06.04.2022

"Basel IV" pusht Immobilienkreditfonds

Vehikel mit vielfältigen Steuerungsmöglichkeiten

Reiner Reichel, Redakteur, The Property Post

Als Reiner Reichel Monika Bednarz, Director beim Beratungsunternehmen Lagrange Financial Advisory, um ein Interview bat, ahnte er nicht, wie vielfältig die Steuerungsmöglichkeiten der Manager von Kredit-Fonds sind. Geduldig klärte sie den Redakteur von The Property Post auf.

The Property Post: Frau Bednarz, das Volumen von Immobilienkreditfonds beträgt weltweit rund 240 Milliarden Dollar. Welches Volumen entfällt auf Deutschland?
Monika Bednarz:
Investoren aus Deutschland können auch, unter entsprechenden rechtlichen und steuerlichen Voraussetzungen, in Fonds aus anderen Regionen investieren, inklusive USA und Asien. Gemäß der regionalen Aufteilung fällt cirka ein Drittel dieses Volumens auf die Fonds, die ihren Sitz in Europa haben oder in Europa investieren. Deutsche Investoren sind inzwischen auch in diesem Segment verstärkt international ausgerichtet.

TPP: Welche Kredite kauft ein Fonds?
MB:
Der Fonds muss nicht unbedingt Kredite kaufen. Unter gewissen Umständen kann der Fonds Kredite direkt vergeben. Das hängt von der Strategie ab. Wir unterscheiden in der Branche zwischen sogenannten Senior Loans bis zu einem Beleihungsgrad der Immobilie von 50 bis 60 Prozent, Stretched Senior Loans, die bis 70 Prozent beleihen, den Senior Loans im Rang nachrangige Mezzanine-Finanzierungen, sowie Whole Loans, also Gesamtfinanzierungen, die aus Senior Loan plus Mezzanine-Kapital aus einer Hand bestehen und mit einem dem Finanzierungsmix entsprechenden Gesamtzinssatz angeboten werden. Der Zinssatz der Whole Loans liegt über dem eines Senior Loans und unter dem einer Mezzanine-Finanzierung.

TPP: Wie finanzieren sich die Fonds?
MB:
In Deutschland werden typischerweise reine Eigenkapital-Fonds aufgelegt. In etablierten Kredit-Fonds-Märkten wie z.B. USA oder Großbritannien gibt es durchaus Fonds, die auch auf der Fondsebene mit Fremdkapital unterlegt sind. Der Investor muss allerdings bedenken, dass er damit ein zusätzliches Risiko eingeht.

TPP: Kreditmarktanalysten prophezeien Kreditfonds ein hohes Wachstum. Woher kommt das gestiegene Interesse gerade jetzt?
MB:
Ein Auslöser sind die jüngsten Änderungen der Eigenkapitalrichtlinien des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht, das Basel-III-Reformpaket, in der Finanzbranche kurz ‚Basel IV‘ genannt, die bis zum Jahr 2023 in nationales Recht umgesetzt werden müssen. Die Konsequenz für die Banken ist, dass Immobilienkredite mit Beleihungswerten von mehr als 60 Prozent und die Finanzierung bestimmter Segmente, wie die der Projektentwicklungen, für Kreditinstitute zu teuer werden, weil die Eigenkapitalanforderungen für solche Ausleihungen steigen. Die Auswirkungen von ‚Basel IV‘ sind bereits spürbar. So hat das German Debt Project der IREBS gezeigt, dass die durchschnittliche Beleihungsquote deutscher Banken im Jahr 2020 erstmals unter 60 Prozent gesunken ist.

TPP: Wie profitieren Kreditfonds davon?
MB:
Für Immobilienunternehmen und Projektentwickler entsteht durch ‚Basel IV‘ eine größer werdende Finanzierungslücke. Um diese Lücke zu schließen, sind Immobilienunternehmen und Projektentwickler oft bereit höhere Zinsen zu zahlen, zumal es sich häufig um kurzfristige Finanzierungen handelt. Als Finanzierungsvehikel für die Lücke fungieren Immobilienkreditfonds. Sie können so strukturiert werden, dass ein attraktives Risiko-/Renditeprofil erreicht wird.

TPP: Ist ‚Basel IV‘ allein der Wachstumstreiber?
MB:
Nein, der Kapitalbedarf der Bau- und Immobilienbranche steigt, weil der Neubau zunimmt. Beleg dafür ist ein Auftragsplus von 2,3 Prozent des Bauhauptgewerbe 2021 gegenüber dem Vorjahr. Zusätzlich wird Bauen teurer, was den Kapitalbedarf noch einmal vergrößert. Auch der Immobilientransaktionsmarkt hat im vergangenen Jahr zugelegt und für weiteren Kapitalhunger gesorgt.

TPP: Bisher haben wir über Fonds gesprochen, die Kredite ausgeben. Welche Rolle spielen Fonds, die bestehende Kredite ankaufen jetzt und in Zukunft, wenn die Zinsen steigen?
MB:
Fonds, die bestehende Kredite kaufen, spielen in vielen Fällen in einer höheren Risikoliga, in der viele Investoren nicht mitspielen wollen. Denn oft verkauft eine Bank Kredite, wenn sie als notleidende Kredite eingestuft wurden, es sich um sogenannte distressed assets handelt. Die Bank will sich in solchen Fällen von dem Risiko trennen und ist bereit, den Kredit mit einem Abschlag zu verkaufen. Das ist dann eine schnelle Lösung für die Bank. Wenn die Zinsen steigen, kann es sein, dass das Volumen solcher Fonds zunimmt. Doch in Märkten wie Deutschland, wo der Anteil an Investments in Kredit-Fonds noch relativ gering sind, wählen Fondsmanager eher weniger riskante Strategien.

TPP: Welche Investoren sind typisch für Immobilienkreditfonds?
MB:
Es sind allesamt institutionelle Anlegergruppen: Versicherungen, Pensionskassen, Versorgungswerke. Wir sehen auch, dass sich Banken dieser Assetklasse öffnen, auch weil sie Investments in diesem Bereich sehr gut einschätzen können.

TPP: Mit welcher Rendite kann ein Investor rechnen`?
MB:
Die Rendite ist abhängig vom Risiko, dass der Fonds eingeht. Ein Fonds, der nur in erstrangige Senior Darlehen investiert, wird zwischen zwei und drei Prozent Rendite liefern. Am oberen Risikoende werfen Mezzanine-Fonds acht bis zehn Prozent Rendite ab. Die Fonds, die Kreditrisiken mischen, kommen auf Renditen, die dazwischen liegen, also auf etwa fünf bis sieben Prozent.

TPP: Die Zinsen steigen. Werden unter diesen Umständen die in Aussicht gestellten Renditen der Kreditfonds nicht schnell unattraktiv?
MB:
Das muss nicht sein. Mezzanine-Anteile in einem Fonds haben nur kurze Laufzeiten, so dass sie sukzessive durch höher verzinste Neuengagements ersetzt werden können. Außerdem können Fonds in dieser Situation ihre Anteile an variabel verzinsten Krediten erhöhen und so die Rendite an die steigenden Zinsen anpassen.

TPP: Inwieweit ändert die zunehmende Inflation die Strategie der Fondsmanager?
MB:
Eine gute Antwort auf die steigende Inflation ist die Ausgabe von Krediten mit variablen Zinsen. Weil die Mieten vieler Immobilien an die Inflation gekoppelt sind, sind diese Immobilien vor Entwertung durch Inflation weitgehend geschützt. Sogar in Nischensegmenten, wie zum Beispiel Parkhäusern, konnten dank marktüblichen Vertragsklauseln weiterhin gute Renditen aufgrund inflationsbedingter Mietanpassungen erzielt werden. Bei der Projektfinanzierung sollte die Inflation durch größere Margenpuffer des Immobilieneigentümers aufgefangen werden können. Dieser Puffer soll in Finanzprognosen vorhanden sein, man soll auch Stresstests und Szenarioanalysen fahren. Wichtig ist, dass trotz steigender Kosten genügend Free Cash Flow für die Rückzahlung der Kredite übrig bleibt.

TPP: In der Wirtschafts- und Finanzwelt fürchten sich alle vor exogenen Schocks. Die russische Invasion in der Ukraine ist ein solcher. Er wird zu nachlassendem Wirtschaftswachstum in Europa wenn nicht sogar zu einer Rezession führen mit der absehbaren Folge, dass die Nachfrage nach Gewerbeimmobilien abnehmen wird. Vermutliche Folgen sind Projekte, die keine Mieter finden, stagnierende oder gar sinkende Mieten für Bestandsobjekte und wachsender Leerstand. Wie sollen Kredit-Fonds Zahlungsausfälle ihrer mit Einnahmeausfällen kämpfenden Gläubiger managen?
MB:
Risiko ist ein immanenter Teil der Wirtschaftstätigkeit, man kann es nicht ausschließen, sondern minimieren. Bei Kreditfonds ist Adressenausfall das Hauptrisiko. Dafür muss ein Fondsmanager Vorsorge treffen, etwa durch die genaue Ex-Ante-Analyse und Auswahl der Transaktionen an erster Stelle, sowie durch die entsprechende Strukturierung und die Absicherung der Kredite. Es ist wichtig, auch in Nicht-Krisen-Zeiten, einen Plan B zu haben für den Fall, dass Gläubiger die Finanzierung nicht zurückzahlen können. Zu den Möglichkeiten Zahlungsausfällen gegenzusteuern gehört es, auf Immobilien mit krisenresistenten Nutzungsarten zu setzen. Dazu zählen Segmente wie Wohnen oder Lebensmitteleinzelhandel. Wir sehen auch in einer Krise wie der Covid-19-Pandemie, dass trotz zunehmender Arbeit im Homeoffice die Nachfrage nach erstklassigen Büroobjekten in Top-Lagen anhält. Mezzanine-Tranchen in einem Fonds haben der Vorteil, dass die Zeit bis zur Rückzahlung absehbar ist und somit ist es leichter die Rückzahlungsmöglichkeit einzuschätzen. Auch in der Krise hängt der Erfolg des Fonds von der Auswahl der beliehenen Immobilien und der Prüfung der Bonität neuer Gläubiger ab. Das Geheimnis ist, gute Objekte zu wählen, aber auch mögliche Risiken frühzeitig zu identifizieren und bereits auf der Etappe der Strukturierung und Vergabe zu berücksichtigen.

TPP: Das setzt Vertrauen in die Fondsmanager hervor. Vertrauen hatten die Investoren auch in die Initiatoren von Mortgage Backed Securities. Wenn ich mir das Vehikel Kreditfonds anschaue, dann entdecke ich Parallelen zu MBS. Auch MBS bündelten mehrere Kredite und verkauften sie an Investoren, bei diesem Vehikel als Anleihe und nicht als Fonds. Insolvente MBS-Gläubiger stürzten 2007 und 2008 die Finanzmärkte ins Chaos. Droht eine solche Situation erneut?
MB:
Man kann beide Produkte nicht miteinander vergleichen. Bei den MBS führte die Verbriefung von Darlehen an Privatpersonen ohne Bonität zu MBS-Ausfällen. Die Bonität der vielen Gläubiger war oft nicht entsprechend geprüft und gewährleistet. Das ist bei den Kreditfonds, in die institutionelle Anleger investieren, anders. Sie können die Bonität ihrer Gläubiger genau prüfen und tun dies auch, anhand von etablierten Kreditrisikomodellen. Die Kreditnehmer sind keine Privatpersonen, sondern spezialisierte Immobilienunternehmen. Die können auch für den Fonds mehrere Sicherheiten bestellen.  Durch die Diversifikation des Portfolios nach Kreditnehmern, Projekten, Regionen, Laufzeiten, Nutzungsarten und Beleihungsquoten lässt sich das Ausfallrisiko steuern. Außerdem erlauben Vertragsklauseln das Risiko einzelner Verträge zu minimieren. So lassen sich etwa Verträge mit Projektentwicklern durch eine persönliche Bürgschaft oder durch andere Aktiva des Entwicklers absichern. Investoren sollten zudem auf den Track Record des Fondsmanagers achten. Erfahrene Fondsmanager können Immobilienprojekte sehr gut einschätzen und im Falle der Verschlechterung der Bonität oder Lage ein Projekt selbst übernehmen und weiterführen, bis ein neuer Partner gefunden wird. Darüber hinaus ist der Finanzmarkt nach der globalen Finanzkrise viel stärker reguliert und, wie es sich schon gezeigt hat, reagiert er deutlich besser auf exogene Schocks. Anhand führender Indizes kann man klar feststellen, dass sogar in der Zeit der Finanzkrise in vielen Märkten, etwa in Deutschland und Frankreich, fast ausschließlich das Eigenkapital durch Wertverluste betroffen war; der jeweilige Immobilienwert hat meistens Fremdfinanzierung inklusive Mezzanine-Teil gedeckt. Insofern können gut strukturierte Immobilienkreditfonds in vielen Fällen stabile Einkommensströme mit kontrolliertem Risiko und Zugang zum Real Estate Markt über Debt sichern.

TPP: Frau Bednarz, vielen Dank für das Interview.

 

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Lagrange Financial Advisory GmbH
Erstveröffentlichung: The Property Post, April 2022

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Reiner Reichel, Jahrgang 1956, war viele Jahre Immobilienredaktuer des Handelsblatts. Journalismus betreibt er, wie er Fußball spielt: hart aber fair.

Foto Monika Bednarz (002).jpgMonika Bednarz, Director,    Lagrange Financial Advisory GmbH, kann auf mehr als 20 Jahre Erfahrung im internationalen Finanzierungsgeschäft aufbauen. Wie finanzielle Risiken gemanagt werden und notleidende Kredite restrukturiert werden lernte die in Polen geborene Betriebswirtin bereits unter anderem als Mitarbeiterin der französischen Großbank BNP Paribas in Warschau. Seit acht Jahren arbeitet sie, die mehrere europäische Sprachen fließend spricht, in Deutschland. Nach einer Station bei der Zurich Versicherung berät sie seit 2018 bei Lagrange Financial Advisory institutionelle Investoren, die in Immobilienkreditfonds investieren möchten, und nutzt dabei ihre früher gesammelte Expertise in der Immobilien- und Infrastrukturfinanzierung. Die Finanzbranche hat sie wegen des interdisziplinären und heterogenen Charakters des Gebiets gewählt . Ihre Affinität zu Mathematik, Technik und Fremdsprachen erleichterte ihr den Einstieg in die Finanzwelt. Ablenkung von Zahlen und Analysen findet sie in der Literatur, gerne bei der Lektüre von Goethe und Schiller, oder in der Luft. Die Fliegerei fasziniert sie so sehr, dass sie gerade ihren Pilotenschein macht.

 

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