11.03.2015

Flächen für den E-Commerce

Veränderungen im Handel stimulieren Nachfrage nach Logistikimmobilien

Dr. Thomas Steinmüller, Vorstand und Vorsitzender des ZIA-Ausschusses Logistikimmobilien, CapTen AG
Dr. Thomas Steinmüller

Während die Entwicklung der Logistikimmobilien in den vergangenen Jahren durch das Zusammenwachsen der europäischen Märkte geprägt war, kommt in der aktuellen Situation ein weiterer Aspekt zum Tragen: der Strukturwandel im Handelsbereich.

Der klassische Einzelhandelsbereich wird durch die stationären Einzelhändler beherrscht. Allerdings ist zu beobachten, dass der Umsatz-Anteil des elektronischen Handels inzwischen zweistellige Steigerungsraten aufweist und dem klassischen Einzelhandel zunehmend Kunden abnimmt. Dies hat u.a. damit zu tun, dass die Philosophien sich grundsätzlich unterscheiden:

Angebotsorientierung versus Nachfrageorientierung

Der klassische Einzelhandel ist durch eine Angebotsorientierung geprägt, d.h. Einkäuferorganisationen beschaffen Artikel, von denen sie erwarten, dass diese von den Kunden nachgefragt werden. Aufgrund der internationalen Arbeitsteilung und den teilweise signifikanten Lohnkostenunterschieden liegen diese Beschaffungsmärkte weit entfernt von den Absatzmärkten und bedürfen eines erheblichen zeitlichen Vorlaufs, bis die Waren dem Konsumenten angeboten werden können. Diese räumlichen und zeitlichen Differenzen führen dazu, dass das Kundennachfrageverhalten antizipiert werden muss – was aufgrund der Flexibilität und Spontanität der Konsumenten jedoch immer weniger funktioniert.

Der elektronische Handel hingegen hat sich frühzeitig auf eine Nachfrageorientierung ausgerichtet, d.h. die Kundenwünsche bestimmen das Sortiment. Es wird weniger Wert auf Größendegressionseffekte im Einkauf gelegt und ein höherer Aufwand für die Anpassung an das Kaufverhalten der Kunden betrieben. Durch die digitale Abwicklung steht eine erhebliche Datenvielfalt zur Analyse von Kunden und Märkten zur Verfügung, die in diesem Detaillierungsgrad im klassischen Einzelhandel allenfalls in aggregierter Form verfügbar ist. Der elektronische Handel investiert gezielt in die Datenverarbeitung und ist damit reaktionsfähiger.

Auswirkungen auf die Logistikimmobilien

Die Anforderungen an Logistikimmobilien werden durch den hohen Servicegrad, den der Kunde einfordert, determiniert. Die schnellstmögliche Belieferung des Kunden – same day delivery oder sogar same hour delivery – bedeutet, dass die Immobilie sehr nah an oder mitten in einem Ballungsraum liegen muss. Gleichzeitig wachsen die Größenordnungen der Immobilien und es sind höhere Automatisierungsgrade zu beobachten.

Für den Logistikimmobilienmarkt bedeutet der Strukturwandel im Handel, dass neue Immobilien entstehen. Neben den klassischen Logistikimmobilien sind dies E-Logistikimmobilien. Die klassischen Logistikimmobilien bestehen aus flexiblen und standardisierten Hallen zur Lagerung und Kommissionierung von Waren auf Filialebene. Die Warenverteilung erfolgt über Umschlaganlagen, der Transport mit konsolidierten Sendungen meist auf Paletten oder Rollcontainern an den Wiederverkäufer und somit B2B.

Die E-Logistikimmobilien dagegen weisen einen höheren Automatisierungsgrad und auch eine höhere Beschäftigtenzahl auf. In diesen Objekten werden einzelne Sendungen auf Kundenebene kommissioniert und in einzelne Pakete für die jeweiligen Kunden bereitgestellt (B2C-Geschäft). Diese Pakete werden durch Paketdienste übernommen, in die einzelnen Regionen transportiert und dort über automatische Sortieranlagen auf die einzelnen Auslieferungsfahrzeuge geleitet und an den Endkunden ausgeliefert. Zur Erhöhung der Zustellgeschwindigkeit kommen für bestimmte Sortimentsumfänge auch Lagerungen in sehr kundennahen Lagen – in den sog. City- Boxes – zum Einsatz. Von dort erfolgen die Kommissionierung und der Versand auf Paketebene mit Botendiensten zu den Kunden.

Neben dem daraus erwachsenden Potenzial ergeben sich aber auch neue Restriktionen im Bereich der Logistikimmobilien.

Zunehmende Sensibilisierung der Bevölkerung

Die zunehmende Sensibilisierung der Bevölkerung bezüglich der Verkehrs- und Lärmentwicklung bedeutet, dass im Vorfeld einer Neuansiedlung eine ganz andere Qualität der Informations- und Kommunikationspolitik erfolgen muss. Der ZIA will hier die Kommunen unterstützen, um nicht nur die kommunalen Verwaltungen, sondern insbesondere die betroffenen Anwohner von der Vorteilhaftigkeit der Ansiedlung zu überzeugen.

Datentechnische Anbindung der Standorte

Die datentechnische Anbindung der Standorte ist von herausragender Bedeutung. Leider sind in der Bundesrepublik bisher nicht alle Regionen mit einem höchstwertigen Ausbau bedacht worden. Die aktuelle Regierung verspricht zwar Fortschritte, der ZIA fordert hier aber einen Ausbau mit Hochgeschwindigkeits- Datennetzen, um im globalen – aber auch europäischen – Wettbewerb bestehen zu können.

Infrastrukturelle Defizite der Verkehrswege

Schließlich beeinträchtigen auch infrastrukturelle Defizite der Verkehrswege die Ansiedlung von Logistikimmobilien. Diese Defizite betreffen weniger den grundsätzlichen Ausbau als vielmehr die vernachlässigte Instandhaltung. Nicht nur, dass bestimmte Straßen aufgrund ihres technischen Zustandes mit Geschwindigkeits- und Tonnagereduzierungen an Stelle einer grundlegenden Sanierung belegt werden, gravierender sind die Brückenbauten, die zunehmend einen schlechten Sanierungszustand aufweisen und aus Sicherheitsgründen sogar gesperrt werden müssen.

Der ZIA fordert hier die verstärkte und zügige Bereitstellung von Mitteln zur Sanierung des Straßennetzes, da die neuen Anforderungen einen Vertrieb durch die Bahn einerseits kaum noch möglich machen und sparsame LKWs bessere Emissionswerte erreichen, als dies für die Bahn möglich ist.

Weitere aktuelle Themen

Die ZIA-Plattform Logistikimmobilien hat sich im vergangenen Jahr über die genannten Punkte hinaus u.a. mit den Fragen von City-Logistik und der notwendigen Ausstattung von Logistikimmobilien für die Anforderungen des E-Commerce befasst. Darüber hinaus standen Gespräche mit dem Bundesverkehrsministerium zum Bundesverkehrswegeplan 2015 und mit der Logistik-Initiative Hamburg auf dem Programm. Begleitet wurden die Sitzungen jeweils von interessanten Besichtigungen herausragender Logistikimmobilien.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V.
Erstveröffentlichung: ZIA Geschäftsbericht 2013/2014