23.02.2015

Stärkung der Innenstädte

Bedeutung der BauGB-Novelle 2013 für Einzelhandelsprojekte

Dr. Jan Hennig, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, GSK STOCKMANN + KOLLEGEN Rechtsanwälte Steuerberater Partnerschaftsgesellschaft mbB
Dr. Jan Hennig

Nach längeren Verzögerungen wurde das Gesetzgebungsverfahren zur jüngsten Novelle des Baugesetzbuchs im November 2012 auf der Grundlage des Regierungsentwurfs vom Juli 2012 eingeleitet. Nachdem inzwischen die erste Lesung im Deutschen Bundestag und diverse Ausschussberatungen stattgefunden haben, soll das Gesetzgebungsverfahren noch im ersten Halbjahr 2013 abgeschlossen werden. Der Titel des Gesetzentwurfs lautet „Gesetz zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts“ – die Stärkung der Innenstädte steht also im Mittelpunkt. Welche Auswirkungen werden die neuen Regelungen für Einzelhandelsprojekte haben?

1. Hintergrund und Inhalt der neuen Regelungen

Die Stärkung der Innenentwicklung ist kein neues Thema. Bereits mit der BauGB-Novelle 2007 hatte der Gesetzgeber wichtige Regelungsinstrumente geschaffen. Vor allem der Bebauungsplan der Innenentwicklung nach § 13a BauGB hat sich in der Praxis durchgesetzt und in den letzten Jahren vielfach bewährt. Daneben schuf die Novelle 2007 die Möglichkeit einfacher Bebauungspläne zur Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche (§ 9 Abs. 2a BauGB). Stand 2007 noch die Erleichterung von Planungen der Innenentwicklung im Vordergrund, so tritt bei der aktuellen Novelle 2013 die Erschwerung von Planungen auf der „grünen Wiese“ hinzu. Die wichtigsten Regelungen für Einzelhandelsprojekte: In § 1 Abs. 5 BauGB soll ein neuer Satz 3 die Planungsleitlinie aufstellen, dass die „städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen“ soll. Dies müssen planende Gemeinden in ihrer Abwägung berücksichtigen.

Ferner soll § 1a Abs. 2 Satz 4 BauGB künftig lauten: „Die Notwendigkeit der Umwandlung landwirtschaftlicher oder als Wald genutzter Flächen soll begründet werden; dabei sollen Ermittlungen zu den Möglichkeiten der Innenentwicklung zugrunde gelegt werden, zu denen insbesondere Brachflächen, Gebäudeleerstand, Baulücken und andere Nachverdichtungsmöglichkeiten zählen können.“ Auch dies ist eine neue Vorgabe für die kommunale Bauleitplanung.

Außerdem soll § 5 Abs. 2 Nr. 2 BauGB geändert und hier ausdrücklich klargestellt werden, dass zentrale Versorgungsbereiche im Flächennutzungsplänen dargestellt und abgegrenzt werden können. Zwar haben Gemeinden diese Möglichkeit schon heute, die ausdrückliche Nennung im BauGB soll Gemeinden jedoch dazu ermuntern, ihren informellen Einzelhandels- und Zentrenkonzepten durch Übernahme in den Flächennutzungsplan ein stärkeres rechtliches Gewicht zu geben und die Konzepte bei der Aufstellung und Änderung von Bebauungsplänen besser und koordinierter umzusetzen.

Neben etlichen weiteren Änderungen kann schließlich die geplante Neufassung von § 17 Abs. 2 BauNVO für Einzelhandelsprojekte bedeutend sein. Künftig können Gemeinden bei der Aufstellung von Bebauungsplänen die in § 17 Abs. 1 BauNVO festgelegten Obergrenzen des Maßes der baulichen Nutzung bereits „aus städtebaulichen Gründen“ überschreiten. Bislang müssen „besondere städtebauliche Gründe“ dies erfordern.

2. Auswirkungen auf Einzelhandelsprojekte

Die geplante Änderung des BauGB ist für viele Einzelhandelsprojekte relevant, aber längst nicht für alle. Für den Bestand von Einzelhandelsimmobilien und deren Nutzung ergeben sich keine Änderungen. Auch für Projekte, die auf der Grundlage bestehenden Planungsrechts – sei es auf der Grundlage eines geltenden Bebauungsplans, sei es im unbeplanten Innenbereich nach § 34 BauGB – realisiert werden sollen, ändert sich nichts.

Relevant wird die BauGB-Novelle 2013 jedoch für Projekte, die die Aufstellung oder Änderung eines Bebauungsplans erfordern: Dazu gehören Neuentwicklungen von Einkaufszentren, Fachmarktzentren und anderen Einzelhandelsnutzungen, aber auch Erweiterungen, Umbauten und Umnutzungen, die über das Maß dessen hinausgehen, was auf der Grundlage des bestehenden Planungsrechts zulässig ist. Wann immer eine Gemeinde für ein solches Projekt einen Bebauungsplan aufstellt oder ändert, muss sie nach Inkrafttreten des Gesetzes die neuen Regelungen beachten. Dabei sind die praktischen Konsequenzen für innerstädtische Projekte und für Projekte an peripheren Standorten sehr unterschiedlich.

a. Vorteile für innerstädtische Projekte

Die wichtigste Erleichterung für innerstädtische Projekte bringt die Änderung von § 17 Abs. 2 BauNVO. Nach § 17 Abs. 1 BauNVO darf die Gemeinde in ihren Bebauungsplänen bestimmte Obergrenzen des Maßes der baulichen Nutzung grundsätzlich nicht überschreiten. Diese Obergrenzen sind relativ niedrig: Selbst in Kerngebieten – d.h. typischen stark verdichteten Innenstadtbereichen – beträgt die maximale Geschossflächenzahl (GFZ) nur 3,0, in Gewerbe- und Sondergebieten sogar nur 2,4, die maximale Grundflächenzahl (GRZ) hier 0,8. Bislang dürfen diese Obergrenzen nur überschritten werden, wenn „besondere städtebauliche Gründe dies erfordern“. Die Rechtsprechung interpretiert dies so, dass eine „städtebauliche Ausnahmesituation“ vorliegen muss und stellt sehr hohe Anforderungen an die Darlegung der besonderen städtebaulichen Gründe sowie das „Erfordern“. In der jüngsten Vergangenheit hatten mehrere Oberverwaltungsgerichte Bebauungspläne für innerstädtische Projekte aufgrund dieser Regelung gekippt. Insbesondere in Großstädten zeigte sich, dass die bisherige Regelung (die ursprünglich aus ökologischen Gründen in die BauNVO aufgenommen worden war) im Widerspruch zum Interesse der Innenentwicklung und Nachverdichtung steht. Dennoch urteilte etwa das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, dass von den Obergrenzen auch bei der Aufstellung eines Bebauungsplans der Innenentwicklung und unter Berücksichtigung des Ziels der Nachverdichtung nur unter engen Voraussetzungen in städtebaulichen Ausnahmesituationen abgewichen werden darf (Urteil vom 19.10.2010, Az. 2 A 15.09). Dies möchte der Gesetzgeber nun ändern, indem er die Begriffe „besonders“ und „erfordern“ streicht und für eine Überschreitung im Wesentlichen „städtebauliche Gründe“ genügen lässt. Dies gibt planenden Gemeinden ein höheres Maß an Flexibilität und führt dazu, dass stark verdichtete Innenstadtbereiche im Interesse der Innenentwicklung kompakter beplant und überplant werden können.

b. Hürden für periphere Standorte

Neue Hürden schafft die Novelle 2013 dagegen für Einzelhandelsprojekte an peripheren Standorten. Dies gilt insbesondere für die klassische „grüne Wiese“, d.h. zuvor landwirtschaftlich oder als Wald genutzte Flächen. Der neue § 1a Abs. 2 Satz 3 BauGB, nach dem die Notwendigkeit der Umwandlung solcher Flächen künftig besonders begründet werden soll, erhöht nicht nur den Begründungsaufwand der planenden Gemeinde, sondern auch den Aufwand der Sachverhaltsermittlung. Um den neuen Anforderungen zu genügen, werden Gemeinden sich künftig deutlich stärker als bisher einen Überblick über mögliche innerstädtische Alternativstandorte verschaffen müssen, bevor sie Außenbereichsflächen neu beplanen. Insbesondere in großen Städten und Gemeinden wird dies ein anspruchsvolles Unterfangen. Gemeinden haben Brachflächen, Leerstände, Baulücken und sonstige Nachverdichtungsmöglichkeiten zu erfassen. Darüber hinaus können und müssen sie aber auch berücksichtigen, ob, in welchem Maße und mit welcher Wahrscheinlichkeit innerstädtische Potenziale aufgrund wirtschaftlicher Rahmenbedingungen und der Eigentümersituation auch tatsächlich genutzt werden können. Auch wenn § 1 Abs. 5 Satz 3 BauGB künftig allgemein den „Vorrang“ der Innenentwicklung normiert, ist dies rechtlich keine unüberwindliche Vorgabe für die planerische Abwägung. Allerdings werden die Anforderungen an eine rechtssichere Bauleitplanung an peripheren Standorten mit den neuen Regelungen steigen. Einzelhandelsunternehmen, Projektentwickler und Investoren sind daher gut beraten, die Standortgemeinde in der Bauleitplanung genau zu verfolgen und rechtlich zu begleiten, wenn sie Planungsrecht für die Errichtung oder Erweiterung von Einzelhandelsprojekten außerhalb der Innenstadt schafft.

3. Fazit und Ausblick

Die BauGB-Novelle 2013 erleichtert Einzelhandelsprojekte in innerstädtischen Lagen und stellt zusätzliche Anforderungen an die Abwägung bei Planungen auf der „grünen Wiese“. Mit den neuen Regelungen nimmt der Gesetzgeber die planenden Gemeinden stärker in die Pflicht, sich ihrer Potenziale zur Innenentwicklung und Nachverdichtung bewusst zu werden. Städte und Gemeinden sind gut beraten, wenn sie diese Vorgaben aktiv aufgreifen und neben ihren Einzelhandels- und Verkehrskonzepten auch Freiflächen- und Entwicklungskonzepte für ihr Gemeindegebiet stärker systematisieren und formalisieren.

Dass vitale Innenstädte ein erstrebenswertes Ziel sind und dass der Einzelhandel hierzu einen wichtigen Beitrag leisten kann, ist inzwischen Allgemeingut. Ebenso klar ist jedoch, dass – schon aus verkehrlichen Gründen – nicht jede Einzelhandelsnutzung in die Innenstadt passt und dass lokale sowie wirtschaftliche Besonderheiten Abweichungen von städtebaulichen „Idealstandorten“ erfordern können. Periphere Standorte einschließlich der Überplanung klassischer „grüner Wiesen“ werden daher auch künftig in bestimmten Fällen sachgerecht und auch nach der BauGB-Novelle 2013 rechtlich machbar sein. Allerdings wird die Bauleitplanung für solche Projekte noch sorgfältiger (und aufwändiger) betrieben werden müssen, damit sie rechtlich belastbar ist. Dies mag man beklagen.

Jedoch ist festzuhalten, dass der Bundesgesetzgeber in der BauGB-Novelle 2013 immerhin den „richtigen“ Akteur in die Pflicht nimmt, nämlich die planenden Städte und Gemeinden. Diese sind weit besser in der Lage, die Innenentwicklung in ihrem Gemeindegebiet sachgerecht zu steuern, als dies die Landes- oder Regionalplanung mit ihren Instrumenten der Einzelhandelssteuerung kann. So stellt die BauGB-Novelle 2013 auch die – rechtlich ohnehin umstrittene – raumordnerische Steuerung von großflächigen Einzelhandelsprojekten durch „Integrationsgebote“ weiter in Frage. Insoweit besteht Anlass zur Hoffnung, dass die Novelle dazu beiträgt, dass Standortkommunen künftig gemeinsam mit Einzelhandelsunternehmen, Projektentwicklern und Investoren Standortkonzepte im Sinne einer funktionsgerechten Aufgabenverteilung zwischen Innenstadt und Peripherie entwickeln.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V.
Erstveröffentlichung: ZIA Geschäftsbericht 2012/2013

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