Europa sollte im Umgang mit Russland selbstbewusster werden und zu seinen Werten stehen
Europa sollte im Umgang mit Russland selbstbewusster werden und zu seinen Werten stehen. Die Stärkung der Verteidigungsfähigkeit ist dafür ein wichtiges Signal. Die Europäische Union ist einer der größten Märkte der Welt und genießt weltweites Ansehen. Deutschland spielt weiterhin eine entscheidende Rolle in dieser Gemeinschaft, muss sich daher von seinem Defätismus verabschieden und sich selbst wieder als starker Akteur in der Handelspolitik betrachten. TPP befragte Dr. Christoph Heusgen auf der Investmentexpo 2025 zu Donald Trumps eingeschränkter Weltsicht, Putins Wendekurs im Arabischen Frühling und die Neuauflage des Weimarer Dreiecks.
The Property Post: Herr Dr. Heusgen, waren Sie überrascht, als sich Donald Trump nach seiner zweiten Wahl sowohl Europa als auch der NATO gegenüber eher kritisch und Russland gegenüber eher positiv positioniert hat?
Dr. Christoph Heusgen: Das hat mich nicht überrascht. Bei seinem ersten Amtsantritt 2017 hat sich Angela Merkel sehr bemüht, bei Trump Verständnis dafür zu wecken, dass Russland der Aggressor ist. Das dringt bei ihm aber nur begrenzt durch, weil er alles aus Sicht des Geschäftsmannes betrachtet, der lukrative Deals mit Russland machen will. Putin hingegen hat keine wirtschaftlichen, sondern militärische Ziele. Er möchte Russland zu alter Stärke verhelfen und versucht sogar, Trump dahingehend zu manipulieren.
TPP: Sie selbst haben Putin häufig getroffen hat. Wie wie schätzen Sie ihn derzeit ein?
CH: Putin hat sich verändert. In den ersten Jahren seiner Präsidentschaft war er sehr kooperativ. Er hat seine bekannte Rede im Bundestag auf Deutsch gehalten. Es gab Kooperationsabkommen mit der EU und der NATO. Und noch 2004, als die letzte Osterweiterung der Nato stattgefunden hat, sagte er: „Ich hab kein Problem damit. Das ist das gute Recht der Staaten.“ In den Jahren 2011/2012 änderte sich das. Es war die Zeit des sogenannten Arabischen Frühlings, die ihm Angst machte. Er fürchtete, dass die Stimmung in der arabischen Welt auf Russland überspringen und dann das Land auseinanderfallen könnte. Da hat er das Steuer herumgerissen und fährt seither diesen sehr patriotischen, nationalistischen, neo-imperialistischen Kurs. Es ist ihm im Zuge dessen sogar gelungen, die russische Bevölkerung durch totale Monopolisierung der traditionellen und der sozialen Medien dazu zu bringen, seiner Logik zu folgen, nach der sich Russland irgendwo in der Fortsetzung des Zweiten Weltkriegs sieht.
TPP: Was können Europa und vor allem Deutschland tun, um dem entgegen zu wirken und Druck aus der angespannten Lage zu nehmen?
CH: Wir Europäer könnten selbstbewusster sein, als wir es zurzeit sind. Europa ist einer der größten Märkte der Welt, mit sehr vielen gut ausgebildeten Fachkräfte und großem weltweitem Ansehen. Deutschland sollte sich von seinem Defätismus verabschieden und die Lage positiver sehen. Wir sind ein starker Akteur in der Handelspolitik und erleben mit der neuen Bundesregierung, dass wieder ein ganz enger Schulterschuss mit Frankreich und Polen geschaffen wird. Das müssen wir nutzen und zu unseren europäischen Werten stehen.
TPP: Was würden Sie Investoren raten, die verunsichert sind, ob sie noch in Europa oder speziell in Deutschland investieren sollen?
CH: Geopolitik hat Auswirkungen auf die Wirtschaft. Mein Eindruck ist, dass die neue Bundesregierung das versteht. Da gibt es viele Leute mit Wirtschaftsverstand, die wissen, dass ein Stimmungswandel nötig ist. Etwa in der Bauwirtschaft. Anstelle eines Investors würde ich ganz genau beobachten, ob Baukosten massiv sinken und bürokratische Hürden abgebaut werden. Gleichzeitig würde ich aber auch schon investieren.
TPP: Die erste Auslandsreise führte Friedrich Merz nach Frankreich zu Emmanuel Macron. Eine wichtige Geste?
CH: Absolut. Als Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz habe ich vergeblich versucht, das sogenannte Weimarer Dreieck, also Deutschland, Frankreich, Polen auf die Bühne in München zu bringen. Jetzt sehe ich mit großer Freude, dass Friedrich Merz sofort die Initiative ergriff und es mehrfache Treffen, gemeinsame Telefonate sowie einen gemeinsamen Besuch in Kiew gab. Das ist das richtige Signal – auch in Hinblick auf die Stärkung der Verteidigungsfähigkeit Europas. Ich bin zwar skeptisch, was eine europäische Armee mit einheitlichen Befehlsstrukturen angeht. Das funktioniert schon aufgrund unseres Bundestagsbeteiligungsgesetzes nicht. Aber wir müssen in Europa wieder eine Abschreckungswirkung wie im Kalten Krieg erreichen. Da sind wir auf gutem Weg. Denken Sie nur an die gerade beschlossene Stationierung einer deutschen Brigade in Litauen. Bis 2027 sollen dort rund 5000 Angehörige der Bundeswehr zur Stärkung der Ostflanke eingesetzt werden.
TPP: Herr Doktor Heuss, herzlichen Dank für das Gespräch.
Das gesamte Interview finden Sie unter: https://www.youtube.com/watch?v=tOO3yULsqbc
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Erstveröffentlichung: The Property Post, Juni 2025