04.06.2025

Core und Schnäppchen

Internationale Immobilieninvestments in Deutschland

Jörg Thomsen, Geschäftsführer, FOM Invest GmbH
Jörg Thomsen

Während viele deutsche Anleger mit ihren Immobilieninvestments nach wie vor verhalten sind, bewerten einige internationale Investoren den hiesigen Markt deutlich optimistischer. Besonders Wettbewerber aus Kontinentaleuropa wie Skandinavien, Spanien und – allen voran – Frankreich werden zunehmend aktiver. Gefragt sind aktuell vor allem zwei Immobilien-Assets mit ganz unterschiedlichen Risikoprofilen: Core-Investments auf der einen und Assets in Schieflage auf der anderen Seite. Dabei gibt es mehrere Gründe, warum Investoren aus dem europäischen Ausland den Weg nach Deutschland finden. 

Aktuell tendieren viele deutsche Anleger zur Schwarzmalerei. Das gilt für die Einschätzung der wirtschaftlichen Lage ebenso wie für die Beurteilung des Immobilienmarktes. 2024 war die Talsohle der Preisentwicklung auf den Immobilienmarkt erreicht. Seitdem ist zwar eine steigende Erholung zu beobachten, zu einer Boom-ähnlichen Phase wie in der Jahren vor 2022 wird die Branche aber vorerst nicht zurückkehren. Diese Meinung teilen viele Branchenakteure, dennoch unterscheidet sich das Investitionsverhalten deutlich. Viele institutionelle Investoren in Deutschland stehen nach wie vor auf der Bremse und fokussieren sich auf Asset-Management-Themen statt auf Ankäufe. Ein weiterer Grund für die Zurückhaltung vieler deutscher Investoren ist zudem ihre bereits hohe Allokation in Deutschland, was zusätzliche Engagements derzeit unattraktiv erscheinen lässt. Auf der anderen Seite gibt es internationale Anleger, die auf der Suche nach Opportunitäten sind und den fehlenden Wettbewerb für den Markteintritt zu günstigen Konditionen nutzen möchten.

Deutschland kann stolz auf eine stabile und resiliente Wirtschaft sein. Verglichen mit anderen großen Industrienationen ist die deutsche Staatsverschuldung gering. Das erlaubt Spielräume für die geplanten Sondervermögen Verteidigung und Infrastruktur. Nach Berechnungen der EU-Kommission liegt die Staatsverschuldung hierzulande bei 63 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Im EU-Schnitt liegt sie bei 82,4 Prozent und in den USA beispielsweise bei 124,1. Nicht zu vergessen: Trotz der anhaltenden Herausforderungen zählt die deutsche Wirtschaft zu den drei größten Wirtschaftsnationen. Laut Institut der Deutschen Wirtschaft lag das BIP 2024 bei 4,66 Billionen Dollar. Auch im laufenden Jahr, so die Experten, könnte die Bundesrepublik diesen Platz verteidigen, auch wenn die Wirtschaft wiederholt nicht wächst. Die deutschen Privathaushalte verfügen über ein Geldvermögen von über neun Billionen Euro. Auch viele Unternehmen haben ausreichend Investitionskapital. 

Kurz: Deutschland befindet sich keineswegs am Abgrund. Bei der Gesamtbetrachtung sollten trotz vieler Hemmnisse auch die Stärken des Standorts beachtet werden. 

Anleger aus dem Ausland bewerten deutschen Markt positiver als deutsche Investoren

Ausländische Investoren bewerten den deutschen Markt für Real-Estate-Investments positiver als viele deutsche private und institutionelle Investoren. Insbesondere im Vergleich zur den aktuell sehr volatilen US-amerikanischen Investmentmärkten zeigt sich Deutschland relativ stabil. Ausländische Anleger zeigen eine größere Investitions- und teils eine größere Risikobereitschaft. Dazu zählen vor allem Investoren aus Kontinentaleuropa wie Frankreich, Skandinavien und Spanien. Sie halten vornehmlich nach Projekten mit einem langfristigen, stabilen Cashflow Ausschau. Ihr Fokus liegt auf Core-Objekten in den Bereichen Wohnen und Büro. 

Neu ist, dass vergleichsweise viel französisches Kapital nach Deutschland fließt. Das mag einerseits an einem gewissen Nachholeffekt liegen: Im Vergleich zu Großbritannien spielten Franzosen in den zurückliegenden Jahren nur eine untergeordnete Rolle. Zweitens könnten die häufigen Politikwechsel, hohe Widerstände bei Reformen, hohe Staatsverschuldung und eine vergleichsweise schwächere Wirtschaft im westlichen Nachbarland zu einem stärkeren Fokus auf Investments in Deutschland beitragen. 

Angelsächsisches Kapital eher zurückhaltend

Im Vergleich dazu sind viele angelsächsische Investoren auffallend zurückhaltend: Ihnen ist in Deutschland die Rendite oftmals zu niedrig. Oder anders ausgedrückt: Die Angebotspreise mancher Assets sind noch immer oberhalb dessen, was sie bereit sind zu zahlen. So sind beispielsweise für Bestandswohnungen bei steigenden Mieten Renditen von mindestens vier Prozent erzielbar. 

Nicht wenige Objekt-Veräußerer hängen jedoch noch Vorstellungen aus der Niedrigzinsphase nach und hoffen, ihr Objekt für hohe Vervielfältiger veräußern zu können. Diese Zeiten sind vorbei. Der Großteil der Angebote nähert sich mittlerweile einem marktgerechten Niveau. Deutsche Investoren müssen daher aufpassen, durch ihr Zögern den aktuell vielversprechenden Investmentzeitpunkt nicht zu verpassen. 

Projekte in Schieflage: günstiger Preis, aber komplexe Abwicklung

Neben Core-Produkten interessieren sich viele ausländische Investoren zudem für Objekte auf der anderen Seite der Skala, nämlich für Assets in guten Lagen, jedoch in (finanzieller) Schieflage, die sie vorzugsweise zu einem besonders günstigen Preis erwerben wollen. Diese Ankäufe sind teils mit höheren Risiken verbunden, versprechen auf der anderen Seite aber höhere Renditen. Dabei fällt auf, dass vielen Asset- und Fondsmanagern, für die diese Objektarten ungewohntes Terrain sind, die nötige Expertise fehlt. Das heißt, sie unterschätzen die Gläubiger-Strukturen und die notwendigen intensiveren Vorarbeiten aufgrund langwieriger Abstimmungen. Gerade in solchen Situationen braucht es Manager mit einem starken Netzwerk und tiefem Marktzugang.

Die aktuellen Turbulenzen an den Aktienmärkten infolge der US-Zollpolitik und die langfristige Entwicklung am Zinsmarkt könnten weitreichende Folgen für die Immobilienmärkte haben. Höhere Volatilitäts- und Risikoaufschläge in den Finanzierungskosten dürften vor allem Projektentwicklungen und Value-Add-Investments treffen. Es ist aber zu erwarten, dass das Investoreninteresse an Core-Investments aufgrund langfristiger stabiler Renditen und bei einer geringeren Volatilität  steigen wird.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von FOM Invest GmbH
Erstveröffentlichung: The Property Post, Juni 2025

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