Wie Sievert Baustoffe Kreislaufwirtschaft mit Innovation und Verantwortung vorantreibt.
Die Errichtung von Gebäuden ist von immer knapper werdenden Rohstoffen, großen Abfallmengen und hohen CO2-Emissionen geprägt. Die Implementierung von kreislaufwirtschaftlichen Elementen bietet einen Ausweg.
Herr Precht, warum geht Sievert Baustoffe das Thema Kreislaufwirtschaft so entschlossen an?
Sievert ist ein Familienunternehmen mit langer Tradition und entsprechend langfristig ausgerichtet. Hinzu kommt ein hohes gesellschaftliches Verantwortungsbewusstsein. Natürlich wollen wir auch unternehmerisch erfolgreich sein. Die Kombination aus Verantwortungsbewusstsein, langfristigem Denken und Erfolg führt direkt zu unserer Nachhaltigkeitsstrategie.
Wie gehen Sie konkret vor?
Primärrohstoffe wie Sand oder Kies werden immer knapper und damit auch teurer. Wir ersetzen „frische“ Rohstoffe durch sekundäre, das heißt wieder aufbereitete Rohstoffe. Klassischerweise liegen die Errichtung und der Abriss eines Gebäudes zeitlich weit auseinander und werden von nicht miteinander in Verbindung stehenden Unternehmen durchgeführt. Unser Ziel ist es aber, vom Rohstoff bis zur Wiederverwertung jeden einzelnen Prozessschritt so weit wie möglich zu beeinflussen. Wir arbeiten mit Partnerunternehmen zusammen, die gemäß unserer Spezifikationen Gebäude abbauen und zerlegen. Diese Vorselektion ermöglicht uns, aus Abrissmaterial Premium-Baustoffe herzustellen.
Das klingt einfach. Warum agiert die Baustoffindustrie nicht längst überall so?
Zur Verarbeitung von Sekundärrohstoffen müssen die vorhandenen Fertigungsprozesse angepasst werden. Das geht nicht per Knopfdruck. Im nächsten Schritt müssen die Herstellungsprozesse auf große Mengen bei hoher Qualität ausgerichtet werden. Nur so lassen sich marktfähige Preise erreichen. Um einen vollständigen Kreislauf zu implementieren, verwandeln wir auch die auf der Baustelle anfallenden, teils erheblichen Abfallmengen zu neuen hochwertigen Baustoffen. In der Regel sind Aufbereitungs- und Verarbeitungsstandorte für Sekundärrohstoffe überregional orientiert, was zu langen Transportwegen und damit zu einem erheblichen CO2-Ausstoß führt. Wir streben die regionale Verarbeitung von regional anfallenden Sekundärrohstoffen an. Eine solche dezentrale Struktur kann ich dann wirtschaftlich betreiben, wenn ich KI-Applikationen zur Verfügung habe, die auf Baustellen ermitteln, welche Baustoffe in welcher Qualität benötigt werden. Für den Aufbau der Prozesse, aber natürlich auch für die Produktentwicklung investieren wir seit vielen Jahren erheblich in Forschung und Entwicklung und kooperieren dabei mit führenden Hochschulen und Forschungseinrichtungen.
Wie setzt Sievert Zirkularität in der Praxis um?
Wir haben eine Reihe von Pilotprojekten, die sehr gute Ergebnisse erzielen. Zum Beispiel der neue JED Campus, ein Zentrum für Wissenstransfer, Innovation und Unternehmertum in Schlieren, das komplett recycelbar ist. Dazu kommen weitere Nachhaltigkeitsfeatures wie die intelligente Klimaarchitektur, natürliche Kühlung und Heizung und vieles mehr.
Auf welche Hemmnisse stößt die Implementierung der Kreislaufwirtschaft im Bausektor?
Kurzfristig hemmend wirkt die wirtschaftliche Machbarkeit angesichts der häufig noch recht hohen Kosten für kreislauffähige Baustoffe. Hinzu kommt die Materialverfügbarkeit: Der Wettbewerb um Sekundärrohstoffe nimmt zu, das treibt die Preise. Um mehr Dynamik zu erzeugen, müssen wir es attraktiv machen, große Volumina zu erschließen und Abrissmaterialien in systematisierter Weise an Ort und Stelle zu sortieren. Hierfür ist die Wertschöpfungskette bislang zu fragmentiert, die Stakeholder sind stark spezialisiert und tauschen sich nicht aus. Das muss sich ändern – wir brauchen mehr Kooperation. Und wir brauchen in der Entwicklung mehr Geschwindigkeit und andere, schnellere Methoden, die beispielsweise der aus der Softwareentwicklung bekannten Scrum-Logik folgen. Leider ist die Bauwirtschaft in ihrer Breite noch recht konservativ.
Mittelfristig ausgebremst werden wir durch Normung und Regulatorik. Es ist genau festgelegt, was aufbereitet werden darf, wie die aus Sekundärrohstoffen hergestellten Produkte verarbeitet werden müssen und vieles mehr. Änderungen und Anpassungen an aktuelle Erfordernisse werden in den Normungsausschüssen diskutiert, und das dauert im Schnitt zehn Jahre.
Wie bringen wir die Kreislaufwirtschaft voran?
Bei Sievert setzen wir auf unternehmerische Dynamik – machen und nicht warten. Wir nehmen den gesamten Kreislauf in den Blick und nicht nur einzelne Segmente. Wir versuchen, möglichst viele Stakeholder auch fachlich zu integrieren, und wir investieren in Forschung und Entwicklung. Technologische Innovationen spielen eine große Rolle, dafür sollte die gesamte Branche offener werden. Wir brauchen eine Sensorik, die darauf trainiert werden kann, Materialien zu identifizieren und Sortierungen vorzunehmen. Aber auch die Öffentliche Hand muss etwas tun. Der Gelbe Punkt ermöglicht der Abfallwirtschaft das standardisierte und zunehmend automatisierte Trennen und Sortieren. Einen solchen Punkt – in welcher Farbe auch immer – benötigen wir auch im Baustoffbereich. Wettbewerb ist essenziell, aber auch der gesetzliche Rahmen muss auf Zirkularität hin neu justiert werden. Kreislaufwirtschaft ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Sievert Baustoffe SE & Co. KG
Erstveröffentlichung: The Property Post Institutional