Wie wir den europäischen Markt betrachten
Weltweit herrscht ein chronischer Wohnungsmangel. Das Weltwirtschaftsforum schätzt, dass bis 2030 jeden Tag 96.000 Wohnungen fertiggestellt werden müssten, um den Bedarf zu decken. Unseren Berechnungen zufolge werden derzeit weniger als 18.000 Wohnungen/Tag fertiggestellt, weniger als 20 Prozent des Bedarfs.
Angesichts des mangelnden Angebots überrascht es nicht, dass die Wohnkosten weit stärker gestiegen sind als die realen Haushaltseinkommen – ein Trend, der sich während der Pandemie noch beschleunigt hat. Da die Verknappung des Angebots offenbar unumkehrbar ist, wird sich das Problem weiter verschärfen. Dies wird zu größerer Wohnungsknappheit führen und die sozioökonomischen Ungleichheiten verstärken.
Auch Immobilieninvestoren konzentrieren sich zunehmend auf die sozialen Aspekte im Rahmen von ESG. Da es jedoch nur wenige Vorschriften oder anerkannte Best Practices gibt, ist es nicht einfach, einen Ansatz festzulegen. Das „S“ ist viel schwieriger zu messen als z.B. Kohlenstoffdioxid-Emissionen.
Dies gilt insbesondere für bezahlbaren Wohnraum. Wir haben deshalb eine eigene Methodik zur Definition, Messung und Bewertung der Erschwinglichkeit von Wohnen auf Markt-, Fonds- und Objektebene entwickelt. Hiermit haben wir die Möglichkeit, zu beurteilen, was Erschwinglichkeit wirklich bedeutet, um auf dieser Basis fundiertere Entscheidungen für unsere Investments zu treffen.
Erschwinglichkeit definieren und ermitteln
Der erste Schritt zur Entwicklung einer Lösung ist die Definition von Erschwinglichkeit. Es gibt viele Definitionen und lokale Nuancen, aber wir können zumindest mit vernünftigen Annahmen beginnen.
Wir stufen eine Marktmiete als erschwinglich ein, wenn sie weniger als 30-40 Prozent des geschätzten verfügbaren Haushaltseinkommens in der Region beträgt. Alternative Methoden sind z.B. die Festlegung eines Mietniveaus, das 15-20 Prozent unter der Marktmiete liegt. Wir bevorzugen allerdings die Einkommensspanne, da an manchen Orten die Marktmieten so hoch sind, dass selbst eine reduzierte Miete nur eingeschränkt erschwinglich sein kann.
Selbst bei der von uns bevorzugten Prüfung der Erschwinglichkeit gibt es mehrere Aspekte, die zu berücksichtigen sind. Die zugrundeliegenden Marktmieten lassen sich nur schwer einheitlich ermitteln, da jede Wohnung einzigartig ist und von objektspezifischen und mikroökonomischen Einflüssen abhängt. Auch die Daten zum Einkommen der privaten Haushalte sind unvollkommen und verschleiern bei Betrachtung des „Durchschnitts“ oft eine erhebliche Streuung oder Polarisierung um den Mittelwert. Durchschnittswerte verbergen die entscheidende Information: Wie viele Haushalte können sich die Marktmiete leisten?
Zudem sind weder die Mieten noch die Haushaltseinkommen statisch. Mieten können aufgrund von Indexierung, Staffelung oder über Mietspiegel steigen. Haushaltseinkommen unterliegen dem makroökonomischen Druck auf den Arbeitsmärkten und (teilweise) der Inflation, während die Nettoeinkommen auch durch Steuern und Abgaben beeinflusst werden. Eine regelmäßige Überprüfung der Schlüsselkomponenten ist daher unerlässlich.
Analyse der Erschwinglichkeit der Miete
Angesichts dieser Herausforderungen haben wir einen Ansatz entwickelt, der es uns ermöglicht, fundiertere Bewertungen der Erschwinglichkeit in den europäischen Großstädten vorzunehmen. Ausgangspunkt für diese Analyse sind konsistente Daten für Metropolregionen über die Verteilung der privaten Haushalte auf verschiedene Einkommensgruppen.
Unsere Analyse betrachtet auch nicht nur den Schwellenwert für die Erschwinglichkeit, sondern ebenso die Frage, welcher Anteil der Haushalte in der Metropolregion sich eine Wohnung zur Marktmiete leisten kann. Wir haben die Flexibilität, zu definieren, welcher Anteil des verfügbaren Einkommens für die Miete aufgewendet werden darf, um lokale Faktoren zu berücksichtigen, wie z.B. in der Miete enthaltene Heizkosten oder auch die Wohnungsgröße. Grundlage ist in der Regel eine Spanne von 30-40 Prozent des Netto-Haushaltseinkommens.
Ziel ist es, den relativen Druck auf dem Mietmarkt besser zu verstehen. Größere Wohnungen sind teurer zu mieten. Wenn man jedoch nicht weiß, welcher Anteil der Haushalte in einem Ballungsraum sich die einzelnen Wohnungstypen leisten kann, geht ein entscheidender Aspekt der Realität bei der Beurteilung der Erschwinglichkeit verloren. Die Einkommensverteilung kann auch zwischen den europäischen Großstädten sehr unterschiedlich sein. Dies hat erhebliche Auswirkungen auf die Erschwinglichkeit des Wohnungsmarktes für verschiedene Wohnungstypen.
Die folgenden Abbildungen zeigen, dass sich in Berlin etwa 10 Prozent weniger Haushalte die Miete von Zimmern, Studios oder Mehrzimmerwohnungen leisten können als in Paris.
Einer der Hauptvorteile des Tools besteht zudem darin, dass es uns ermöglicht, die tatsächlichen Mietkosten von Wohnungen in unseren eigenen Portfolios zu verwenden, um die Theorie zu testen. abrdn verwaltet in Europa mehr als 30.000 Wohnungen im Wert von über 7 Milliarden Euro, so dass wir über einen umfangreichen Pool an anonymisierten Daten verfügen, anhand derer wir unser Erschwinglichkeitstool testen können. Wir können nachvollziehen, wie die Mieten in unseren Wohnungen im Vergleich zum Marktniveau und zu den Erschwinglichkeitskriterien für verschiedene Wohnungsgrößen aussehen.
Auf dem richtigen Weg
Durch die Entwicklung eines Tools zur Beurteilung der Erschwinglichkeit von Mietwohnungen in ganz Europa verfügen wir nun über einen klaren, reproduzierbaren und flexiblen Ansatz. Damit können wir die Erschwinglichkeit auf dem Markt einschätzen und einen Rahmen für unsere Wohnungsinvestments schaffen. Dies wird die Wohnungskrise nicht lösen, aber es ermöglicht uns, den Erschwinglichkeitsdruck unserer Bewohner zu verstehen und hilft uns, unsere Strategien fundierter zu gestalten. Diese Art der Messung der Erschwinglichkeit ist keine exakte Wissenschaft und wird sich im Laufe der Zeit weiterentwickeln, aber wir glauben, dass sie eine transparente, flexible und praktikable Methode zur Einschätzung der Erschwinglichkeit von Mietwohnungen bietet.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von abrdn Investments Deutschland AG
Erstveröffentlichung: The Property Post, Mai 2024