12.03.2015

Vom Wertpapiergeschäft lernen

Risikomanagement im Immobiliensektor

Dr. Heiko Beck, COO und Mitglied der Geschäftsführung, Union Investment Real Estate GmbH
Dr. Heiko Beck

Während das Risikomanagement im Wertpapier- und Kapitalmarktgeschäft sehr weit entwickelt ist, hat der Immobiliensektor noch Nachholbedarf. Allerdings nimmt die Bedeutung des Risikomanagements bei Immobilieninvestments deutlich zu – nicht zuletzt aufgrund der deutlich gestiegenen Komplexität der Risiken. Erfahrungen aus dem Wertpapierbereich können dabei Impulse für den Immobilienbereich geben.

Immobilienmärkte und Kapitalmärkte wachsen immer enger zusammen. Daher stellt sich die Frage, inwieweit sich bestimmte Instrumente und Strukturen von den Kapitalmärkten auf die Immobilienmärkte übertragen lassen. Dies gilt insbesondere für das Risikomanagement. Vergleicht man Wertpapier- und Immobilienbereich miteinander, wird schnell klar: In der Immobilienwirtschaft steckt das Risikomanagement – trotz aller Fortschritte der vergangenen Jahre – noch in den Kinderschuhen, während es im Wertpapierbereich längst etabliert ist.

In der Praxis ist das Risikomanagement bei Immobilienportfolios daher heute ein komplexer und mehrstufiger Prozess. Dies zeigt das Beispiel der Offenen Immobilienfonds. Ausgangspunkt ist dabei immer das so genannte „Produktversprechen“. Bei einem Offenen Immobilienfonds sind dies beispielsweise eine möglichst stabile und schwankungsarme Wertentwicklung sowie die kontinuierliche Einhaltung vorher definierter Risikogrenzwerte – etwa bei der Risikoklassifizierung, bei der Vermietungsquote oder beider Bonität der wichtigsten Mieter. Anders sieht das Produktversprechen dagegen bei einem opportunistisch investierenden Spezialfonds aus: Für die angestrebte höhere Rendite werden hier entsprechend höhere Risiken eingegangen.

Aus dem Produktversprechen wird die Risikostrategie abgeleitet. Zu deren Formulierung sind drei Schritte notwendig. Zunächst müssen die Risiken identifiziert werden. Union Investment identifiziert bei Offenen Immobilienfonds beispielsweise insgesamt 38 Risiken. Ausgegangen wird dabei stets von den Risiken auf Portfolioebene, denen die Risiken auf Einzelobjektebene folgen. Anschließend wird eine Einteilung in Marktrisiken, Liquiditätsrisiken, Adressausfallrisiken etc. vorgenommen. In einem zweiten Schritt werden alle Risiken durch Bewertungen in mehreren Subkategorien priorisiert. Im dritten Schritt wird schließlich definiert, bis zu welcher Grenze einzelne Risiken toleriert und ab wann Gegenmaßnahmen eingeleitet werden.

Aus der Priorisierung der Risiken und der Definition der Grenzen ergeben sich die konkreten Maßnahmen für die Planungsperiode. Als Maßnahmen kommen beispielsweise die Reduzierung der Fremdkapitalquote oder der Liquiditätsquote um einen bestimmten Prozentsatz, die Steigerung der Vermietungsquote oder der Ausstieg aus einem bestimmten Markt infrage.

Zur Weiterentwicklung des Risikomanagements gehört auch die Erprobung neuer Ansätze. Anregungen kann dabei die Wertpapierwelt bieten. Bei bestimmten, dort etablierten Risikomanagement-Instrumenten sollte erwogen werden, ob und inwiefern sie auf die Immobilienseite übertragen werden können. Zwei interessante Beispiele für Risikomanagementinstrumente aus dem Wertpapierbereich sind Trendfolgemodelle und dynamische Wertsicherungskonzepte. Beide zielen darauf ab, das Rendite-Risiko-Profil zu verbessern, indem Risiken kontrolliert und begrenzt werden.

Trendfolge-Modelle werden bei Aktienfonds schon lange genutzt. Mittels mathematischer Modelle werden kontinuierlich Kursdaten ausgewertet, um Trends sowie Kauf- oder Verkaufssignale zu identifizieren. Aufwärtstrends sollen nach Möglichkeit in vollem Umfang „mitgenommen“ werden. Drohende Negativentwicklungen sollen dagegen so früh wie möglich erkannt werden, um das zu verwaltende Vermögen rechtzeitig umschichten zu können – was sich mit Wertpapieren allerdings leichter umsetzen lässt als mit Immobilien.

Auch das Konzept der dynamischen Wertsicherung bietet Anregungen für den Immobiliensektor. Dabei wird das Portfolio eines Fonds zunächst in einen wertsichernden und einen wertsteigernden Teil untergliedert. Je nach Marktentwicklung wird das Vermögen zwischen beiden Portfolioteilen kontinuierlich umgeschichtet. Bei Wertpapierfonds besteht die wertsichernde Komponente in der Regel aus Anleihen, Geldmarktinstrumenten oder Bankguthaben, die wertsteigernde Komponente dagegen aus Aktien.

Eine direkte Übertragbarkeit diese oder ähnlicher Modelle ist aufgrund der großen inhärenten Unterschiede zwischen Immobilien und Wertpapieren nicht möglich.

Zum einen fehlen am Markt verfügbare detaillierte Bestandsdaten und längere Zeitreihen von Immobilien, die nicht im eigenen Bestand sind. Zum anderen ist die Transaktionsdauer bei Immobilien zu lang für kurzfristige Umschichtungen. Vielmehr muss die Branche kreative Lösungen finden, wie sie die Anregungen aus der Wertpapierwelt adaptiert und neu anwendet. Daneben müssen jedoch auch gänzlich neue Instrumente für den Immobilienbereich entwickelt werden. Das verlangen die wachsende Komplexität der Märkte und der zunehmend globale Aktionsradius vieler Asset Manager.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Union Investment Real Estate
Erstveröffentlichung: Februar 2015, Börsen-Zeitung

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