27.04.2022

Europäische Ferienhotellerie

Anton Tjoonk, Vorstandsvorsitzender, EV Asset Management AG
Anton Tjoonk

Die letzten beiden Jahre waren nicht einfach für die Hotellerie: Im Zuge der Corona-Pandemie setzten Beherbergungsverbote, Reduzierung oder Ausfall von Geschäftsreisen und Veranstaltungen, strenge Auflagen bei Öffnungen und Personalmangel der Branche zu. Eine Analyse von mrp hotels im Auftrag von Engel & Völkers Asset Management zeigt jedoch, dass Hotellerie nicht gleich Hotellerie ist. Betrachtet wurden dabei exemplarisch Hotels in Zentraleuropa im Jahr 2020 bzw. 2019. So hat sich die Ferienhotellerie deutlich schneller von Pandemie-bedingten Einschränkungen erholt als die Stadthotellerie. Während Ferienhotels nach den Beherbergungsverboten und Reisebeschränkungen sogar eine höhere Auslastung und teilweise auch gestiegene Zimmerraten verbuchen konnten als zuvor, hat es die Stadthotellerie nicht geschafft, sich auf Vor-Krisen-Niveau zurück zu bewegen.  

 

Ein Grund für die großen Unterschiede zwischen Stadt- und Ferienhotellerie dürfte sein, dass sich das Arbeitsleben zwischenzeitlich ins Virtuelle verlagert hat. Durch die Erfahrungen mit Homeoffice und Videokonferenzen ist die Entwicklung bei Geschäftsreisen noch nicht wieder auf Vor-Pandemie-Niveau angekommen. Auch größere Veranstaltungen sind nach wie vor mit Unwägbarkeiten in der Organisation verbunden, es wird zurückhaltend geplant. Die Reiselust hingegen hat sich durch die Corona-Pandemie noch verstärkt - es ging während der Pandemie allerdings weniger in die großen Metropolen, sondern an Ziele, die mit Naturerlebnissen und der Möglichkeit, Abstand zu halten, lockten.

Insgesamt können wir, auch durch die Corona-Pandemie, neue Trends im Reiseverhalten beobachten, die sich auf den Betrieb von Ferienhotels auswirken. Verstärkt hat sich der Wunsch nach Flexibilität: Reisende buchen häufiger erst kurzfristig. Wer sich weit im Voraus für eine Reise entscheidet, erwartet faire Stornierungsmöglichkeiten. Für Hotelbetreiber erschwert dies die Ressourcenplanung enorm.

Festzustellen ist auch, dass die Reiseziele näher am Wohnort liegen. Dieser Trend zum Regionalen wird vermutlich noch zunehmen. Zum einen möchten Reisende in Coronazeiten die Möglichkeit haben, schnell wieder zu Hause sein, möglichst mit dem eigenen Auto. Zum anderen beobachten wir den Trend, dass heute häufiger gereist wird, dafür aber kürzer. Das verlängerte Wochenende, ein paar Tage raus: Dafür werden Ziele gesucht, die innerhalb von maximal drei bis vier Stunden erreicht werden können.

Bei der Hotelauswahl spielen auch Nachhaltigkeitskriterien eine immer größere Rolle. Regionale Produkte, faire Entlohnung der Mitarbeitenden, nachhaltige Baumaterialien, geringer Energieverbrauch: Neben der eigentlichen Ausstattung achten immer mehr Reisende auch auf ESG-Aspekte beim Buchen. Zahlreiche Zertifikate wie das EU Ecolabel, EarthCheck oder Bio Hotels geben Orientierung.

Ferienhotels, die eine hohe Auslastung erreichen möchten, sollten heute ein großes Freizeitangebot bieten. Neben Unterhaltungs- und Sportangeboten ist natürlich auch das Naturerlebnis wichtig. Interessanterweise nimmt die Saisonalität bei touristischen Reisen ab. Gut zu beobachten ist dies bereits an den deutschen Küsten, wo es die klassische Nebensaison seit Corona immer weniger gibt.

Beim Buchen selbst spielt die Digitalisierung eine Rolle: Ferienhotels ohne eine einfache, schnelle und transparente Online-Buchungsfunktion frustrieren Reisende, was zum Abbruch des Buchungsvorgangs führen kann.   

Als Asset Manager berücksichtigen wir diese Entwicklungen im Reiseverhalten bei der Auswahl unserer Investmentprodukte. Ein wesentliches Kriterium ist aber die Lage: Die Nettoanfangsrenditen unterscheiden sich je nach Destination stark. Im ländlichen, mediterranen Raum sind sie im Durchschnitt höher als beispielsweise in der Alpenregion.

In der aktuellen Situation sehen wir große Entwicklungsrisiken bei Hotel-Neubauten: Die Verfügbarkeit von Baustoffen, ihre Preisentwicklung, aber auch die Dauer von Genehmigungsverfahren sind nur schwer kalkulierbar. Für unsere Investments haben wir uns daher für bestehende Objekte in einzigartigen, nicht reproduzierbaren Lagen entschieden, statt neu zu bauen. Durch eine Revitalisierung werden bzw. wurden diese aufgewertet, erfüllen höchste Ansprüche und bieten somit ein attraktives Ertragspotenzial.

Wichtig ist uns auch eine Diversifikation des Portfolios über unterschiedliche europäische Länder und Rendite-Risiko-Profile der Hotels. Interessant finden wir derzeit Ziele in der mediterranen Region, aber auch rund um die Nordsee und in den Alpen. Wir fokussieren uns ausschließlich auf die gehobene Ferienhotellerie und analysieren hier sowohl kleine, exklusive Hotels als auch größere Anlagen.

Insgesamt lässt sich feststellen, dass sich die Ferienhotellerie in der Corona-Pandemie krisenresilient gezeigt hat. Daher bleibt sie auch für Investoren interessant. Wichtig ist, Hotelprodukte zu wählen, die gut für die neuen Trends im Reisen aufgestellt sind. Neben Flexibilität spielt das Thema Nachhaltigkeit nicht nur für Reisende, sondern auch für Investoren eine immer größere Rolle, allein schon aufgrund der EU-Taxonomie. Durch entsprechende Revitalisierungen von Hotel(anlagen) und eine breite Streuung über unterschiedliche Destinationen und Profile ist und bleibt die Ferienhotellerie eine attraktive Anlageklasse.

 

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von EV Asset Management AG
Erstveröffentlichung: Börsen-Zeitung, März 2022

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