01.11.2022

Europäisches Zeitwohnenrecht

Warum das Mietrecht in Teilen europäisiert werden muss.

Jan Hase, CEO und Co-Founder, Wunderflats GmbH
Jan Hase

Menschen rund um den Globus zu verbinden und ihnen zu ermöglichen, überall zu leben und zu arbeiten und verschiedene Kulturen zu erleben, Grenzen zwischen Nationen abzubauen und Respekt zwischen den Menschen zu schaffen, wird eine integrativere, nachhaltige Welt mit weniger Angst und Kriegen schaffen. Das ist das Versprechen der Europäischen Union – und das sollte deshalb zum echten Handlungsmaßstab für europäische Binnenmarktpolitik sein. Man sollte es Menschen so einfach wie möglich machen, nicht nur in Europa zu reisen, sondern auch temporär zu wohnen.

Wohnen und Binnenwanderung passt noch nicht zusammen

Der Anspruch, Binnenmigration in Europa zu erlauben und zu fördern, passt an vielen Stellen noch nicht mit den fragmentierten Vorstellungen der EU-Mitgliedstaaten zusammen, welche die Hoheit über das jeweilige Mietrecht halten. Das ist aber gerade für die Flexibilisierung und Demokratisierung der Wohnungsmärkte ein Problem. Nicht zuletzt macht es den grenzüberschreitenden Austausch junger Menschen schwierig.

Denn die Praxis sieht eher so aus: Eine Auszubildende aus Deutschland hat in den seltensten Fällen weitreichende Kenntnis zum spanischen Wohnungsmarkt, will aber einen Austausch in Madrid machen. Ein spanischer Student möchte in Köln sein Auslandssemester verbringen, hat aber noch nie von der Zweckentfremdungsverordnung gehört, geschweige denn dass es unterhalb des bundesgesetzlichen Mietrechts auch noch kommunale Einzelregulierungen gibt. Worauf es ankommt ist, so einfach – also digital – wie möglich, für exakt den notwendigen Zeitraum des Aufenthalts kurzfristig eine Wohnung finden, ohne diese noch aufwendig möblieren zu müssen. Erst diese Einfachheit macht das Wagnis, den Sprung und das Abenteuer, in einem anderen europäischen Land zu leben und Kontakte zu knüpfen, erst wirklich möglich. Erst diese Einfachheit bringt bestehende Programme wie Erasmus+ wirklich zum Tragen.

Die Erasmus+ Programme müssen vollendet werden

Mit Erasmus unternahmen die Mitgliedstaaten ein mehr oder weniger institutionalisiertes, finanziell verstetigtes und im Geiste der Europäisierung auch wirklich ernst zu nehmenden Schritt hin zu einer grenzüberschreitenden Bildungsoffensive. Erasmus gilt heute – aus guten Gründen – als Erfolgsgeschichte. Erasmus wurde 1987 als Austauschprogramm ins Leben gerufen, an dem im ersten Jahr 3.200 Studierende aus elf Mitgliedstaaten teilnahmen. Bis heute haben mehr als 10 Millionen Studierende von Erasmus Gebrauch gemacht.

Die Motivlage war damals wie heute von dem Gedanken getragen, dass die junge Generation durch Kontakt mit Menschen ihrer Nachbarländer zu einem kulturellen, politischen und edukativen Austausch kommen, durch den die Mitgliedstaaten gesellschaftlich enger zusammenwachsen, Verständnis und Kooperation erwachsen, die Idee des Friedensprojekt Europas weitergetragen und wirtschaftliche Prosperität diffundiert.

Die Inanspruchnahme der Förderung ist groß und stetig wachsend, allerdings auch deshalb, weil der rechtliche Anwendungsbereich der Förderung über Jahrzehnte hinweg immer mehr ausgeweitet wurde und immer mehr Personenkreise anspruchsberechtigt wurden. Die Statistik weist naturgemäß aber nicht die Personengruppen aus, die zwar anspruchsberechtigt wären, dennoch von Erasmus bzw. den Möglichkeiten der grenzüberschreitenden Bildungsmobilität keinen Gebrauch machen, weil sie an praktischen Hürden scheitern.

Besonders problematisch sind häufig nämlich die Wohnkosten. Einerseits unterscheiden sich diese von Land zu Land, andererseits kann in Summe gezeigt werden, dass in allen EU-Mitgliedstaaten im Laufe der letzten Dekade die Wohnkostenbelastung gestiegen ist.

Im Umkehrschluss hat die EU alle rechtlichen Möglichkeiten, Mobilität zu fördern, stellt aber nur unzureichend sicher, dass beispielsweise Studierende in Kopenhagen eine Wohnung finanzieren können. Damit Lernmobilitätsprogramme nicht an praktischen Hürden scheitern, kann die Kommission die Förderungen erweitern, in dem sie zwar nicht in die Wohnungsmärkte oder nationalstaatlichen Regulierungen eingreift, wohl aber die Wohnsituation finanziell fördert.

Das Mietrecht braucht einen europäischen Rahmen

Je stärker die Vermietung von Wohnungen reguliert wird, desto mehr können sich nur noch Menschen, die sich einen Anwalt leisten können, den Wohnungswunsch erfüllen. Wenn wir die soziale Durchlässigkeit verbessern wollen, müssen wir es einfach, fair und für alle zugänglich machen. Das gelingt nur mit einem Mietrecht, das transparent, einfach und auf die Bedürfnisse der Menschen ausgerichtet ist. Es braucht ein Mietrecht für das Zeitwohnen – jene Möglichkeit der temporären Anmietung möblierter Wohnungen.

Das Mietrecht liegt in der Kompetenz der Mitgliedsländer. Die EU selbst hat keine Zuständigkeit. Gleichwohl ist der EU daran gelegen, den Binnenmarkt zu vollenden. Das kann gelingen, in dem Europa zwei Dinge tut: Zum einen müssen die Erasmus+ Programme im Sinne einer Subjektförderung stärker bedarfsgerecht auch die Wohnungsmarktsituationen berücksichtigen, in dem für die kurzfristige Anmietung ergänzende Zuschüsse gewährt werden. Zum anderen sollte auf Verordnungswege klargestellt werden, dass lokales Mietrecht nicht die Binnenwanderung und damit die kurzfristige Anmietung möblierten Wohnraums konterkariert.

Best Practices gibt es auf dem Kontinent genug, etwa in Frankreich. Dort gibt es vier Mietvertragsarten, darunter auch eine für die kurzfristige Anmietung, die gerade für junge Menschen einfach zu verstehen ist. So etwas europäisch zu etablieren, würde dem Friedens- und Kulturprojekt Europa über allen Maßen helfen.

 

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Wunderflats GmbH
Erstveröffentlichung: The Property Post, November 2022

Konversation wird geladen