Herr Schrapers, das Thema Nearshoring gewinnt in Zeiten geopolitischer Unsicherheit an Bedeutung. Welche Auswirkungen spüren Sie im Markt?
Nearshoring betrifft sowohl Produktions- als auch Absatzmärkte. Ziel ist es, Wertschöpfungsketten näher an die Kunden heranzubringen. Auslöser sind häufig geopolitische Spannungen, Lieferkettenrisiken oder stark gestiegene Transport- und Energiekosten – Entwicklungen, die wir zuletzt während der Corona-Pandemie deutlich gespürt haben. Vor allem Osteuropa profitiert von dieser Verlagerung. Länder wie Polen, Tschechien, Rumänien oder Bulgarien bieten attraktive Förderprogramme, geringe Lohn- und Betriebskosten sowie kürzere Lieferwege innerhalb Europas. Aber auch Südeuropa – etwa Portugal und Spanien – rückt zunehmend in den Fokus.
Welche Faktoren entscheiden aktuell über die Standortwahl?
Neben der Nähe zu Absatz- und Beschaffungsmärkten sind es vor allem Transportkosten, die Verfügbarkeit qualifizierter Fachkräfte, Lohnkosten und Infrastruktur – also Straßen, Schienen, Energieversorgung und digitale Netze. Hinzu kommt ein stabiles Investitionsklima. Grundstücks- und Baukosten spielen natürlich ebenfalls eine Rolle, sind aber meist nachgelagert.
Wie stark prägen Nachhaltigkeit und Digitalisierung die Standortentscheidungen inzwischen?
Sehr stark. Viele Unternehmen wollen ihre CO₂-Bilanz verbessern, was heimatnahe Produktionsstandorte begünstigt. Gleichzeitig ermöglichen Digitalisierung und Automatisierung, den Personalanteil und damit Kosten deutlich zu reduzieren. Politische Stabilität ist ein weiterer, zunehmend wichtiger Standortfaktor.
Welche Regionen sind derzeit besonders gefragt?
Osteuropa bleibt die wichtigste Wachstumsregion. Polen, Rumänien und Bulgarien punkten mit EU-Förderprogrammen, wettbewerbsfähigen Löhnen und einer stark verbesserten Infrastruktur.
Daneben gewinnen Spanien und Portugal an Bedeutung. Das liegt unter anderem an ihrer Nähe zu internationalen Handelsrouten und niedrigen Energiekosten, weil große Teile des Energiebedarfs mit Solarstrom gedeckt werden können.
In Deutschland wird zunehmend über die Revitalisierung von Brownfields gesprochen. Welche Chancen sehen Sie hier?
Brownfield-Standorte bieten große Vorteile: bestehendes Baurecht, gute Erschließung und oft eine attraktive Lagequalität in etablierten Industriegebieten. Dazu kommt die ESG-Perspektive. Die Wiederverwendung statt Neubau spart Ressourcen und findet bei Kommunen hohe Akzeptanz.
Natürlich gibt es Herausforderungen wie Altlasten, Schadstoffe oder ungünstige Gebäudelayouts. Trotzdem sind Brownfields häufig die einzige realistische Option, wenn keine freien Flächen verfügbar sind.
Nachhaltigkeit ist nicht nur ein Trend, sondern regulatorische Pflicht. Wie verändert das die Planung von Immobilien?
EU-Richtlinien und nationale Effizienzvorgaben schaffen klare Rahmenbedingungen. Ohne Green-Building-Zertifizierung – ob DGNB, LEED oder BREEAM – ist eine Finanzierung oder Vermarktung oftmals kaum noch möglich. Entsprechend planen wir heute von Beginn an nachhaltige Gebäudekonzepte: energieeffiziente Hülle, Photovoltaik, Wärmepumpen, Abwärmenutzung, Batteriespeicher und Ladeinfrastruktur für E-Mobilität. Nachhaltige Gebäude sind nicht nur zukunftsfähiger, sondern auch wirtschaftlich attraktiver – sie sichern langfristig den Wert und verbessern die Finanzierungschancen.
Automatisierung und Robotik verändern Produktionsprozesse. Was bedeutet das für die Immobilie selbst?
Automatisierung bringt neue Anforderungen an Hallenhöhen, Traglasten und Layouts mit sich. Fördertechnik, Robotik und autonome Transportsysteme erfordern andere Verkehrswege, höhere Sicherheitsstandards und leistungsfähige Strom- und IT-Infrastruktur. Zudem sinkt der Personalbedarf, während der Bedarf an IT- und Automatisierungsspezialisten steigt. Dadurch werden künftig vor allem Regionen mit digitaler Infrastruktur und Nähe zu Hochschulen oder Technologieclustern an Bedeutung gewinnen.
Neben harten Standortfaktoren spielen oft auch weiche Kriterien eine Rolle – etwa Behördenkultur oder Willkommenskultur. Wie gewichten Sie diese?
Sie sind schwer messbar, aber entscheidend. Wir begleiten unsere Kunden regelmäßig auf Standortreisen, um die Offenheit und Kooperationsbereitschaft der Regionen zu erleben. Eine positive Behördenkultur beschleunigt Projekte enorm. In Osteuropa erleben wir eine hohe Proaktivität. Dort versteht man Industrieansiedlung als Chance. In Deutschland besteht teilweise Nachholbedarf, vor allem was die Geschwindigkeit von Genehmigungen angeht.
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Erstveröffentlichung: The Property Post, Dezember 2025