Zwischen Vision und Realität
ESG ist in der Immobilienwirtschaft längst kein Randthema mehr, sondern hat sich zu einem zentralen Bestandteil strategischer Entscheidungen entwickelt. Doch wie gut unterstützen digitale Tools und ESG-Softwarelösungen Asset Manager tatsächlich in ihrer täglichen Arbeit? Zwischen regulatorischen Anforderungen, Datenerfassung und der Suche nach flexiblen Systemen zeigt sich: ESG-Software ist ein wichtiger Baustein für nachhaltiges Asset Management, aber noch weit entfernt von Perfektion. Die größten Herausforderungen liegen in der Datenqualität, der Integration und der Automatisierung. Während sich die Technik weiterentwickelt, bleibt eines unverändert: ESG braucht Menschen, die Verantwortung übernehmen und Systeme, die ihnen das einfacher machen. Über den aktuellen Stand und die künftige Entwicklung sprach The Property Post mit Iris Hagdorn, Leiterin ESG bei der HIH Real Estate, und Martin Unglert, Head of ESG & Sustainability beim globalen Asset Manager Manova.
The Property Post: Frau Hagdorn, Sie verantworten bei der HIH Real Estate das Thema ESG auf Unternehmensebene. Wie sieht Ihre Arbeit konkret aus?
Iris Hagdorn: Bei uns umfasst ESG die gesamte Wertschöpfungskette – von der Unternehmensebene über die Fondsebene bis hin zum einzelnen Objekt. Wir brauchen eine ESG-Dateninfrastruktur, die man sich wie eine Autobahn vom Zähler bis zum Reporting vorstellen kann. Ziel ist es, alle relevanten Daten nahtlos zu erfassen, zu verarbeiten und für Steuerung, Monitoring und Reporting verfügbar zu machen. Ohne valide Daten ist ESG schlicht nicht steuerbar.
The Property Post: Herr Unglert, wie ist das bei Ihnen bei Manova Partners organisiert?
Martin Unglert: Wir managen weltweit Immobilien in Europa, den USA, Lateinamerika und Australien. ESG ist integraler Bestandteil unserer Strategie. Wir haben früher mit Measurabl gearbeitet, sind aber 2023 komplett auf Deepki umgestiegen. Unser Ziel ist, alle Objekte strukturiert abzubilden und ein sowohl produkt- als auch unternehmensspezifisches Reporting zu ermöglichen. Für uns ist klar: Nur wer seine Daten versteht, kann ESG-Ziele glaubwürdig verfolgen.
The Property Post: Frau Hagdorn, Sie erwähnten die Integration in die eigene IT-Struktur. Wie wichtig ist diese Verzahnung?
Iris Hagdorn: Sehr wichtig. ESG-Kennzahlen müssen genauso behandelt werden wie Finanzkennzahlen. Sie müssen durch die gleichen Systeme laufen, damit sie in Controlling und Reporting vollständig integriert sind. Deshalb bauen wir viele Komponenten selbst und achten bei der Auswahl, Zusammenarbeit und Integration unserer Partner darauf, dass sie schnittstellentauglich sind. Wir mögen keine starren Systeme – unsere Dateninfrastruktur muss flexibel sein.
Martin Unglert: Das war auch unser Hauptgrund, Measurabl zu verlassen. Die Software war zu stark auf den US-Markt fokussiert. Für internationale Portfolios brauchen wir offene Systeme, die unterschiedliche regionale Anforderungen abbilden können. Entscheidend ist, dass Datenqualität, Migration und Schnittstellen funktionieren – sonst scheitert jede gute ESG-Strategie an der Technik.
The Property Post: Viele Immobilien Asset Manager arbeiten nach wie vor mit Excel. Ist das auch bei Ihnen der Fall?
Martin Unglert: Leider ja. Wir sind noch nicht an dem Punkt, an dem wir ganz auf Excel verzichten könnten. Zwar verbessert sich die Datenqualität stetig, und die automatisiert generierten Kennzahlen werden nachvollziehbarer. Aber am Ende exportieren wir vieles weiterhin nach Excel, um dort detailliert (weiter) zu arbeiten. Das Ziel ist klar: Weg von manueller Arbeit, hin zu automatisierten Prozessen.
Iris Hagdorn: Wir gehen einen etwas anderen Weg und setzen auf eine Kombination aus verschiedenen Tools und Softwarelösungen. Damit können wir Daten aggregieren, analysieren und in Dashboards visualisieren. Trotzdem bleibt die Datenerfassung aktuell die größte Herausforderung, sie ist immer noch viel zu manuell und daher fehleranfällig. Ohne Digitalisierung der Gebäude, also automatisierte Verbrauchsdatenerfassung ab Zählerebene, bleibt ESG-Reporting sowie Steuerung / Optimierung Stückwerk. Der Erfolg wird am Anfang der Dateninfrastruktur entschieden, und das ist die Messtechnik
The Property Post: Wie ließe sich diese manuelle Datenerfassung verbessern?
Martin Unglert: Bei uns liegt ein Schwerpunkt auf Schulung und Verantwortungsbewusstsein. Die Asset Manager sind regional für die Objektperformance verantwortlich, die Property Manager erfassen die Daten. Wenn alle verstehen, dass sie Teil der ESG-Kette sind, steigt die Datenqualität. Wichtig ist, dass jeder seine Zahlen kennt und für sie einsteht.
Iris Hagdorn: Ja, absolut – wir fahren ein ähnliches Setup: Die Asset Manager steuern die Performance der Objekte, die Property Manager kümmern sich um die strukturierte Datenerfassung. Zusätzlich verfolgen wir klar die Richtung Automatisierung: Je weniger manuell, desto besser. Unser Ziel ist, Gebäude so auszurüsten, dass sie ihre Daten automatisch liefern. Das ist allerdings ein langfristiger Prozess.
The Property Post: Wie realistisch ist es, diese Prozesse in absehbarer Zeit zu automatisieren?
Iris Hagdorn: Wir sprechen hier von einem Horizont von mindestens fünf Jahren. Es braucht Investitionen in Infrastruktur und Sensorik. Ohne diese Basis bleibt ESG-Digitalisierung ein theoretisches Konzept.
Martin Unglert: Genau. In einigen Regionen, etwa in Chile, haben wir Objekte, bei denen die Datenerfassung bis hin zum Müllvolumen vollständig automatisiert ist. In anderen Ländern bekommen wir kaum Daten. Zudem ist die Finanzierung solcher Projekte derzeit schwierig und das bremst die Umsetzung.
The Property Post: Gibt es denn Tools oder Länder, die in der ESG-Digitalisierung weiter sind?
Martin Unglert: Nicht wirklich. ESG ist stark europäisch geprägt. In den USA gab es mit Energy Star gute Ansätze, aber die staatliche Förderung wurde zurückgefahren. Letztlich zeigt sich überall: Kein System ist perfekt. Man muss selbst nachsteuern und anpassen.
Iris Hagdorn: Das sehe ich genauso. Früher dachte man, eine Plattform könne alle ESG-Datenprobleme lösen. Die Kunst liegt darin, verschiedene Komponenten so zu kombinieren, dass sie eine Infrastruktur bilden.
The Property Post: Zum Schluss: Welche Rolle wird Künstliche Intelligenz künftig in der ESG-Arbeit spielen?
Martin Unglert: Eine große. Wir nutzen KI bereits bei Peer-Group-Analysen, weil ESG-Daten öffentlich zugänglich sind. Mittelfristig soll KI uns helfen, Verträge zu digitalisieren und zu standardisieren. In der Immobilienbranche ist vieles noch Handarbeit – das treibt die Transaktionskosten. KI kann hier enorme Effizienzgewinne bringen.
Iris Hagdorn: Absolut. KI wird integraler Bestandteil der gesamten Datenstrecke – vom Auslesen von Rechnungen bis zur Erkennung und Plausibilisierung von Verbrauchswerten. Ohne KI werden wir das wachsende Datenvolumen künftig gar nicht mehr bewältigen können.
The Property Post: Vielen Dank für das Gespräch!
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von HIH Invest Real Estate und Manova Partners
Erstveröffentlichung: The Property Post