19.09.2025

Schwarz, Rot, Bestandsgold

Warum weniger Wohnungsbau nicht beklagenswert ist.

Philip C. Hetzer, Geschäftsführender Gesellschafter, Dahler Invest
Philip C. Hetzer

Deutschland baut nicht, Deutschland altert, Deutschland ruht sich auf dem Erreichten aus. Analog leben viele Wohnungsinvestoren und -bestandshalter von der baulichen Substanz – und das im Grunde sehr gut. Denn Wohnraum bleibt ein knappes Gut und der geringe Neubau sowie die wachsende Bedeutung der privaten Altersvorsorge führen zu einer hohen Nachfrage nach Anlageimmobilien und stabilen Cashflows. Aufgrund des Urbanisierungstrends, des Lock-in-Effekts und des sich daraus ergebenden steigenden Wohnflächenbedarfs können Wohnungen in Wachstumsregionen auf absehbare Zeit leicht vermietet werden. Zudem ist mit wachsenden Mieten zu rechnen.

Man kann dies beklagen und beispielsweise den geringen Wohnungsbau als Zeichen des Stillstandes, fehlender Anreize, mangelnder Tatkraft und allgemeiner Innovationsunfähigkeit deuten. Man kann mehr Wohnungsbau in den Ballungsräumen und eine nationale Anstrengung fordern, den Wohnungsbau-Turbo erfinden, den Einsatz alternativer Baustoffe propagieren und jeden Tag Vereinfachungen bei Standards sowie Abschaffung entbehrlicher Normen ankündigen. Das alles ist richtig: Wir können und sollten dies tun. Nur wird das nicht zu sinkenden Mieten im Bestand oder einem signifikant größeren Angebot an günstigem Wohnraum führen. 

Denn Norm ist Norm und eine Norm abzuschaffen oder abzumildern ist in Deutschland für den Gesetz- und Verordnungsgeber ebenso riskant wie für die zuständigen Ämter, weil: Es könnte ja doch mal etwas passieren und dann müsste jemand Verantwortung übernehmen, für etwas, das ihm niemand dankt. So ist alles, was mit Statik oder Schutz in Verbindung steht, hierzulande sakrosankt, egal wie unsinnig eine Vorschrift ist und unabhängig davon, wie stark ihre Umsetzung das Bauen dringend benötigten Wohnraums verteuert: Der Hinweis, dass die Bewohner von Altbauten nicht weniger gefährlich oder unkomfortabler leben als ihre Zeitgenossen in Neubauten, stößt in den Amtsstuben auf taube Ohren.  

Aufgrund dieses Sicherheitsdenkens bleibt der Wohnungsbau in Deutschland teuer und mühsam, auch weil seine eventuell kostenreduzierende Industrialisierung an architektonischen und sozialkulturellen Befindlichkeiten scheitert und die Rationalisierungseffekte deshalb überschaubar bleiben. Man sagt „Platte“ und alle Befürworter von Modulen und serieller Fertigung sind im Rechtfertigungsmodus. Man sagt „Holz“ und ist mit Kahlschlag- und Brandschutzbedenken konfrontiert. Im Ergebnis bleibt Bestand aus Ziegeln und Beton in Deutschland immer günstiger als vergleichbarer Neubau und ist damit ein im Wettbewerb um Mieter bevorteiltes und von Anlegern bevorzugtes Produkt. 

Anders gewendet, könnten wahrscheinlich sehr viele Unternehmen und Branchenvertreter sehr viel Zeit und Geld sparen, wenn sie im Rahmen der Möglichkeiten agierten und nicht permanent in Veranstaltungen und Initiativen Dinge forderten, die nicht über das Versuchsstadium oder punktuelle Anwendung hinauskommen werden. Viele Wohnungssuchende und vor allem Anleger wollen Steine und am liebsten solche, die schon eine Weile stehen. Ich, jedenfalls halte die Wette, dass bei denjenigen, die von Betongold als Sinnbild finanzieller Absicherung schwärmen, immer eine Bestandsimmobilie vor dem inneren Auge erscheint. 

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Dahler Invest
Erstveröffentlichung: Immobilien Zeitung, September 2025

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