05.12.2023

Potenziale am UK-Logistikimmobilienmarkt

"Möglicherweise steuern wir auf einen der günstigsten Investitionszeitpunkte seit Jahrzehnten zu."

Chris Hornung, Managing Director UK, GARBE Industrial Real Estate UK Ltd
Chris Hornung

Chris Hornung ist zuständig für die Unternehmensexpansion bei GARBE Industrial Real Estate UK Ltd in Großbritannien. Im Gespräch erläutert er die Unterschiede zwischen dem britischen und dem deutschen Logistikimmobilienmarkt und spricht über Potenziale, Rahmenbedingungen und Investmentperspektiven in Großbritannien.

 

Mit seiner hohen Zahl an Marktteilnehmern gilt der britische Logistikimmobilienmarkt als ausgesprochen wettbewerbsintensiv. Warum engagiert sich GARBE trotzdem so stark auf diesem Markt?

Der britische Logistikmarkt ist nach wie vor äußerst attraktiv sowohl für Investoren als auch für Entwickler weltweit, und zwar ungeachtet der aktuellen Marktkonjunktur und aller geopolitischen Verwerfungen. Der Markt weist eine ganze Reihe von kurz- und langfristigen Chancen für Entwickler und Investoren auf, die GARBE auf jeden Fall zu nutzen beabsichtigt.

Was den Markt von je her attraktiv gemacht hat, sind seine Transparenz sowie seine politisch und finanziell stabilen Rahmenbedingungen. Dabei ist es wichtig, in die Tiefe zu gehen und die Schlüsselfaktoren zu identifizieren, die das heutige Marktgeschehen bestimmen und die GARBE für die kurz- und langfristigen Markttreiber hält.

Mittlerweile hat der Markt die Talsohle durchschritten und befindet sich aktuell in einer bemerkenswerten Phase der Bodenbildung. Verglichen mit dem übrigen Europa und anderen Regionen der Welt erfolgte die Preiskorrektur in Großbritannien rascher und deutlicher. Die Preisfindung auf dem britischen Markt hat also gerade ihren Tiefpunkt erreicht. Was den Ausblick betrifft, so rechnen wir damit, dass sich in den kommenden 12 bis 18 Monaten attraktive Investmentgelegenheiten sowohl bei Entwicklungsprojekten als auch bei Bestandsinvestitionen ergeben werden.

Gleichzeitig bietet die britische Finanzierungslandschaft interessante Optionen. Im Unterschied zu vielen anderen europäischen Ländern sind Banken hier weiterhin zur Finanzierung von Logistikentwicklungen bereit.

Selbst für spekulative Projektentwicklungen werden Kredite ausgereicht, sofern der Auftraggeber seriös ist und über eine solide Erfolgsbilanz verfügt. Tatsächlich bieten viele namhafte Kreditinstitute nach wie vor solche Finanzierungen an, so dass dies eine durchaus gangbare Option für Investments im Logistikbereich darstellt.

Der Markt zeichnet sich durch eine vielfältige Mieterbasis aus, die ein breites Spektrum an Unternehmen umfasst. Dazu gehören u. a. E-Commerce-Unternehmen, externe Logistikanbieter (3PL) und Großhändler. Die Vielfalt auf Nutzerseite stellt einen strategischen Vorteil dar, denn sie macht es relativ einfach, das Risiko der Abhängigkeit von nur einer Branche zu vermeiden. Aber auch die Nutzerlandschaft durchläuft einen Wandel, etwa indem Rechenzentren zu einem wichtigen Bestandteil der nationalen Infrastruktur werden und den Druck auf das begrenzte Flächenangebot weiter erhöhen.

Dementsprechend weist der Markt ein hohes Potenzial für Mietzuwächse auf. Einschlägige Prognosen sagen für den Fünfjahreszeitrum von 2023 bis 2027 ein durchschnittliches Wachstum von 5.0% voraus (Colliers). Dabei ist zu beachten, dass diese Einschätzung angesichts der laufenden Expansion des Online-Handels und des eingeschränkten Angebots durchaus übertroffen werden könnte.

Großbritannien bietet zudem ein günstiges Investmentumfeld mit seinem transparenten Immobilienrecht, den steuerlichen Anreizen in bestimmten Regionen und den gängigen Optionen bei der Immobilienfinanzierung. Hinzu kommt, dass sich der britische Logistiksektor trotz konjunktureller Herausforderungen wie z. B. dem Brexit als widerstandsfähig erwiesen hat. Unternehmen passen sich an neue Realitäten im Handel und gestörte Lieferketten an und sorgen so für weiterhin hohen Bedarf an Logistikimmobilien.

 

Durch welche besonderen Merkmale unterscheidet sich der britische Logistikmarkt vom deutschen Heimatmarkt von GARBE?

Der britische und der deutsche Logistikmarkt sind jeder auf seine Art etabliert, und ein wirklich paneuropäischer Investor mit diversifiziertem Portfolio sollte Logistikobjekte in beiden Märkten im Bestand haben. Gleichzeitig aber handelt es sich um ganz unterschiedliche Märkte mit speziellen Nuancen, was es für GARBE wichtig macht, hier und anderswo in Europa direkt vor Ort zu sein.

Gewerbeimmobilien weltweit sind derzeit einem grundlegenden Wandel unterworfen, der sich mit drastischen Veränderungen in Bezug auf die Gebäudenutzung, das Zinsniveau und die Preisgestaltung verbindet. Das mag manche Investoren vor Probleme stellen, aber möglicherweise steuern wir auch auf einen der günstigsten Investitionszeitpunkte seit Jahrzehnten zu. In Großbritannien kommen eine Reihe von landestypischen Faktoren ins Spiel.

Der Logistikmarkt bewegt sich hier auf einen neuen Lieferstandard zu, da Verbraucher zunehmend nicht nur schnellere Lieferungen sondern auch Blitzzustellungen und personalisierte Lieferzeiten bei Online-Käufen erwarten. Infolgedessen wird im britischen Online-Handel mit einem Anstieg der Marktdurchdringung von heute 19% auf 35% im Jahr 2027 gerechnet. Im Vergleich dazu ist in Deutschland lediglich ein Anstieg von 13% auf 23% zu erwarten (Prognose: CBRE). Der entsprechende Logistikbedarf in Großbritannien würde die Erstellung von knapp 4,2 Mio. m² an Hallenfläche im gleichen Zeitraum erforderlich machen.

Britische Mietverträge enthalten eine sogenannte FRI-Klausel („full repairing and insuring“), welche die Verantwortung für Reparaturen und Wartung des gesamten Gebäudes auf den Mieter überträgt. Dies unterscheidet sich von der deutschen Regelung, nach welcher der Vermieter für die Reparatur und Wartung von Dach und Fach zuständig ist, und dies ist beim Vergleich von deutschen mit britischen Objekten unbedingt zu beachten, damit die ermittelten Nettoanfangsrendite die tatsächlichen Kosten von Immobilieneigentum abbilden.
Hinzu kommt, dass Mietpreise in Großbritannien aufgrund des Mangels an Bauland deutlich höher ausfallen. So steht dem Mietpreis von mittlerweile 30 €/m² in Park Royal/London eine Spitzenmiete von nur 10 €/m² in München gegenüber.

 Die Stimmung in Bezug auf die langfristige Entwicklung der britischen Industrie ist weiterhin positiv, nur die Preisvorstellungen auf Verkäufer- bzw. Käuferseite klaffen immer weiter auseinander.


Was sind derzeit die wichtigsten Nachfragefaktoren auf dem britischen Markt?

Grundsätzlich sind zwei Nachfragetreiber zu nennen, wovon einer der E-Commerce ist. Wie schon erwähnt soll die Marktdurchdringung des Onlinehandels in Großbritannien bis 2027 auf 35% ansteigen im Vergleich zu einem europäischen Durchschnitt von 19%. Innerhalb der kommenden fünf Jahre wird beim Onlinehandel mit einem Zuwachs um 29% gerechnet.

Beim anderen Nachfragetreiber handelt es sich um die strategische Lage. Großbritannien gilt als Gateway sowohl für den europäischen als auch den globalen Markt. Seine Nähe zu den großen europäischen Volkswirtschaften macht das Land zu einem attraktiven Standort für Logistik- und Distributionszentren. Die Attraktivität des Landes wird zusätzlich verstärkt durch sein effizientes Verkehrsnetz und den bequemen Zugang zu wichtigen Seehäfen wie z. B. London Gateway und Felixstowe.


In den letzten Quartalen verzeichneten die europäischen und britischen Investmentmärkte deutlich weniger Transaktionen als in den Vorjahren. Wann rechnen Sie mit einer Wiederbelebung des britischen Investmentmarktes?

Das ist natürlich die ganz große Frage. Sie lässt sich tatsächlich auch nicht beantworten, denn der Markt wird von so vielen Faktoren beeinflusst, darunter wirtschaftliche Rahmenbedingungen, geopolitische Ereignisse und globale Trends. In Großbritannien beliefen sich die industriellen Investmentvolumen im ersten Halbjahr 2023 auf 5,8 Mrd. €, was insofern für Unruhe sorgte, als es einen Rückgang von 56% im Vergleich zum Vorjahr bedeutet. Dabei wurde allerdings übersehen, dass der Betrag mehr oder weniger dem Fünfjahresdurchschnitt für erste Halbjahre der Vor-Corona-Zeit in Höhe von 4,9 Mrd. € entspricht.

Die Stimmung in Bezug auf die langfristige Entwicklung der britischen Industrie ist weiterhin positiv, nur die Preisvorstellungen auf Verkäufer- bzw. Käuferseite klaffen immer weiter auseinander.

Es steht jede Menge Kapital bereit, das darauf wartet, dass sich der Markt stabilisiert hat, und in den letzten sechs Monaten verzeichneten wir eine starke Nachfrage nach Value-Add-Objekten, deren Wertentwicklung sich durch aktives Asset-Management optimieren ließe. Opportunistische Käufer hoffen ganz offensichtlich auf Bestände, die in Schieflage geraten sind, doch bislang hat sich an der soliden Marktkapitalisierung nichts geändert. Trotzdem rechnen wir damit, dass sich im Lauf des Jahres 2024 interessante Gelegenheiten am Markt ergeben und zwar bei Kreditnehmern, deren Bestände sich nicht refinanzieren lassen und stattdessen zwangsversteigert werden.

Wir gehen davon aus, dass die Inflation in Großbritannien weiter sinken und der Basiszinssatz nicht weiter angehoben wird, und können uns für das kommende Jahr eine leichte Renditekompression vorstellen, die im ersten Halbjahr 2024 das Marktgeschehen beleben dürfte.


Welche Regionen betrachten Sie als die potenziellen Aufsteiger der britischen Logistiklandschaft? Inwiefern unterscheiden sie sich von klassischen Logistikregionen wie London oder Birmingham?

Der britische Markt ist geprägt von regionalen Unterschieden in Bezug auf die Ausgestaltung von Infrastruktur, Branchenclustern und Verkehrsnetzen. Für Investoren und Entwickler ist es unabdingbar, die regionale Dynamik zu verstehen, denn die Struktur neu entstehender Zentren wird durch Nutzer bestimmt, indem sie ihre Netzwerkplanung optimieren, strategische Partnerschaften eingehen und konkrete Anforderungen der Wirtschaft bedienen.

Das „goldene Dreieck“ der britischen Logistik in den West Midlands nahe Birmingham ist dank seiner guten Anbindung an den Rest des Landes von jeher ein klassischer Schwerpunkt. Von hier aus sind 90% der britischen Bevölkerung binnen 4 Stunden Fahrzeit zu erreichen. Zwar wird die Nachfrage nach Flächen in London und Birmingham auch künftig hoch sein, doch aufgrund der veränderten Dynamik und der Suche nach günstigeren Lösungen seitens der Logistikbetreiber bilden sich neue Märkte heraus.

Zu den aufstrebenden Zentren im nördlichen England in und um Manchester gehört etwa Warrington als mittlerweile etablierter Standort und in jüngster Zeit auch Standorte in Yorkshire und an der Humber-Mündung.

Ein weiterer Aufsteiger ist Avonmouth (Bristol) im Südwesten Englands, wo im Lauf der letzten zehn Jahre viele großflächige Logistiklager entstanden, darunter die mit 82.000 m² größte spekulativ errichtete Lagerhalle überhaupt.

Ferner zu nennen sind Seehäfen, die dank der erhöhten Nachfrage durch 3PL-Unternehmen und der Verfügbarkeit von günstigem Strom in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen dürften. Auch Flächen in und um die Hafenstädte Felixstowe, Southampton, Liverpool und Hull erfreuen sich nach unseren Beobachtungen wachsender Beliebtheit.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von GARBE Industrial Real Estate UK Ltd
Erstveröffentlichung: Garbe Industrial Blog

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