16.07.2025

Wohnen aus Sicht der Politik

Der neue EU-Wohnkommissar Dan Jørgensen soll Europa klimafreundlicher und bezahlbarer machen

Dr. Paul Kowitz, Partner, KPC Berlin GmbH
Dr. Paul Kowitz

Der neue EU-Wohnkommissar Dan Jørgensen soll Europa klimafreundlicher und bezahlbarer machen – doch seine Herausforderungen sind enorm. Ohne eigene Gesetzgebungskompetenz im Wohnungsbau und mit einer komplexen Abstimmungsstruktur in Brüssel steht er vor der Schwierigkeit, praktische Lösungen für steigende Mieten und stockenden Neubau zu finden. Es hängt also weiterhin an der Bundesregierung und den Kommunen, für ausreichend Wohnungen zu sorgen. Die gute Nachricht immerhin: Es gibt Ideen.

„Eigentum verpflichtet. Aber zuallererst verpflichtet es denjenigen, der keins hat, zu hohen Mieten.“ Ein wenig ironisch beschreibt der Satz die Wohnsituation in Europa ziemlich treffend. Mieten steigen, Neubauten stocken – und nun soll ein neuer Akteur für frischen Wind sorgen: Dan Jørgensen, der frisch ernannte EU-Kommissar für Energie und Wohnen. Sein Auftrag? Europa klimafreundlicher und bezahlbarer zu machen – zumindest auf dem Papier. Doch Kommunen, die den Wohnungsmarkt aus nächster Nähe kennen, wissen: Zwischen ambitionierten Brüsseler Konzepten und dem realen Wohnungsmarkt liegen oft mehr Hindernisse als bezahlbare Baugrundstücke.

Dabei könnten die Ausgangslage für Jørgensen schlechter nicht sein. Die EU hat keine Gesetzgebungskompetenzen im Bereich des Wohnens oder der Baupolitik. Vor dem Hintergrund des Subsidiaritätsprinzips macht das auch Sinn. Schließlich soll die EU immer nur dann tätig werden, wenn die Mitgliedstaaten es selbst nicht besser können. Folglich hat die EU auch keine Erfahrung mit Förderbauprogrammen oder Bauvorschriften. Jørgensen selbst verfügt nicht einmal über eine eigene Generaldirektion, die häufig nicht weniger als 1.000 Mitarbeiter haben. Und so lange der Mittelfristige Finanzrahmen der EU nicht beschlossen ist, hat er auch kein Geld zum Verteilen.

Realistisch betrachtet, wird sein Einfluss nicht im Wohnungsbaubereich sondern eher in der energetischen Sanierung und der CO2-Reduktion liegen. Aber auch hier hat er große Stolpersteine vor sich liegen. Denn erstmals in der Geschichte hat sich die EU-Kommission eine neue Arbeitsweise gegeben. In der neuen Matrixorganisation hat Jørgensen kein eigenständiges Mandat und muss sich ständig mit anderen Kommissaren abstimmen. Beispielsweise müsste er für eine Reform der EU-Gebäuderichtlinie gleich mehrere Kollegen einbinden, darunter den Klimakommissar Hoekstra, den Vize-Exekutivpräsidenten Séjourné und die Exekutiv-Vizepräsidentin Ribera. Diese komplexe Abstimmungsstruktur erschwert Entscheidungen erheblich.

So symbolbehaftet die neue Personalie in Brüssel also sein dürfte, Wohnungsbaupolitik wird weiterhin die Domäne der Mitgliedstaaten und ihrer lokalen Akteure bleiben. Hier startet die neue Bundesregierung im Grunde mit denselben Fragestellungen wie ihre Vorgänger. Die Versuchung einer Regierung am Ende der Verursacherkette anzusetzen und das Mietrecht zu regulieren, hat auch schon in der Vergangenheit nicht dazu geführt, dass eine zusätzliche Wohnung dadurch entstanden sei. Vielmehr droht jetzt das Problem, dass eine Mietpreisbremse, die für eine sozialgerichtete Atempause sorgen sollte, während gleichzeitig gebaut wird, schlicht an ihre verfassungsrechtlichen Grenzen stößt.

Folglich muss der Fokus auf der Angebotsseite liegen. Starre Wohnungsbauziele als politischer Bilanzierungsversuch sind dabei jedoch wenig hilfreich, wenn die Wohnung nicht genau dort entsteht, wo sie gebraucht wird. Um das zu erreichen, könnte man doch wieder Anleihen an der EU nehmen. Im Zuge der Energiepreiskrise entwickelte Brüssel nämlich eine Notfallverordnung zur Ausweisung von Vorranggebieten. In solchen Gebieten sollten zum Aufstellen von regenerativen Erzeugungsanlagen nur vereinfachte Genehmigungsverfahren zum Tragen kommen. Zusätzliche stellte die Ampelregierung die Erneuerbaren Energien in „überragende öffentliche Interesse“. Selbiges könnte man auch für den Wohnungsbau in angespannten Wohnungsmärkten tun, um Genehmigungen zügiger zu ermöglichen und die kommunalen Verwaltungen zu entlasten.

Die deutsche Wohnungsbaupolitik gleicht einem Jonglierakt zwischen Klimaschutz, bezahlbarem Wohnraum und wirtschaftlicher Realität. Am Ende bleibt die Erkenntnis: Wohnen ist zu wichtig, um es allein der Politik zu überlassen. Vielleicht brauchen wir weniger Vorschriften und mehr Pragmatismus. Oder, um es mit einem alten Architektenwort zu sagen: "Man kann alles bauen, wenn man nur dürfte."

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von KPC Berlin GmbH
Erstveröffentlichung: DSK DEPESCHE, Fachzeitung für Stadtentwicklung, Juli 2025

Konversation wird geladen