Lieber klein beginnen als nicht – und Skalierung mitdenken
Künstliche Intelligenz ist zwar in aller Munde, kommt im operativen Geschäft aber noch selten flächendeckend zu Einsatz. Das wird sich nach Expertenmeinung bald ändern. Denn immer mehr Unternehmen machen ihre Hausaufgaben, indem sie ein Datenfundament erarbeiten und sich auf Plattformen festlegen, die allgemeine Standards für die gesamte Firma liefern.
The Property Post befragte Vanessa Cann, KI-Expertin und Gründerin der Copperfox Ventures UG, auf der INVESTMENTexpo 2025 wie es um die Bereitschaft der Unternehmen steht, künftig KI einzusetzen, ob der Return of Investment schon zu messen ist, und welche Rolle Vertrauen bei der Transformation zum KI-Ökosystem spielt.
The Property Post: Vanessa Cann, als Geschäftsführerin von Accenture beraten Sie große Unternehmen, darunter auch zahlreiche DAX-Konzerne, über die Möglichkeiten eines Einsatzes von Künstlicher Intelligenz. Haben Sie den Eindruck, dass das Thema „KI“, um das ein wahrer Hype entstanden ist, auch in den Köpfen der Entscheider angekommen ist?
Vanessa Cann: Ja, absolut. Die Unternehmen haben viel pilotiert in dem Bereich und häufig schon eine Liste von hunderten Use Cases vorliegen, wenn ich zu ihnen komme. Es mangelt also nicht Ideen, wo KI eingesetzt werden könnte. Zurzeit ist es besonders spannend, weil die Unternehmen überlegen, auf welche Cases sie sich fokussieren wollen. Da fragen sie sich etwa, wo der Return on Invest besonders deutlich ist. Also, der Anfang ist gemacht. Jetzt müssen die oft mühseligen Hausaufgaben erledigt werden. Dazu gehört, erst einmal ein Datenfundament zu erarbeiten und sich auf Plattformen festzulegen, die Standards für das gesamte Unternehmen liefern. Aktuell ist Vieles „grassroot-mäßig“ gewachsen und jede Abteilung oder teilweise auch kleine Projektgruppe haben sich für Tools unterschiedlicher Plattformen entschieden. Das alles zu konsolidieren ist eine enorm wichtige Aufgabe. Viele Unternehmen arbeiten zurzeit mit Hochdruck daran.
TPP: Unternehmen wollen Prozesse verschlanken, digitalisieren und KI einbauen. Wo kann man am meisten gewinnen?
VC: Besonders viel Nutzen ergibt sich im Knowledge Management Case. Man muss sich überlegen, wie man das Wissen, das im Unternehmen vorhanden ist, besser verfügbar macht, sodass jeder darauf zugreifen kann. Zumindest auf die Informationen, die für einen selbst relevant und auch zugänglich sein sollten. Und das kann man natürlich auf viel intelligentere Weise machen als mit einem klassischen MyGPT. Ein anderer Fall, der für viele Unternehmen eine Rolle spielt, ist der Software Delivery Lifecycle. Wer beispielsweise mit Wipe Coding experimentiert, hat festgestellt, dass KI wahnsinnig gut darin geworden ist. Wir sehen mittlerweile, dass 99,9 Prozent der Softwareentwickler tatsächlich nicht mehr auf dem Level sind, wie die KI es inzwischen ist. Also: KI knackt alle Benchmarks.
TPP: Ist der Return of Invest von KI eigentlich schon messbar?
VC: Ja, der ist messbar. Momentan ist es noch etwas schwierig, weil wir in die Standards investieren müssen. Das heißt, bei jedem Case muss überlegt werden, schaffen wir es mit diesem groß angelegten Case Standards hochzuziehen, wie zum Beispiel eine AI-Plattform, in die wir investieren. Das heißt, viele der Cases, die in Zukunft kommen werden, werden viel größeren Return on Invest erreichen als die ersten Cases, weil sie dann eben schon vorhanden ist. Deshalb fokussieren sich die meisten Unternehmen zurzeit auf zwei bis drei Cases, bei denen sie großen Wert sehen.
TPP: Wir Deutschen gelten bei Neuerungen grundsätzlich als zurückhaltend – beispielsweise im Vergleich zu den USA. Welche Rolle spielt Vertrauen beim Thema KI?
VC: Vertrauen spielt eine entscheidende Rolle. Bald wird es kaum noch etwas geben, das wir uns nicht vorstellen können, mittels KI zu lösen. In diesem Zusammenhang werden Transparenz und Erklärbarkeit immer wichtiger. In Bezug auf Suchmaschinen ist extrem wichtig, ob wird deren Angaben auch trauen können. Perplexity gibt beispielsweise ihre Quellen an, so dass man überprüfen kann, woher die Angaben stammen und ob die Quelle grundsätzlich vertrauenswürdig ist. Wichtig ist aber auch, dass wir diese doppelte Überprüfung auch wirklich machen und nicht einfach blind vertrauen.
TPP: Die Immobilienbranche ist dafür bekannt, sehr traditionell und vor allem analog zu sein. Zurzeit scheuen viele Unternehmen noch die Kosten einer Transformation und warten lieber noch ab. Ist das ein vernünftiger Ansatz?
VC: Jetzt ist die Zeit zu investieren – insbesondere für Unternehmen, die viele Daten verwalten. Wer über KI spricht, meint man automatisch auch die Daten, über die Wertschöpfung generiert wird. Niemand muss gleich zig Millionen Euro investieren – man kann auch klein anfangen, aber die Skalierung von Anfang an mitdenken. Klein starten, monitoren und herausfinden, wie viel das Ganze einbringt, ist ein gutes Vorgehen, um Klarheit über den Return on Invest zu bekommen.
TPP: Herzlichen Dank für die Ausführungen, Frau Cann.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Copperfox Ventures UG
Erstveröffentlichung: The Property Post, Juli 2025