03.04.2024

Auf den Hype folgt Ernüchterung

Die Digitalisierung der Baubranche stockt

Rebekka Berbner, Partnerin, PwC Deutschland
Christian Elsholz, Partner, PwC Deutschland
Rebekka Berbner

Der Boom in der Baubranche ist vorbei. Stattdessen kämpfen die Unternehmen mit Auftragsflaute, steigenden Kosten und volatilen Preisen. Eine PwC-Studie hat untersucht, wie Unternehmen die aktuelle Situation einschätzen und welche Rolle Digitalisierung & Nachhaltigkeit dabei spielen. The Property Post sprach mit Rebekka Berbner (RB) und Christian Elsholz (CE), beide Partner im Bereich Capital Projects & Infrastructure bei PwC Deutschland, über die Ergebnisse der Befragung – und was diese für die Branche bedeuten.

The Property Post: Sie haben Bau- und Planungsunternehmen zur wirtschaftlichen Situation und zu Zukunftserwartungen befragt. Welche Ergebnisse stehen besonders hervor?
Rebekka Berbner:
Die Ergebnisse unserer Befragung machen deutlich, dass die Bau- und Planungsunternehmen die aktuellen Krisen mit voller Wucht zu spüren bekommen. Besonders alarmierend ist, dass drei Viertel der Unternehmen berichten, dass ihnen Aufträge wegbrechen. Das sind deutlich mehr als im Vorjahr, als nur 55 Prozent über den Wegfall von Projekten klagten. Aber auch die Volatilität der Preise und der erhöhte Kostendruck setzen den Unternehmen nach wie vor zu. Der Boom in der Bauindustrie ist also definitiv vorbei. In der Folge sehen die Befragten große Veränderungen auf die Branche zukommen: Zwei Drittel wollen neue Geschäftsfelder entwickeln. Die Hälfte geht gar davon aus, dass sie ihr Unternehmen komplett neu ausrichten müssen, um zukunftsfähig zu bleiben. 

TPP: Was lässt sich daraus ableiten?
Christian Elsholz:
Die Studienergebnisse verdeutlichen, dass großer Handlungsbedarf besteht. Um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen die Unternehmen jetzt aktiv werden und etwas verändern. Ein „Weiter so“ wird nicht reichen. Zum einen sind strategische Anpassungen nötig. Bau- und Planungsunternehmen müssen ihre Geschäftsmodelle auf den Prüfstand stellen und falls nötig anpassen, um den veränderten Marktbedingungen gerecht zu werden. Eine solche Anpassung kann beispielsweise die Entwicklung neuer Geschäftsfelder bedeuten oder Umstrukturierungen innerhalb des Unternehmens. Mindestens ebenso wichtig ist es, verstärkt in digitale Lösungen zu investieren. Es braucht eine zielgerichtete Strategie, die die Potenziale digitaler Technologien voll ausschöpft.

TPP: Abgefragt wurden auch Stand und Perspektiven der Digitalisierung. Was ist dabei zutage getreten?
RB:
Der Branche ist es in den vergangenen Jahren leider nicht gelungen, bei der Digitalisierung signifikante Fortschritte zu machen. Im Gegenteil: Unternehmen schätzen in der aktuellen Befragung nicht nur die Potenziale digitaler Lösungen geringer ein als noch im Vorjahr, sondern auch ihre eigenen Fähigkeiten im Umgang damit. Der anfängliche Hype rund um digitale Lösungen ist also einer gewissen Ernüchterung gewichen. Das liegt auch daran, dass es an Anreizen fehlt, die den Transformationsprozess vorantreiben könnten. Bei Vergaben beispielsweise werden digitale Lösungen noch viel zu selten gefordert.

CE: Ein gewisser Realismus ist zwar im Umgang mit digitalen Lösungen angebracht, man muss nicht auf jeden Zug aufspringen, doch ohne konsequente Digitalisierung droht die Baubranche auch im internationalen Vergleich den Anschluss zu verlieren. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen die Unternehmen deshalb dringend ihre digitalen Kompetenzen ausbauen und in innovative Technologien investieren.

TPP: Zur Implementierung von ESG-Kriterien waren die Ergebnisse erfreulicher, richtig?
RB:
Ja, im Umgang mit dem Thema Nachhaltigkeit zeigen sich in diesem Jahr deutliche Fortschritte: Inzwischen haben 70 Prozent der Unternehmen allgemeine oder projektspezifische Nachhaltigkeitsstandards eingeführt. Das ist ein Anstieg um neun Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr. Das zeigt: Die Bauindustrie ist durchaus bereit, notwendige Veränderungen anzunehmen und nachhaltiger zu agieren – insbesondere dann, wenn gesetzliche Vorgaben und Anforderungen von Auftraggebern, Kunden und Investoren dies vermehrt einfordern. Bei der Umsetzung der Nachhaltigkeitsstandards besteht jedoch noch Luft nach oben: Nur gut ein Drittel der Unternehmen setzt diese bereits vollumfänglich um.

TBB: Pain Point bleibt also offensichtlich die schleppende Digitalisierung und damit Transformation von Bau- und Planungswirtschaft. Wer muss handeln, damit mehr Dynamik entsteht?
CE:
Die Digitalisierung und Transformation der Bau- und Planungswirtschaft geht in der Tat viel zu langsam voran – und das ist ein großes Problem. Um diesen Prozess zu beschleunigen, müssen Bauherren, Politik und Unternehmen an einem Strang ziehen: Die Auftraggeber können viel bewirken, indem sie digitale Lösungen bei Ausschreibungen konsequenter einfordern. Aber auch die Politik ist gefragt: Häufig braucht es verbindliche gesetzliche Vorgaben, um einen Veränderungsprozess in Gang zu bringen. Das zeigt sich im Bereich ESG sehr deutlich: Durch Vorgaben wie das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz oder die EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung ist das Thema in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt und es hat sich viel bewegt. Letztendlich müssen aber auch die Bauunternehmen selbst bereit sein, sich ganzheitlich und konsequent zu transformieren und zu digitalisieren. Nur so können sie langfristig wettbewerbsfähig bleiben.

 

Die PWC-Studie „Bauindustrie unter Druck“ kann unter https://www.pwc.de/baustudie kostenlos heruntergeladen werden.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von PwC Deutschland
Erstveröffentlichung: The Property Post, April 2024

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