 50 Jahre abzuschreiben. Dies gilt auch für den Fall, dass die Immobilie abgerissen und durch einen energieeffizienten Neubau ersetzt wird.

Besonders teuer wird es immer dann, wenn außerhalb des üblichen Investitionszyklus saniert wird, wie fast alle Studien zeigen. Zwar steigern energetische Sanierungen etwa über die Verbesserung des Raumklimas auch das subjektive Wohngefühl, aber diese Aspekte spielen gerade bei Vermieter- Mieter-Konstellationen nur eine geringe Rolle. Schließlich schaut der Mieter zunächst auf die Warmmiete. Muss dieser aufgrund einer Sanierung eine höhere Miete zahlen, ist mit Widerstand zu rechnen, vor allem wenn die Anhebung höher ausfällt als die erwarteten geringeren Energiekosten. Eine gemeinsame Studie der KfW und des IW Köln zeigt, dass in fast 25 Prozent der Fälle die Kaltmiete nach einer Sanierung um über 30 Prozent gestiegen ist. Bleibt die Miete hingegen konstant oder wird nur im Umfang der Energieeinsparungen erhöht, erhält der Vermieter keinen Ausgleich für seine Investitionen. Sollen die klimapolitischen Ziele aber erreicht werden, muss der Sanierungszyklus, der derzeit bei etwa 40 Jahren liegt, verkürzt werden. Von den rund 8 Millionen Mehrfamilienhäuser der Baualtersklasse 1949 bis 1978, die prädestiniert sind für energetische Sanierungen, sind nur 25 Prozent vollständig saniert worden. Von den verbleibenden 75 Prozent ist der überwiegende Teil zwar teilweise modernisiert, aber hier gäbe es noch erhebliche Potenziale für Energieeinsparungen. Angesichts fehlender wirtschaftlicher Perspektiven werden die Eigentümer ohne weitere Anreize aber kaum bereit sein, noch einmal zu investieren.

Hieraus folgt, dass es ohne staatliche Subventionen nicht gelingen dürfte, die Klimaschutzpotenziale des Wohnungssektors zu heben. Angesichts der schwierigen Haushaltslage der öffentlichen Hand wird zuweilen auch diskutiert, stärker auf das Ordnungsrecht zu setzen und den Haushalten vorzuschreiben, welche Maßnahmen sie umsetzen müssen, wenn sie sanieren. Doch dies setzt keinen Anreiz, früher zu sanieren. Im Gegenteil, im Zweifelsfall wird man Investitionen verschleppen, um ungewünschte und unwirtschaftliche Sanierungen hinauszuzögern. Darüber hinaus treiben Auflagen die gesamtwirtschaftlichen Investitionskosten in die Höhe, da dann nicht mehr dort investiert wird, wo es besonders wirtschaftlich ist. Über entgangene Steuern muss dann letztlich auch der Staat unter der Ineffizienz der Ordnungspolitik leiden.

Eine sinnvolle Klimaschutzpolitik im Gebäudesektor muss stattdessen vielmehr auf drei Säulen ruhen: Förderung, Transparenz und Forschung.

1. Förderung

Eine finanzielle Unterstützung der Eigentümer ist notwendig, um Anreize für frühere und umfassendere Sanierungen zu setzen. Eine Schlüsselrolle kommt hierbei der angedachten steuerlichen Förderung zu. Können künftig 10 Prozent der Investitionskosten jährlich abgeschrieben werden, wird es vor allem für Kleinvermieter und Selbstnutzer deutlich attraktiver, mehr zu investieren. Das zähe Ringen zwischen Bundesregierung und Bundesrat um die erhöhte Abschreibung ist hingegen Gift für alle Investitionen. Schließlich warten nun alle Eigentümer zunächst einmal ab, worauf sich Bund und Länder einigen. Je länger dies dauert, desto mehr Investitionen werden verschoben. Ein Gutes hat der politische Wirrwarr jedoch, denn es bietet die Möglichkeit, den Gesetzentwurf noch einmal zu verbessern. So sollten nicht nur Gebäude gefördert werden, die mindestens den KfW Standard 85 erreichen, sondern auch solche, die dem Neubau-Standard 100 entsprechen. Insbesondere bei älteren Gebäuden lässt sich der KfW 85 Standard nur unter hohen Mehrkosten erreichen, was zu einem Verzicht auf Sanierungen führen kann. Gerade die älteren Gebäude bieten jedoch die größten Energieeinsparpotenziale. Weiterhin sollte eine Kombination mit den KfW-Kreditprogrammen zugelassen werden. Schließlich benötigen Eigentümer nicht nur Zuschüsse, sondern auch einen günstigen Kredit zur Realisierung ihrer Sanierungsvorhaben. Außerdem verkompliziert eine Entscheidung zwischen steuerlicher Förderung oder Kreditförderung die ohnehin schon komplexe Sanierungsentscheidung.

2. Transparenz

Ein weiterer wichtiger Baustein der Klimaschutzpolitik muss die Erhöhung der Transparenz sein. Derzeit spielen Angaben zu Energiekennziffern nur eine untergeordnete Rolle bei der Mietwohnungssuche. Erst wenn sich dies ändert, werden Vermieter ein noch größeres Eigeninteresse an energetischen Maßnahmen haben. Damit dies gelingt, muss der Energieausweis dringend novelliert werden. Das heutige Nebeneinander von Verbrauchs- und Bedarfsausweis hat sich nicht bewährt. Der Verbrauchsausweis ist zu abhängig vom Energieverhalten der Bewohner und bietet damit keine verlässliche Information. Der Bedarfsausweis sollte dies leisten, doch die Erfahrungen zeigen, dass auch der Bedarfsausweis zu viele Spielräume lässt. Schon die Wahl der Software hat einen erheblichen Einfluss auf das Ergebnis des Energieausweises. Und auch die Nomenklatur des Ausweises ist derzeit zu kompliziert und wenig intuitiv. Eine einfache Auszeichnung von A++ bis G, wie sie bei weißer Ware wie z.B. Kühlschränken bewährt ist, würde die Akzeptanz und Beachtung des Energieausweises deutlich erhöhen.

3. Forschung

Angesichts der großen Bedeutung des Gebäudesektors ist es erschreckend, wie wenig man über den energetischen Zustand der Wohnungen und Gewerbeimmobilien tatsächlich weiß. Die vielzitierte Sanierungsquote von einem Prozent fußt auf einer Auswertung von 7.500 Gebäuden, also 0,5 Promille des Gesamtbestands. Für Gewerbeimmobilien gibt es keinerlei größere Studie. In Großbritannien werden dagegen über 200.000 Gebäude analysiert, um die richtigen Weichenstellungen für den Klimaschutz zu stellen. Auch Forschungen zu Best-Practice-Beispielen oder Grundlagenforschungen zur energetischen Sanierung werden nur sporadisch unterstützt. Dabei kann die Forschung einen wichtigen Beitrag zur Erhöhung der Energieeffizienz leisten. Darüber hinaus sind genauere Kenntnisse über den Gebäudezustand notwendig, um Fortschritte beobachten und die Wirkungsweise von Maßnahmen verstehen zu können. Die derzeitige konfuse Ausgangslage wird es kaum ermöglichen, in einigen Jahren den Erfolg steuerlicher Förderungen abschätzen zu können. Dies lässt der Politik alle Chancen, die Maßnahmen je nach Interessenlage als Erfolg oder Misserfolg darzustellen. Für eine nachhaltige Strategie bietet dies jedoch keine Basis.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V.
Erstveröffentlichung: im ZIA Geschäftsbericht 2011/2012