Der Spagat zwischen Anspruch und Realität auf dem Dresdner Büromarkt
Während ESG-Kriterien längst Standard sein sollten, zeigt sich in der Praxis in einigen Städten wie Dresden ein anderes Bild: Der dortige Büromarkt ist von Gebäuden aus den 1990er Jahren geprägt, die heute massiven Modernisierungsbedarf aufweisen. Für Eigentümer, Investoren und Nutzer stellt sich zunehmend die Frage, wie sich Nachhaltigkeitsziele mit bestehenden Strukturen vereinbaren lassen. Wie kann der Spagat zwischen regulatorischen Anforderungen, Nutzererwartungen und wirtschaftlicher Machbarkeit gelingen?
The Property Post (TPP): Frau Thoma, wie hat sich der Büroimmobilienmarkt in Dresden in der aktuellen wirtschaftlichen und geopolitischen Lage entwickelt?
Peggy Thoma (PT): Wenn wir auf das letzte Jahr blicken, liegt der Flächenumsatz mit rund 90.000 Quadratmetern zwar deutlich unter dem Vorjahreswert, bleibt im Vergleich zum Zehnjahresdurchschnitt jedoch recht stabil. Wir sehen nach wie vor eine deutliche Zurückhaltung bei Neuanmietungen. Wirtschaftliche Unsicherheiten führen bei vielen Unternehmen dazu, dass Entscheidungen zur Flächenanmietung verschoben oder noch kritischer hinterfragt werden. Des Weiteren geben weiterhin viele Büronutzer Flächen ab und verkleinern sich oder geben gar ganze Standorte auf und verdichten an anderen Standorten nach. Dies ist unter anderem auf die hohe Homeoffice-Quote zurückzuführen. Die Nachfrage ist selektiver geworden. Trotzdem zeigt sich Dresden im Vergleich zu anderen Märkten erstaunlich stabil – vor allem durch die zuletzt getätigten Ansiedlungen und Erweiterungen in der Chipindustrie und einen entsprechenden Anstieg der Nachfrage von Zulieferern. Auch die starke Präsenz von Wissenschaft und Forschung trägt ihren Teil dazu bei.
TPP: Wie würden Sie den Büroimmobilienbestand beschreiben?
PT: Dresden ist, was dies betrifft, eine Stadt der 90er. Viele Objekte stammen aus dieser Zeit, in der viel gebaut wurde, um die wachsenden Verwaltungs- und Unternehmensstrukturen unterzubringen. Diese Gebäude stehen nun nach rund 30 Jahren vor massiven Modernisierungsherausforderungen – energetisch, technisch und funktional. Die Anforderungen der heutigen Nutzer und insbesondere die ESG-Kriterien lassen sich mit diesem Bestand nur schwer vereinbaren. Wir haben in Dresden einen Gesamtbestand an Büroflächen von ca. 3,1 Millionen Quadratmeter, davon sind alleine ca. 1,15 Millionen vor 1990 entstanden und rund 1,5 Millionen Quadratmeter in den 90er Jahren. Ab den 2000ern sind nur ca. 290.000 Quadratmeter dazugekommen und jüngste Neubauten ab 2020 machen ca. 210.000 Quadratmeter des Gesamtbestandes aus. Das gibt ein deutliches Bild.
TPP: Was bedeutet das konkret in Bezug auf ESG?
PT: ESG ist in der Theorie längst ein Muss. Bestandsgebäude, wie wir sie hier häufig vorfinden, erfüllen die regulatorischen Vorgaben in der Regel nicht. Das stellt Eigentümer vor die Frage: Aufwerten oder riskieren, dass die Immobilie an Marktwert verliert? Viele Mieter – besonders große Konzerne oder öffentliche Institutionen – dürfen oder wollen künftig nur noch Flächen anmieten, die ESG-konform sind. Sie sind bereit, für solche Flächen deutlich höhere Mieten zu zahlen: Die Spitzenmiete für moderne Büroflächen in guten Lagen in Dresden ist 2024 beispielsweise auf fast 23 Euro pro Quadratmeter gestiegen. Allerdings gibt es solche Flächen in Dresden kaum. Für Mieter heißt es, sich frühzeitig um passende Flächen zu bemühen, denn das Angebot ist begrenzt.
TPP: Welche Projektentwicklungen sind in Dresden in Planung, um dieser Nachfrage gerecht zu werden?
PT: Die wenigen Projektentwicklungen der vergangenen Jahre sind langfristig voll vermietet. Größere Projektentwicklungen waren beispielsweise Die Annenhöfe am Postplatz mit rund 20.000 Quadratmeter Bürofläche oder das NEO in der Neustadt mit rund 15.000 Quadratmeter Bürofläche. Ansonsten finden wir vereinzelt Neubauten in eher gemischt genutzten Quartieren, welche vornehmlich wohnlich geprägt sind. Derzeit noch im Bau befindlich sind das Propst Beier Haus mit rund 2.000 Quadratmeter Bürofläche sowie das Ringpalais mit rund 3.500 Quadratmeter Bürofläche – also alles keine größeren Büroprojekte.
Größere Projektentwicklungen wurden auch vor allem durch Eigennutzer realisiert, wie das neue Verwaltungszentrum der Stadt Dresden (ca. 17.000 Quadratmeter) oder der neue Verwaltungssitz der SachsenEnergie (ca. 18.000 Quadratmeter).
Es gibt einige vielversprechende neue Projekte, allerdings in überschaubarem Umfang. Ein Beispiel ist der Neustädter Bogen im Stadtteil Dresden Neustadt. Hier wurde Nachhaltigkeit von Beginn an mitgedacht – mit energieeffizienter Gebäudetechnik, flexiblen Grundrissen und viel Aufenthaltsqualität. Auch die Quartiersentwicklung am ehemaligen Kohlebahnhof an der Freiberger Straße nahe der Altstadt wird mit einem hohen Standard errichtet. Dort entstehen rund 22.000 Quadratmeter modernste Bürofläche. Insgesamt haben wir aktuell eine Projektpipeline von ca. 190.000 Quadratmeter bis 2030, davon sind jedoch nicht alle Projekte konkret. Der Großteil befindet sich noch in der Ideenphase.
Allerdings sehen wir, dass steigende Baukosten und unsichere Finanzierungsbedingungen Projektentwicklungen derzeit verzögern oder sogar verhindern.
TPP: Wie haben sich die Anforderungen der Nutzer verändert?
PT: Als Folge einer hohen Homeoffice-Quote und restrukturierten Arbeitsmodellen sinkt die Büroauslastung. Vor allem große Unternehmen, IT-Unternehmen und Körperschaften des öffentlichen Rechts, wie z. B. Krankenkassen mit intensiver Homeoffice-Nutzung, planen, ihre Büroflächen zu reduzieren oder haben dies bereits umgesetzt. Gleichzeitig steigen die Ansprüche an die Qualität: Flexibilität, Aufenthaltsqualität, technische Ausstattung, Nachhaltigkeit – all das ist essenziell geworden. Der Trend geht hin zu weniger Fläche, dafür aber in Top-Qualität. Besonders ESG-Nachweise und Zertifizierungen wie DGNB oder BREEAM gewinnen bei der Anmietungsentscheidung an Bedeutung.
TPP: Welche Chancen sehen Sie trotz dieser Herausforderungen?
PT: Die aktuelle Situation bietet die Chance, den Standort Dresden qualitativ weiterzuentwickeln. Eigentümer, die jetzt investieren, können sich langfristig im Markt behaupten. Gleichzeitig ist Dresden als Forschungs- und Technologiestandort attraktiv für zukunftsorientierte Unternehmen – wenn die Flächen stimmen. Nachhaltigkeit wird zum Standortfaktor. Die Immobilienbranche hat hier die Möglichkeit, aktiv mitzugestalten – durch intelligente Konzepte, gezielte Modernisierung und echte ESG-Strategien.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Colliers International Deutschland GmbH
Erstveröffentlichung: The Property Post, Juli 2025