22.09.2025

Aussitzen ist keine Option

Wachsender Anpassungsbedarf in vielen Immobilienportfolios

Dr. André Schlüter, Senior Kommunikationsberater, RUECKERCONSULT GmbH
Dr. André Schlüter

Die Transaktionskrise am Markt für Gewerbeimmobilien und die gestiegenen Nachhaltigkeitsanforderungen der Banken bringen wachsende Herausforderungen für Asset- und Fondsmanager in Deutschland. Die Überschreitung geplanter Haltezeiten erfordere in der Regel eine Prolongation der Bankenfinanzierung und Maßnahmen für eine künftige Marktgängigkeit. Beides benötigt ESG-Upgrades und damit professionell gemanagte Investitionen, bestätigt der Berater und frühere Vorsitzende des Vorstands der Real I.S. Group, Jochen Schenk, bei einer Online-Veranstaltung, an der auch Prof. Dr. Michela Lambertz von der TH Köln und Carl Fay, Geschäftsführer von FAY Projects, teilnahmen. Lambertz, die sich sowohl in ihrer Lehr- und Forschungstätigkeit als auch als Bau- und Wirtschaftsingenieurin und Mitinhaberin des Büros Baues Wunder mit nachhaltigem Bauen, Planen und Betreiben befasst, sieht einen wachsenden Druck bei der energetischen Sanierung von Bestandsgebäuden. 

Gestiegene Nachhaltigkeitsanforderungen sind Haupttreiber 
Dass der Anpassungsbedarf in den Portfolios wächst, zeigt eine Umfrage, die RUECKERCONSULT im Auftrag von FAY Projects unter führenden Asset-Management-Unternehmen durchgeführt hat. Demnach haben 56 Prozent der teilnehmenden Asset-Manager in den vergangenen fünf Jahren ihre Verkaufsziele nicht erreicht. 88 Prozent bestätigten, dass ihre Transaktionstätigkeit in den vergangenen fünf Jahren stark beziehungsweise sehr stark zurückgegangen ist. Zugleich berichten vier von fünf Unternehmen von einem gestiegenen Anpassungsbedarf in den von ihnen gemanagten Portfolios. Dieser gehe zu 80 Prozent auf gestiegene Nachhaltigkeitsanforderungen und zu 52 Prozent auf die übliche Alterung der Immobilien zurück. Für 96 Prozent der teilnehmenden Unternehmen sind Modernisierung und Umbau eine wichtige Option im Umgang mit nicht mehr marktgängigen Immobilien, 36 Prozent erwägen dabei sogar eine Änderung der Nutzungsart. Dagegen befassen sich nur 32 Prozent mit dem Gedanken, modernisierungsbedürftige Immobilien zu verkaufen. 

„Der Transaktionsmarkt ist blockiert. Die Wertschöpfungsstrategie zielt eher auf die Entwicklung der Bestände. Der Handlungsdruck ist hoch. Die Herausforderungen sind strukturell. Sie haben auch morgen noch Bestand“, fasst Carl Fay die Situation zusammen. Er sieht die Entwicklerexpertise von FAY Projects als ergänzenden Baustein zum klassischen Asset Management. Das Unternehmen bietet seit etwa einem Jahr Service Developments an und ist derzeit in einigen Prüfungsprozessen involviert. 

Europäische Bankenaufsicht und EZB forcieren Durchsetzung der Nachhaltigkeitsziele 
Einigkeit herrscht bei den Beteiligten, dass die Nachhaltigkeitsziele der EU und die Durchsetzung der ESG-Regulierung bei den maßgeblichen Institutionen weiterhin ganz oben auf der Agenda stehen. „Die Politik bremst zwar auf der Zeitschiene, aber grundsätzlich bleibt Nachhaltigkeit Grundvorsetzung für Finanzierungsbewilligungen, und diese muss messbar gemacht werden“, sagt Michaela Lambertz. Und Jochen Schenk ergänzt: „Bankenaufsicht und EZB haben sich das Thema ESG-Risko ganz groß auf die Fahnen geschrieben und verschärfen die Vorschriften fortlaufend. Immobilieneigentümer, die ihre Bestände demnächst nicht nachweislich nachhaltig ausrichten, werden erhebliche Schwierigkeiten bei der Nachfinanzierung bekommen.“ Eine besondere Herausforderung sieht Schenk dabei im von großen Altbaubeständen geprägten Wohnungssegment. Dort kollidiere der potenzielle Sanierungsaufwand mit den Zielen der Mietenregulierung.  

Besondere Anforderungen bei liegengebliebenen Projekten
Druck mache die europäische Bankenaufsicht auch in Bezug auf liegengebliebene Projekte. „Es wird nicht mehr viele Verlängerungen von Kreditlinien geben. Ein schlichtes Aussitzen und Hoffen, dass der Markt sich demnächst irgendwie und irgendwann erholt, wird nicht mehr möglich sein.“ Im Falle eines Projektstillstandes empfiehlt Schenk, dass sich die Bank, Mezzaninkapitalgeber, Investoren und Projektentwickler gemeinsam überlegen, ob und wie das Vorhaben zu Ende geführt werden kann. Gegebenenfalls müsse dann Kompetenz von außen geholt werden. „Man muss den Hut wechseln, damit man frisch auf Dinge schauen kann und wieder Vertrauen in ein Projekt einzieht.“ Es gäbe hinreichend Modelle, wie sich haftungsrechtliche Strukturen neu aufsetzen lassen und damit neue Entscheidungsfähigkeit möglich wird, sagt Schenk. Gleichwohl werde die Wichtigkeit dieses Punktes oft unterschätzt. Voraussetzungen für eine Tätigkeit als Service Developer seien nicht zuletzt buchhalterische Kompetenzen, um Klarheit in die Finanzen zu bringen, sowie umfassendes und am besten nutzungsartübergreifendes bauliches Know-how, selbst wenn Wechsel der Nutzungsart seltene Ausnahmen bleiben werden. 

Angebotsseitig sieht Carl Fay einen Kapazitätsmangel auf die Branche zukommen. „Die zahlreichen Insolvenzen der vergangenen Monate und Jahre haben das Feld der Entwicklungsunternehmen in Deutschland stark schrumpfen lassen und die Zahl der Neugründungen wird überschaubar bleiben, weil Entwicklerpersönlichkeiten mit Kompetenz und Erfahrung nicht zahlreich nachwachsen.“

 

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von RUECKERCONSULT GmbH
Erstveröffentlichung: The Property Post, September 2025

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