13.07.2022

Kühler Kopf statt Aktionismus

Auch das aktuelle Umfeld spricht nicht gegen Immobilien

Dr. Sven Helmer, MRICS, Geschäftsführer, LAGRANGE Financial Advisory GmbH
Dr. Sven Helmer

In den vergangenen Tagen und Wochen waren an den Immobilienmärkten einige Stimmen von Akteuren zu hören, die im Moment von Ratlosigkeit gelähmt oder von Aktionismus getrieben scheinen – und manchmal, so paradox das klingen mag, vielleicht auch beides gleichzeitig. Das zeigte sich an den Tendenzen bei den Preisen und Transaktionsvolumina in einigen Marktsegmenten ebenso wie am Kursverlauf einiger Immobilien-Aktiengesellschaften. Doch wie rational sind diese Reaktionen und gibt es aktuell wirklich einen Grund, zu Immobilien auf Abstand zu gehen?

Fassen wir kurz zusammen: Anziehende Preise waren nach langen Jahren mit minimaler Inflation bereits in den Vorjahren das Thema. Signale für ein nahendes Ende der jahrelangen Nullzinsphase deuteten sich schon seit einer Weile an. Durch den Krieg in der Ukraine und die daraus resultierenden ökonomischen Verwerfungen in der Weltwirtschaft ebenso wie in der Volkswirtschaft Deutschlands wurden die steigenden Tendenzen bei Inflation und Zinsen deutlich verstärkt, liegen aber nach wie vor in Größenordnungen, die früher den Immobilienmarkt auch nicht aus der Spur warfen.

Dazu kommt: Vor allem bei Gewerbemietverträgen, zum Teil aber auch am Wohnungsmarkt, sind Indexierungen üblich, die inflationsbedingten Wertverlusten auf der Ertragsseite entgegenwirken. Teilweise sehen wir jetzt schon deutliche Mietsteigerungen im Bereich Büro- und Logistikimmobilien. Selbst wenn man unterstellen würde, dass sich die Indexierung in einem schwierigeren konjunkturellen Umfeld nicht 1:1 durchsetzen ließe, wäre das kein Argument gegen Immobilieninvestments. Denn wer erst am Ende einer längeren Inflationsphase kauft, kauft mit Sicherheit deutlich teurer. Und steigende Material- und Baukosten wirken in gewisser Weise auch als Puffer gegen allzu starke Preisrückgänge. Möglicherweise lassen Inflation und Zinsanstieg die realen Ausschüttungsrenditen von Immobilieninvestments nachgeben, dem stehen jedoch IRR-Anstiege und perspektivisch höhere Veräußerungserlöse gegenüber. Zudem korrelieren Immobilien nicht mit anderen Assetklasse wie Aktien oder Anleihen. Ein Blick auf den Anleihemarkt zeigt, dass dort die bisherigen moderaten Zinssteigerungen bei gleichzeitig relativ hoher Inflation zu einer weiterhin sehr geringen – momentan sogar zu einer deutlich negativen – Realverzinsung führen, sodass diese Assetklasse weiter keine Alternative für Immobilieninvestoren darstellt.

Die laufende Rendite von Immobilieninvestments kann demnächst unter den gegebenen Umständen etwas geringer ausfallen als in den zurückliegenden Boomjahren. Doch mit Blick auf das Gesamtinvestment gibt es bislang keine belastbaren Argumente gegen Immobilien. Das bedeutet: Ein kühler Kopf könnte in den nächsten Jahren deutlich höhere Renditen erzielen als ein hektisches Umschichten des Portfolios oder gar eine völlige Immobilienmarkt-Abstinenz.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von LAGRANGE Financial Advisory GmbH
Erstveröffentlichung: 13. Juli 2022

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