12.04.2022

Wir laufen in ein gigantisches Problem

Immobilien als Baustein der Altersvorsorge

Prof. Dr. Steffen Sebastian, Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienfinanzierung, IREBS International Real Estate Business School
Prof. Dr. Steffen Sebastian

Demografie, Altersvorsorge und Immobilien sind ein Schwerpunkt des Jahreskongress Finanzierung 2022. Prof. Dr. Bernd Raffelhüschen wird in der ersten Keynote über sein Expertengebiet sprechen. Wir haben vorab mit Prof. Dr. Steffen Sebastian über einige der wichtigsten Punkte gesprochen.

TPP: Wie groß ist das Problem, in das wir in Deutschland beim Thema Altersvorsorge hineinlaufen?
Prof. Dr. Steffen Sebastian:
Gigantisch. Die gesetzliche Altersvorsorge ist durch den demographischen Wandel chronisch unterfinanziert und auch mit hohen Beiträgen und hohen Staatszuschüssen nicht finanzierbar. Wir werden nicht um drastische Kürzungen herumkommen. Damit wird die private Altersvorsorge immer wichtiger, gerade für Menschen mit geringem Einkommen und damit geringer Rente.

TPP: Welche Rolle spielt die Immobilie bei der privaten Altersvorsorge?
Sebastian: Für vermögende Menschen können Immobilien ein wichtiger Baustein in der Altersvorsorge sein, aber nur einer von mehreren. Denn die selbstgenutzte Immobilie ist im Gegensatz zu Finanzanlagen nicht konsumierbar. Außerdem fallen mit steigendem Alter der Immobilie zunehmend Instandhaltungskosten an. Für Menschen mit durchschnittlichem oder unterdurchschnittlichem Einkommen ist privates Wohneigentum zur Selbstnutzung in der Regel nicht erreichbar. Damit sind Immobilien in der direkten Anlage für die Hälfte der Bevölkerung keine Lösung bei der Altersvorsorge. Im Zweifel bleibt für sie nur die indirekte Form.

TPP: Zu welcher Form der indirekten Immobilienanlage raten Sie?
Sebastian: Auf jeden Fall zu diversifizierten Anlagen, also offenen Immobilienfonds. Prinzipiell kommen auch REITs oder Aktien von Immobiliengesellschaften wie Vonovia in Frage. Aber wer sich an Aktien herantraut, sollte auf jeden Fall auf ein breit diversifiziertes Portfolio setzen, also über die Immobilienaktien hinausgehen.

TPP: An welcher Stelle könnte der Staat mehr tun, um den privaten Immobilienerwerb zu erleichtern?
Sebastian:
Der Staat konzentriert sich momentan sehr auf die Ansparphase. Die Diskussion dreht sich derzeit vor allem um Grunderwerbsteuerermäßigung, und sicherlich gibt es hier Bedarf für Erleichterungen. Aber sehr viel wichtiger ist die Entsparphase, denn hier mangelt es oft an Liquidität. Der Staat müsste die unseriösen Teilverkaufsmodelle, die derzeit am Markt auftauchen, verbieten oder zumindest deutlich erschweren. Sie sind aus meiner Sicht Bauernfängerei. Stattdessen sollte die Versorgung von Rentnern mit Immobiliendarlehen sichergestellt werden. Bislang gibt es nur vereinzelte Angebote von Banken für diese Personengruppe, die allerdings zunehmen.

Ich mahne außerdem eine wettbewerbskonforme Regulierung für Notare und Makler an: Wie bei der Vermietung sollte auch beim Verkauf das Bestellerprinzip gelten. Derjenige, der verhandeln kann, sollte auch bezahlen. Zwar ist die unlängst eingeführte Provisionsteilung besser als das, was wir vorher hatten, aber recht einfach zu umgehen. Und was die Notare betrifft: Nirgendwo in Europa ist die rechtliche Beratung bei Transaktionen so teuer wie in Deutschland. Notare verdienen hier zu viel Geld. Mehr Wettbewerb würde auch hier helfen.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von IREBS International Real Estate Business School
Erstveröffentlichung: The Property Post, April 2022

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