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09.07.2015

Nachhaltiger Nachholbedarf

Immobilienunternehmen hinken bei der Integration von Nachhaltigkeitsthemen in die Firmenstrategie hinterher

Bei einer von RUECKERCONSULT ausgerichteten Tagung zum Thema „Nachhaltigkeit in der Immobilienwirtschaft – Status Quo, Ausblick und Anwendung in der Praxis“ diskutierten Ende Mai 2014 Vertreter aus der Immobilienbranche mit Experten anderer Branchen, die Nachhaltigkeit bereits als wichtigen Teil der Unternehmensstrategie verankert haben, über die künftigen Anforderungen an die Immobilienbranche. 

 Die Immobilienwirtschaft scheint abseits der Gebäudezertifizierung bei dem Thema der Implementierung von Nachhaltigkeitsstrategien und deren Berichterstattung im Vergleich zu anderen Branchen hinterherzuhinken. Und das, obwohl die Immobilienbranche auf der ökologischen Seite für 25 bis 30 Prozent des Energieverbrauchs, 20 Prozent des Wasserverbrauchs und 30 bis 40 Prozent des Abfallaufkommens direkte oder indirekte Verantwortung trägt. Außerdem stellen Investoren, Politik und Kunden höhere Anforderungen an ökonomisches, ökologisches und soziales Handeln Herauszufinden, ob dies wirklich so ist und welchen künftigen Herausforderungen sich die Branche stellen muss, war das Ziel der Expertentagung in Berlin.

Professor Dr. Michael Voigtländer, Leiter des Kompetenzfeldes Immobilienökonomik am Institut der Deutschen Wirtschaft e.V. (IW), grenzte zunächst das Universum des nachhaltigen Handelns ab. Es reicht von der reinen Fokussierung auf Corporate Citizenship über Konzepte des Corporate Social Responsibility bis zur umfassenden Corporate Sustainibilty (Unternehmerische Nachhaltigkeit). Darüber hinaus berichtet er über eine vom IW im April durchgeführte Studie über das Nachhaltigkeitsengagement deutscher Immobilienunternehmen. Befragt wurden 135 Unternehmen. Im Ergebnis berichten 14 Unternehmen nach den umfassenden Standards der GRI (General Reporting Initiative) in einem eigenen Nachhaltigkeitsbericht und 49 Unternehmen über Teilbereiche des Corporate Citizenship oder der Corporate Social Responsibility.

Ursula Mathar, Head of Sustainibility and Environmental Protection der BMW Group, ermöglichte einen Blick über den Tellerrand der Immobilienwirtschaft hinaus. Sie machte deutlich, dass bei BMW das Thema Nachhaltigkeit vom Gesamtvorstand getragen wird und Teil der Unternehmensstrategie ist. Bei jeder Unternehmensentscheidung werden die definierten Felder einer integrierten Nachhaltigkeitsstrategie berücksichtigt, Nachhaltigkeit ist Teil der Balance Score Card des Unternehmens. Dies betrifft die gesamte Wertschöpfungs- und Produktionskette. Dabei steuert BMW nicht nur die eigenen Arbeitsbedingungen, Fortbildungen, Ressourceneffizienz und den Einsatz von erneuerbaren Energien in der  Fahrzeugproduktion und der Auswahl von Verwaltungsgebäuden und Produktionsstätten. Vielmehr werden auch Lieferanten und Partner auf ihr nachhaltiges Handeln geprüft. Dies betrifft zum Beispiel auch die ökologischen Produktionsstandards der Zulieferer und ihre Arbeitsbedingungen weltweit. Ein entsprechender Kriterienkatalog ist Bestandteil der Einkaufsprozesse von BMW. Neben der Übernahme von Verantwortung im Rahmen des Klima- und Gesellschaftswandels trage die Nachhaltigkeitsfokussierung auch zur Verbesserung der Zukunftsfähigkeit insgesamt bei. Auch zu ökonomischen Kennzahlen der BMW Group wird ein positiver Beitrag geleistet, da Aktieninvestoren und Großkunden verstärkt Nachhaltigkeitskriterien in ihren Entscheidungsprozess einbeziehen. 

Susan Dreyer, Director DACH Region des CDP (Carbon Disclosure Project), bestätigte Frau Mathar dabei. Immer mehr Investoren melden dem CDP ihre klimarelevanten Kennzahlen in den Bereichen Energie, Wasser und Holzverbrauch. Insgesamt 4.500 Unternehmen, die zusammen 60 Prozent der globalen Marktkapitalisierung sämtlicher Börsen ausmachen. Der Grund sei einfach. Der vom CDP ermittelte CDP-Score und das daraus abgeleitete Rating sind mittlerweile fester Bestandteil von Börsendiensten und Rating Agenturen wie Bloomberg ESG Data, Google Finance, Dow Jones Sustainibility Index oder MSCI ESG Research. Dass sich ein Engagement beim CDP auch wirtschaftlich lohnt, zeigt sie anhand der Wertentwicklung von Unternehmen des Global500 Index. Unternehmen, die ihre Klimadaten an das CDP im Vergleichszeitraum von 2005 bis 2013 gemeldet haben, zeigten eine um 33 Prozent bessere Aktienkursentwicklung, als Unternehmen des Global500 Index, die nicht meldeten. 

Thies Grothe, Referent für Nachhaltigkeit, Energie und Umwelt im ZIA e.V., machte deutlich, dass der führende deutsche Branchenverband die Nachhaltigkeitsorientierung in die Unternehmensführung deutscher Immobilienunternehmen ebenfalls fördern will. Hierzu hat der ZIA mit dem „ZIA Nachhaltigkeitsleitfaden“ einen Wegweiser mit aus Immobiliensicht relevanten Kennzahlen entwickelt, der der Heterogenität der Immobilienwirtschaft Rechnung trägt. Dabei werden Kennzahlen für Unternehmen verschiedener Wertschöpfungsstufen, wie Projektentwickler, Investoren, Betreiber und Vermieter, Finanzierer, Nutzer, Berater sowie für die Forschung und Lehre empfohlen. 

Michael Werner, Partner und Leiter Sustainibilty Services bei PricewaterhouseCoopers AG, machte deutlich, dass am Anfang einer Nachhaltigkeitsberichterstattung die Verankerung einer Nachhaltigkeitsstrategie stehen muss, die sich klar an den Unternehmenszielen, dem Unternehmensgegenstand und den Stakeholdern des Unternehmens ausrichten müsse. Ohne diese Strategieentwicklung und dem Bekenntnis zu einer nachhaltigen Unternehmensführung bleibe jede Berichterstattung nur ein Marketinginstrument und sei in sich schon nicht nachhaltig. Als Stakeholder definiert er Politik und Regulierung, Kapitalgeber, Kunden sowie auch die kritische Öffentlichkeit. Ferner weist er darauf hin, dass auch die EU die Vorgaben zur Berichterstattung von sogenannten „nicht finanziellen Leistungsindikatoren“ im Lagebericht für bestimmte Unternehmensgrößen verschärfen wird und es heute mit der DRS 20 Vorgaben zur Berichterstattung im Lagebericht gebe.

Thomas Rücker, Geschäftsführender Gesellschafter der RUECKERCONSULT GmbH, weist ergänzend darauf hin, dass Unternehmen eine Orientierung für Kennzahlen und Berichterstattungen beim GRI mit Ergänzungen für Unternehmen aus der Bau- und Immobilienwirtschaft (CRESS), den IIRC Integrated Reporting Framework, dem Deutschen Nachhaltigkeitskodex, dem ZIA Nachhaltigkeitsleitfaden oder auch dem neuen Leitfaden des GdW zur „Berichterstattung über wirtschaftliches, ökologisches und soziales Engagement von Wohnungsunternehmen“ bekommen können. Bei einer Orientierung an den GRI Standards sei dabei wichtig, sich jetzt schon auf die Berichterstattung nach den GRI G4 einzustellen, die ab 2016 zum tragen kommen. 

Einen Einblick über den Branchenstatus aus Unternehmenssicht gaben Maria Hill, Head of Corporate Relations & Sustainibility der ECE Projektmanagement GmbH & Co. KG, und Dr. Rüdiger Mrotzek, Vorstand der Hamborner REIT AG, die jeweils für die Nachhaltigkeitsberichte ihrer Unternehmen verantwortlich sind. 

So sieht sich ECE als festen Bestandteil einer nachhaltigen Stadtentwicklung und daher auch in der Verpflichtung hierzu einen festen und transparenten Beitrag zu leisten.  ECE erstellt seit dem Jahr 2007 Nachhaltigkeitsberichte und hat als erstes Immobilienunternehmen in Deutschland einen externen Nachhaltigkeitsbeirat gegründet, der das eigene Nachhaltigkeitsteam unterstützt, die relevanten Themen für das nachhaltige Handeln von ECE zu definieren und damit direkten Einfluss auf die Weiterentwicklung der Nachhaltigkeitsstrategie von ECE nimmt. 

Die Hamborner REIT AG hat im Jahr 2013 ihren ersten Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht. Hamborner leitet seine Nachhaltigkeitsstrategie aus der Verpflichtung zur Coporate Governance, also einer verantwortlichen Unternehmensführung auf der ökonomischen, ökologischen und sozialen Ebene, ab. Für Hamborner bedeutet Nachhaltigkeit unternehmerisches Wachstum mit nachhaltigem und verantwortlichem Wirtschaften untrennbar miteinander zu verbinden. Hierzu will Hamborner auch ihre Mieter aktivieren, um nicht nur auf Unternehmens-, sondern auch auf Gebäudeebene transparent berichten zu können. Darüber hinaus betont Mrotzek, dass eine Orientierung an Nachhaltigkeitskriterien für eine zunehmende Anzahl von Investoren ein Kriterium für Aktienengagements wird und Hamborner auch auf der Mieterseite eine zunehmende Sensibilisierung für ökologisch effiziente Gebäude wahrnimmt.

Fazit der Tagung: 

  • Die Sensibilisierung von Immobilienunternehmen für eine nachhaltige Unternehmensführung hat begonnen 
  • Beispiele von Unternehmen aus anderen Branchen zeigen, dass mit einer integrierten Nachhaltigkeitsstrategie nicht nur eine Pflicht erfüllt wird, sondern auch überdurchschnittliche wirtschaftliche Erfolge erzielt werden
  • Der Druck seitens der Gesetzgebung, von Investoren und Kunden auf nachhaltiges Handeln und eine transparente Berichterstattung hierüber nimmt zu 
  • Vor einer Nachhaltigkeitsberichterstattung muss zunächst eine Nachhaltigkeitsstrategie, die sich in die Unternehmensstrategie und die Unternehmensprozesse integriert, entwickelt werden. Umgekehrt hat sich in der Praxis jedoch auch gezeigt, dass das Reporting den strategischen Prozess beschleunigen kann oder überhaupt erst in Gang bringt. 
  •  Welche Art der Berichterstattungsstandards gewählt wird ist sekundär. Für börsennotierte Immobilienunternehmen empfiehlt sich jedoch eine Orientierung an den GRI-Standards, da sie der internationale Standard bei Investoren sind

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von RUECKERCONSULT
Erstveröffentlichung: Mai 2014

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Bilder zur Tagung: 

"Nachhaltigkeit in der Immobilienwirtschaft"

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Hier können Sie das Tagungsbuch downloaden: 

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