08.11.2023

Wer nicht handelt, hat schon verloren

Viele Finanzierer von Projektentwicklungen müssen restrukturieren

Francesco Fedele, CEO, BF.direkt AG
Annette Benner, Partnerin, Greenberg Traurig Germany, LLP
Francesco Fedele

Zahlreiche Entwickler befinden sich derzeit in einer sehr schwierigen finanziellen Lage. Eine toxische Mischung aus gestiegenen Baukosten und hohen Zinsen hat vielen Business-Plänen die Grundlage entzogen. Die Folgen treffen auch die Finanzierer. Fremdkapital kann nicht mehr wie geplant bedient oder zurückgeführt werden und die Darlehensnehmer müssen restrukturieren. Welche Optionen es in der Praxis gibt, erklären:
Francesco Fedele, CEO, BF.direkt AG und Annette Benner, Partnerin bei GT Restructuring.

Kaum ein Tag vergeht, ohne dass die Immobilien- und Wirtschaftsmedien von einer neuen Insolvenz eines Projektentwicklers berichten. Die Probleme auf dem Immobilienmarkt beschränken sich nicht nur auf die Investoren und Developer, sondern sie erreichen auch die Kreditgeber. In den Boom-Jahren sind viele neue Akteure in die Immobilienfinanzierung eingestiegen – Versicherungen, Pensionskassen, Versorgungswerke. Parallel dazu haben auch die klassischen Immobilienfinanzierer, die Banken, weitere Bestandsimmobilien und Projektentwicklungen finanziert. Zumindest ein Teil dieser Finanzierer verfügt über keine ausreichend große Restrukturierungsexpertise bzw. die erforderlichen personellen Kapazitäten, um mit den aktuell auftretenden Problemen fertig zu werden.  

Von den derzeitigen Marktverwerfungen sind vor allem Projektentwickler betroffen. Bei Bestandsimmobilien gibt es zwar Abwertungen, aber bislang noch keine großen Kreditereignisse. Unserer Meinung nach ist es allerdings eine Frage der Zeit, bis sich das ändert. Spätestens im Laufe von 2024 werden auch Finanzierungen von Bestandsinvestoren Probleme bekommen.

Reporting-Defizite sind oft das erste Anzeichen für Probleme

Die Probleme bei einem Darlehen – in der Fachsprache leistungsgestörter Kredit – treten in der Praxis oftmals in einer bestimmten Abfolge auf. Die ersten Anzeichen sind so genannte Reporting-Defizite in den laufenden Berichten, die der Darlehensnehmer für den Finanzierer vertragsgemäß zu erstellen hat. Das bedeutet beispielsweise, dass sich der Baufortschritt nicht mehr im Plan befindet oder dass die Kosten höher ausfallen als geplant. Die zweite Stufe ist erreicht, wenn Zins und Tilgung nicht mehr wie vereinbart beim Finanzierer eingehen. Die dritte (und letzte) Stufe wäre der Insolvenzantrag oder der Versuch eines Restrukturierungsprozesses gemäß den Bestimmungen des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes (StaRUG). Im Falle von Bestandshaltern kann der Auslöser der Leistungsstörung auch eine turnusgemäße Bewertung sein, die negativer ausfällt als erwartet, welche wiederum Handlungen oder Maßnahmen vonseiten des Finanzierers erfordert.

Der geschilderte Ablauf macht deutlich: Je früher sich ein Entwickler mit der Situation auseinandersetzt, desto mehr Lösungsmöglichkeiten stehen ihm noch offen. Die Probleme vergrößern sich durch langes Warten und Zögern. Dass viele Akteure dennoch nicht sofort handeln, liegt auch an der hohen Geschwindigkeit der Veränderung der Rahmenbedingungen in den vergangenen zwölf Monaten: Der rasche Zinsanstieg, die gestiegenen Baukosten, welche nicht auf die Kunden umgelegt werden können, und ein immer schwächer gewordener Transaktionsmarkt führten in eine rasante Abwärtsspirale. Sowohl die Finanziererseite, als auch die Darlehensnehmerseite wird und wurde teilweise von den Problemen bei ihren Engagements überrascht. Wie wir aus vielen Gesprächen wissen, müssen Entwickler oftmals erst realisieren und verstehen, dass ihr Eigenkapital weg ist. Dieser Prozess ist schmerzhaft und kann Zeit in Anspruch nehmen. 

Developments aller Nutzungsarten betroffen

Wie sehen aktuelle Fälle in der Praxis aus? Unserer Erfahrung nach können alle Nutzungsarten betroffen sein. Die Probleme treten unabhängig von der Art der Immobiliennutzung auf – obwohl bei Wohnen und Logistik die Perspektiven aktuell noch etwas besser sind. Vor großen Problemen steht vor allem das Bürosegment und der stationäre Einzelhandel.

Des Weiteren geraten Projektentwicklungen in ganz unterschiedlichen Stadien in Zahlungsprobleme: Es kann sein, dass sich die Immobilie kurz vor Fertigstellung befindet. Aber es ist auch möglich, dass noch nicht gebaut wurde oder dass noch nicht einmal die Baugenehmigung vorliegt. 

Wie sollten Finanzierer und Entwickler weiter vorgehen, wenn klar ist, dass es ein Problem mit einer finanzierten Bestandsimmobilie oder einer Projektentwicklung gibt? Die Hauptakteure, das können neben dem Darlehensgeber und dem Darlehensnehmer auch weitere Beteiligte sein wie etwa Projektsteuerer oder wesentliche Auftragnehmer, müssen sich an einen Tisch setzen, offen miteinander sprechen und eine ordentliche und möglichst objektive Analyse der aktuellen Situation machen. Der erste Schritt sollte eine Einigung darüber sein, sich gegenseitig alle relevanten Informationen zur Verfügung zu stellen. Zudem wird oft eine Stillhaltevereinbarung zwischen den Parteien geschlossen. Diese Vereinbarung, die unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist, legt fest, dass beide Seiten für den Zeitraum der Analyse und der Prüfung der Möglichkeiten, keine weiteren Maßnahmen einleiten werden. So kann ein andernfalls erforderlicher Insolvenzantrag vermieden und die Möglichkeit einer Einigung über eine außerinsolvenzliche Lösung geschaffen werden.

Beratung mit Immobilien- und Restrukturierungs-Knowhow

In vielen Fällen ist es sinnvoll, einen speziellen Berater für leistungsgestörte Darlehen hinzuzuziehen. Dieser verbindet zwei Arten von Kompetenz: Er hat Restrukturierungs-Knowhow, das viele rechtliche Themen umfasst. Dies ist notwendig, da sowohl die Themen Restrukturierung als auch das Insolvenzrecht sehr komplex sind. Parallel dazu verfügt er über die notwendige immobilienwirtschaftliche Expertise und eine umfassende Marktkenntnis. Viele Banken haben dieses Knowhow in den Boomjahren abgebaut und andere, neue Immobilienfinanzierer hatten bisher aufgrund der guten Marktphase keine Veranlassung, dieses aufzubauen.

Ein weiterer Vorteil: Die Praxis hat gezeigt, dass es extrem hilfreich sein kann, wenn eine externe, erfahrene und neutrale Person mit in die Verhandlungen einsteigt oder die Verhandlungen führt. Diese Person ist nicht durch die existierende Geschäftsbeziehung bzw. Vorgeschichte belastet und frei von Interessenkonflikten. Dadurch kann ein Externer manche Punkte und Probleme direkter und offener ansprechen und moderieren.

Welches Ergebnis kann in einem solchen Prozess optimalerweise erreicht werden? Das hängt sehr vom Einzelfall ab und kann nur von Fall zu Fall beurteilt werden.

Ein gutes Ergebnis wäre natürlich eine volle Darlehensrückführung beziehungsweise Fortführung des Darlehens ohne bzw. unter Beseitigung der bestehenden Leistungsstörungen – ggf. zu neuen Bedingungen. Ein schlechtes Ergebnis wäre dagegen, wenn alle verlieren – das heißt, wenn der Finanzierer nur einen geringen Teil des Darlehens zurückbekommt und der Entwickler oder Investor die Immobilie verliert.

Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass sich in einem professionell moderierten Prozess oftmals bessere Lösungen finden lassen, als zunächst erwartet. Daher sollte unserer Meinung nach grundsätzlich immer erst einmal versucht werden, eine einvernehmliche Einigung zu erreichen. Eine solche ist einem Insolvenzverfahren in aller Regel vorzuziehen. Dafür müssen aber beide Seiten mitmachen und auch zu Konzessionen bereit sein.

Gleichwohl gibt es in der Praxis die Fälle, in denen der Insolvenzantrag nicht zu vermeiden ist. Hier ist es wichtig zu verstehen, dass dies nicht gleichbedeutend mit dem Ende der Welt oder dem vollständigen Wertverlust ist. Es gibt auch im Rahmen des Insolvenzregimes viele Möglichkeiten, um ein gutes Ergebnis für den Darlehensgeber zu erreichen. Gerade mit Blick auf die Vielzahl der derzeitigen Insolvenzen im Projektentwicklungsbereich ist zum Beispiel hervorzuheben, dass bei entsprechender Bereitschaft der beteiligten Finanzierer in vielen Fällen auch eine Fertigstellung des Bauprojekts im laufenden Insolvenzverfahren möglich ist.

Insgesamt hat sich der Standard für Insolvenzen von Immobilienunternehmen in Deutschland seit der Finanzkrise von 2008 deutlich verbessert. War damals beispielsweise ein professionelles externes Property- und Assetmanagement mit investorenfreundlichen Reportings noch weitgehend unbekannt, haben sich in den folgenden Jahren viele Insolvenzverwalter darauf spezialisiert. Mittlerweile gehört es jedenfalls in den erfahrenen und versierten Insolvenzverwalterbüros zum selbstverständlich akzeptierten Standartrepertoire.

Fazit: Bei leistungsgestörten Finanzierungen von Projektentwicklungen gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, bevor es zu einem Insolvenzantrag kommt. Diese sollten so schnell wie möglich zwischen Darlehensnehmer und Darlehensgeber ausgelotet werden. Auch wenn eine Insolvenz in der Regel nur die zweitbeste Lösung ist, sollte bei den Überlegungen auch ein professionell begleitetes Insolvenzverfahren als Lösungsmöglichkeit zumindest berücksichtigt werden. Generell gilt: Die Komplexität der Sachverhalte ist hoch und die zu berücksichtigenden Interessenslagen sind heterogen. Um eine möglichst optimale Lösung zu finden, hilft es, ein spezialisiertes Beratungsunternehmen einzubeziehen. Dabei ist wichtig, dass dieses über Restrukturierungs- und Immobilienexpertise gleichermaßen verfügt und nicht nur rechtliche, sondern auch immobilienwirtschaftliche Fragestellungen mit abdecken kann.  

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von BF.direkt AG & GT Restructuring
Erstveröffentlichung: Börsen Zeitung, September 2023

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