Die öffentliche Hand ist ein wichtiger Auftraggeber, sollte aber ihren Digitalisierungsgrad steigern
Gerade in der aktuellen Marktlage ist der öffentliche Sektor als Auftraggeber für die Bau- und die Immobilienwirtschaft eine wichtige Stütze. Digitale Methoden würden Prozesse beschleunigen, kostengünstiger gestalten und die Qualität erhöhen– die öffentliche Hand aber auch als Arbeitgeber attraktiver machen. THE PROPERTY POST sprach darüber mit Prof. Dr.-Ing. Cornelius Preidel, dem Vorstandsvorsitzenden des buildingSMART Deutschland e.V.
The Property Post: Welche Vorteile hat die öffentliche Hand, wenn sie digital plant, baut und betreibt?
Cornelius Preidel: Digitale Methoden machen das Planen und Bauen schneller, kostensicherer und zuverlässiger. Wenn alle Beteiligten – Architekten, Fachplaner und Baukräfte – digitale Arbeitsweisen nutzen, verbessern sich Transparenz und Informationsfluss., Probleme können dann schneller erkannt und gelöst werden. Zudem können die in der Planungs- und Bauphase gesammelten Daten in der Betriebsphase weiter genutzt werden, was die positiven Effekte verstärkt. Digitale Technologien bieten somit erhebliche Vorteile in Bezug auf Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz, was sowohl ökologisch als auch ökonomisch vorteilhaft ist. Dies ist nicht nur notwendig, um den aktuellen Anforderungen an Nachhaltigkeit und Kostenkontrolle gerecht zu werden, sondern auch ein entscheidender Schritt in Richtung einer zukunftsfähigen Bauwirtschaft – ein Anliegen, das uns alle betrifft.
TPP: Rennen Sie mit dem Drängen auf höhere Digitalisierungsgrade bei der öffentlichen Hand offene Türen ein, oder ist die Resonanz eher verhalten?
CP: Teils, teils. Es gibt viele Unterstützer der Digitalisierung, aber wir müssen noch Überzeugungsarbeit leisten, und zwar auf allen Ebenen – Bund, Länder und Kommunen. Berufliche Weiterbildung spielt hierbei eine entscheidende Rolle, da sie sicherstellt, dass alle Akteure über die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen, um digitale Technologien effektiv zu nutzen. Dies fördert nicht nur die Akzeptanz, sondern auch die erfolgreiche Umsetzung digitaler Methoden.
Wir sehen jedoch positive Entwicklungen in einigen Bundesländern und Kommunen. Dank unseres breiten und aktiven Netzwerks können wir die Mehrwerte der Digitalisierung in den Strukturen vermitteln. Unser Ziel ist es, das Verständnis auf Seiten der öffentlichen Hand zu erweitern und die Vorteile der Digitalisierung nachhaltig zu verankern.
TPP:Das Planen und Bauen mit BIM ist nach wie vor nicht Standard. Wird die öffentliche Hand in dieser Hinsicht ihrer Vorreiterrolle gerecht?
CP: Leider noch nicht in dem Maße, wie es wünschenswert und auch nötig wäre. Wir dürfen nicht vergessen: die öffentliche Hand ist ein sehr wichtiger und großer Bauherr mit einer enormen Marktmacht. Diese gilt es, in diesem Transformationsprozess gestaltend einzubringen. Um den Wandel zu beschleunigen, sind klare Vorgaben und eine koordinierte Steuerung notwendig, um eine flächendeckende und effiziente Digitalisierung zu gewährleisten. Hier wollen und können wir von Seiten buildingSMART Deutschland unterstützen, indem wir Standards, Handlungsempfehlungen und Weiterbildung anbieten, um so zu einem besseren Verständnis, einer breiteren Akzeptanz und Anwendung zu finden.
TPP: In diesem Jahr legt Ihr Karlsruher Bauherrenkongress Schwerpunkte auf die Themen Change-Management und Weiterbildung. Warum?
CP: Die öffentlichen Verwaltungen und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind ebenso von den großen, durch digitale Technologien angestoßenen Veränderungsprozessen betroffen wie die Unternehmen. Insofern gilt es auch für die öffentliche Hand, Change-Management und die sich daraus ergebenden Bedürfnisse nach Weiterbildung ganz konkret und offensiv anzugehen. Ich denke, dass sich daraus für die öffentliche Hand als Arbeitgeber enorme Chancen ergeben. Dies alles möchten wir beim 5. Karlsruher Bauherrenkongress nahebringen und durch konkrete Beispiele aus der Praxis illustrieren. Gleichzeitig unterstreicht dies die Notwendigkeit von Plattformen und Netzwerken, wie sie von buildingSMART Deutschland gefördert werden, um den Wissensaustausch und die Weiterbildung zu unterstützen.
TPP: Die Zinserhöhung lähmt den privaten Immobilien- und Bausektor. Ist im öffentlichen Sektor ähnliches festzustellen?
CP: Der öffentliche Sektor ist derzeit eine wichtige Stütze im Immobilienmarkt und der Bauwirtschaft. Besonders bei Infrastrukturprojekten und langlaufenden Bauvorhaben, beispielweise bei Großkliniken, wirken sich die Zinserhöhungen der letzten Jahre weniger stark aus als im privaten Sektor. Trotzdem überdenken auch Kommunen und andere öffentliche Akteure aufgrund der gestiegenen Finanzierungskosten ihre Investitionen. Allerdings mehren sich die Zeichen für eine Markterholung. Dabei ist gerade jetzt der ideale Zeitpunkt für Investitionen in digitale Technologien gekommen. Jeder Tag des Zögerns macht es schwieriger und teurer, die Vorteile der Digitalisierung zu nutzen. Irgendwann muss man anfangen – der zweitbeste Zeitpunkt ist heute. Daher sollten diese Investitionen sofort getätigt werden, um den Aufschwung zu nutzen und zukünftig effizienter und kostensparender zu arbeiten.
Der im Interview erwähnte „5. Karlsruher Bauherrenkongress – Digital Planen, Bauen und Betreiben“ findet am 10. Juli 2024 im Haus der Wirtschaft in Karlsruhe statt. Weitere Informationen, Programm und Anmeldungen unter https://www.buildingsmart.de/termine/bauherrenkongress-karlsruhe
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von buildingSMART Deutschland e.V.
Erstveröffentlichung: The Property Post, Juni 2024