15.02.2023

Alarmsignale für Berlins Wohnungsbau

Kommt nach der Wahl endlich ein Kurswechsel?

Jacopo Mingazzini, Vorstand, The Grounds Real Estate Development AG
Jacopo Mingazzini

Wenige Tage nach der Berliner Wiederholungswahl zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen sind die Perspektiven für den Wohnungsbau in Berlin schlicht und einfach nur als dramatisch zu bezeichnen. Denn binnen weniger Tage wurde deutlich, dass sich das Negativszenario, das den Berliner Wohnungsmarkt immer stärker prägt, sich weiter beschleunigt und verstärkt. Schon seit geraumer Zeit steht der hohen Wohnungsnachfrage ein immer knapper werdendes Angebot gegenüber. Doch statt den Wohnungsneubau mit allen Kräften zu fördern, hat sich Berlins rot-grün-rote Landesregierung in den vergangenen Jahren immer stärker darauf fokussiert, das Entstehen neuer Wohnungen zu verhindern. Geschah dies anfangs eher indirekt durch untaugliche Regulierungsversuche wie den letztlich gescheiterten „Berliner Mietendeckel“, so haben sich führende Vertreterinnen und Vertreter der drei bisherigen Koalitionsparteien in den letzten Wochen ganz offen und aktiv für den Stopp von mehreren größeren Bauprojekten ausgesprochen, wo jeweils vierstellige Zahlen von Wohnungen hätten entstehen können. Das allein wäre schon ein fatales Signal angesichts der Wohnungsmarktsituation in Berlin. Doch fast zeitgleich ertönten zwei weitere Alarmsignale: Zum einen hat sich die durchschnittliche Zeit bis zur Verabschiedung eines Bebauungsplanes in Berlin noch weiter verlängert, und zum anderen erreichte die Einwohnerzahl Berlins zum Jahresende 2022 mit mehr als 3.850.000 einen neuen Höchststand, nachdem im Laufe des Jahres mehr als 75.000 Personen neu nach Berlin gekommen waren.

Schon vor einigen Jahren hatte Berlin für unrühmliche Schlagzeilen gesorgt, als bekannt wurde, dass im Schnitt acht Jahre ins Land gehen, bis ein neuer Bebauungsplan festgesetzt werden kann. Laut einer aktuellen Studie, die das Forschungsinstitut bulwiengesa im Auftrag des BFW Landesverbandes Berlin/Brandenburg e. V. durchgeführt hat, sind daraus inzwischen rund zehn Jahre geworden. Dabei dauert ein B-Plan-Verfahren im ,schnellsten‘ Bezirk immer noch fast siebeneinhalb Jahre, während die berlinweit längste Bearbeitungsdauer in Neukölln sogar bei mehr als zwölf Jahren liegt. Etwa so lange braucht auch ein Kind von der Einschulung bis zum Abitur. Die Zeitdauer vom Erwerb eines Baugrundstücks bis zu einem möglichen Beginn der Baumaßnahmen habe sich innerhalb eines Jahres um etwa ein Drittel verlängert, so der BFW.

Die Geschäftsführerin des BFW Landesverbandes, Susanne Klabe, erklärte dazu, angesichts dieser Zahlen sei es kein Wunder, dass nicht nur Mitgliedsunternehmen des BFW, sondern auch große Marktteilnehmer – wie zum Beispiel Vonovia – von Neubauprojekten absähen. Das wirtschaftliche Risiko sei infolge ewiger Wartezeiten sowie in schwierigem wirtschaftlichem Gesamtumfeld zu groß. In Berlin seien nicht nur hohe Zinsen und Baukosten das Problem. Viele Projektentwickler planten inzwischen lieber in Brandenburg als in Berlin, weil Politik und Verwaltung dort schneller und lösungsorientierter aufgestellt seien. Insgesamt, so Klabe weiter, sei das Berliner Planungs- und Genehmigungsverfahren ein echter Standortnachteil im Vergleich zu anderen Bundesländern, zu welchem noch Enteignungsdiskussionen sowie die allgemeine Kostenentwicklung dazukämen. Sie verwies auf den drastischen Anstieg des wirtschaftlichen Risikos, vor allem für kleine und mittlere Immobilienentwickler, da der Kauf eines Grundstücks in Berlin sehr viel Kapital binde. Dieses liege dann aktuell für durchschnittlich zehn Jahre fest, wobei man überhaupt nicht wisse, ob das geplante und kalkulierte Projekt jemals gebaut werden kann. Dem fertigen Projekt drohe dann möglicherweise auch noch die Enteignung.

Dem ist nichts hinzuzufügen, denn schon die bisherige Dauer der Berliner B-Plan-Verfahren war ein großes Problem. Doch statt einer Verbesserung hat sich das allseits bekannte Problem weiter zugespitzt. Das ist umso bedauerlicher, als die Dauer dieser Verfahren ein Faktor wäre, der sich im Unterschied zu Preisen, Zinsen oder externen Schocks direkt vor Ort in Berlin beeinflussen ließe. Da ein Ende des Bevölkerungswachstums in Berlin nicht absehbar ist, wäre hier dringend ein Umsteuern geboten. Die Zeit drängt, und wer immer die nächste Landesregierung in Berlin bilden wird, muss sich entscheiden: Gibt es ein "Weiter so" mit immer dramatischeren Folgen für den Berliner Wohnungsmarkt oder kommt es zu einem fundamentalen Kurswechsel inklusive Ende der Enteignungsdebatte, Beschleunigung des Neubaus, Verzicht auf den Stopp von großen Bauprojekten und Mobilisierung von möglichst vielen potenziellen Bauflächen.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von The Grounds Real Estate Development AG
Erstveröffentlichung: 15.02.2023

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