Früher Zyklus, klare Chancen – worauf der Markt jetzt schaut
Die deutsche Immobilienwirtschaft startet 2026 in ein frühzyklisches Umfeld: Die Konjunktur erholt sich langsam, der Markt sendet erste Stabilisierungssignale – aber nicht überall im gleichen Tempo. Wer heute investiert oder Bestände aktiv weiterentwickelt, braucht deshalb ein sauberes Verständnis dafür, welche strukturellen Kräfte diesen Zyklus prägen – und welche Nutzungsarten daraus Rückenwind erhalten.
Ein Zyklus der Neuordnung – Demografie, Globalisierung, ESG als Treiber
2026 wird ein Jahr der Chancen, weil Preisfindung, Finanzierung und Nachfrageprofile sich neu sortieren – und weil sich in mehreren Segmenten die Voraussetzungen für wieder anziehende Aktivität verbessern. Höhere Finanzierungskosten, geopolitische Spannungen und anspruchsvollere Regulierung bilden den Rahmen. Zugleich verändern strukturelle Veränderungen in Demografie, Globalisierung und ESG-Anforderungen die Risikowahrnehmung und damit die Kapitalallokation. Der Markt befindet sich in einer Phase der Neuordnung, die Investoren fordert, aber auch Spielräume eröffnet, wenn flexibel agiert und konsequent auf Qualität gesetzt wird.
Investorenverhalten: Privates Kapital gibt den Takt vor – internationales Interesse kehrt zurück
Im Transaktionsgeschehen bilden sich klare Schwerpunkte: Private Investoren und Family Offices dominieren, während institutionelles Kapital selektiver agiert. Ausschlaggebend sind dabei zwei Faktoren: Preisabschläge in Core- und Core-Plus-Lagen eröffnen Opportunitäten, solange die Finanzierung darstellbar bleibt. Außerdem ziehen internationale Kapitalströme wieder an – insbesondere aus angelsächsischen Ländern, Frankreich, Asien und dem Nahen Osten. Parallel gewinnen alternative Finanzierungsformen wie Private Debt an Bedeutung. Für Marktteilnehmer bedeutet das: Kapital ist verfügbar, aber es kommt anders in den Markt als in den Jahren vor der Zinswende.
Konjunktur und Immobilienzyklus laufen nicht synchron, sind aber eng verbunden. Die Wirtschaft reagiert schneller auf Schocks und politische Maßnahmen, Immobilienmärkte folgen wegen längerer Planungs- und Investitionszyklen verzögert. In beiden ist jedoch eine Transformationsphase erkennbar, in der Resilienz, Effizienz und Zukunftsfähigkeit zu Leitlinien werden.*
Büro: Zweiteilung wird zur Grundlogik – ESG-konforme Flächen bleiben knappes Gut
Im Bürosegment wird sich die Nachfrage stabilisieren, insbesondere durch Großnutzer. Gleichzeitig sinkt die Neubautätigkeit ab 2026 spürbar. Entscheidend ist jedoch die Zweiteilung des Markts: In zentralen Innenstadtlagen steigen die Spitzenmieten weiter an. Hochwertige, ESG-konforme Flächen bleiben stark nachgefragt und treiben die Preisentwicklung. In peripheren Lagen entwickeln sich die Durchschnittsmieten dagegen überwiegend seitwärts, was die Mietspreizung weiter vergrößert und den Spielraum für Aufwertungsmaßnahmen einschränkt.
Auf der Vermietungsseite erreicht die Leerstandsquote in den Top-7-Städten einen neuen Höchststand. 2026 wird zudem voraussichtlich das letzte Jahr mit hoher Projektentwicklungspipeline sein: Der Wettbewerb im Neubausegment wird sich nochmals verschärfen, bevor die Verfügbarkeit ab 2027 deutlich sinken wird. Am Investmentmarkt zeichnet sich eine vorsichtig optimistische Entwicklung ab. Die Bruttoanfangsrenditen in den Top 7 bewegen sich 2026 voraussichtlich in einer Spanne von 4,25 bis 5,00 Prozent. Investoren fokussieren sich verstärkt auf zentrale Lagen und ESG-konforme, zukunftsfähige Bestandsobjekte
Wohnen: Angebotsdefizit bleibt – Mietwachstum von mindestens fünf Prozent erwartet
Der Wohnungsmarkt bleibt auch 2026 ein struktureller Engpassmarkt. Trotz politischer Maßnahmen – etwa 4 Mrd. Euro Bundesfinanzmittel für den sozialen Wohnungsbau und dem angekündigten „Bau-Turbo“ – geht die Bautätigkeit weiter zurück. Es werden ca. 175.000 Wohneinheiten fertiggestellt, was deutlich unter dem Bedarf liegt. Zugleich wächst die Zahl der Haushalte, wodurch sich die Wohnraumlücke weiter öffnet.
Die Konsequenz: Mietanstiege von mindestens fünf Prozent in den Metropolen. Während Neubau und Angebot schwach bleiben und die Mieten weiter steigen, zeigt der Investmentmarkt bereits wieder eine spürbare Belebung. In Teilmärkten zeichnet sich bei hoher Nachfrage und Fokus auf jüngere Baujahre sogar eine leichte Renditekompression ab.
Einzelhandel & Logistik: Konsolidierung – und gleichzeitig neue Nachfrageimpulse
Im Einzelhandel setzt sich die Konsolidierung fort, verstärkt durch verändertes Konsumverhalten. Gewinner sind vor allem Fachmärkte, Lebensmittelhändler und Non-Food-Discounter, insbesondere mit tragfähigen, zukunftsfähigen Konzepten. Innenstädte reagieren zunehmend mit Mixed-Use, mehr Services und digitalen Formaten. Auf Investorenseite stehen lebensmittelgeankerte Konzepte und revitalisierungsfähige Shoppingcenter stärker im Fokus.
Der Logistikmarkt steht vor einem Wendepunkt. Nachfrageimpulse kommen aus dem E-Commerce (mit einem erwarteten Flächenbedarf von über 650.000 Quadratmeter) sowie aus dem Bereich Defence. Gleichzeitig führt die Konsolidierung in Industrie- und Kontraktlogistik zu differenzierteren Flächenstrategien. Bedeutender werden damit strategische Lagen, komplexere bzw. spezialisierte Logistikimmobilien und flexible Bestandsobjekte.
Hotel & Spezialsegmente: Konversionen und Zukunftsnutzungen treiben Dynamik
Im Hotelmarkt sehen wir Rückenwind durch steigende Inlands- und Auslandsnachfrage. Weil klassische Neubauten selten realisiert werden, gewinnen Office-to-Hotel-Konversionen an Gewicht. Internationale Marken und Serviced-Apartment-Anbieter erhöhen die Marktaktivität, was zu einem prognostizierten Transaktionsvolumen von 1,9 bis 2,2 Mrd. Euro in Deutschland führt.
Besonders dynamisch entwickeln sich Spezialsegmente: Life Sciences verzeichnen einen steigenden Bedarf an Labor- und Forschungsflächen, vor allem in Clusterregionen wie München, Berlin und Rhein-Neckar. Data Center profitieren vom hohen Rechenleistungs- und Infrastrukturbedarf digitaler Anwendungen sowie politischem Rückenwind. 2026 zählen sie zu den zentralen Wachstumstreibern.
Was 2026 entscheidend macht: Timing, Qualität und aktives Asset Management
Zusammengefasst ist 2026 ein Jahr, in dem sich Marktregeln neu justieren: Nutzeranforderungen werden spezifischer, Finanzierung bleibt anspruchsvoll, ESG wird vom Label zur wirtschaftlichen Notwendigkeit. Gleichzeitig entsteht genau daraus ein Chancenfenster, insbesondere für Akteure, die Preisfindung und Risiko neu kalibrieren können, in zukunftsfähige Nutzungen und Lagen investieren und Wertschöpfung konsequent über Asset Management, Repositionierung oder Konversion heben. Resilienz, Effizienz und Zukunftsfähigkeit werden zu den entscheidenden Faktoren für nachhaltigen Erfolg – und damit zum Prüfstein jeder Strategie im deutschen Immobilienmarkt 2026.
* Die makroökonomische Einordnung des Ausblicks basiert auf einem prognostizierten moderaten Wachstum von rund 1,1 % für 2026, sinkender Inflation und stabiler Beschäftigung.
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Erstveröffentlichung: The Property Post, Dezember 2025