19.09.2025

Stadt der verhinderten Eigentümer

Dr. André Schlüter, Senior Kommunikationsberater, RUECKERCONSULT GmbH
Dr. André Schlüter

Berlin ist eine Mieterstadt und das Reallabor für den Mieterschutz, so lässt sich jedenfalls das Selbstverständnis der hiesigen Wohnungspolitik zusammenfassen. Aber stimmt das überhaupt und wird mit der Mieterstadt nicht ein defizitärer Istzustand als Zielvorgabe verkauft? Schließlich belegen immer wiederkehrende Umfragen ein hohes Interesse der Berliner an den tatsächlich eigenen vier Wänden. 

Und warum auch nicht? Das Risiko, als Eigentümer Vermögensverluste wegen sinkender Immobilienpreise hinnehmen zu müssen, scheint in Berlin bis auf Weiteres denkbar gering. Stattdessen winken der Schutz vor Mieterhöhungen und die Chance auf Wertsteigerungen. Doch der Gedanke, dass die Bürger auch wirtschaftlich an der Entwicklung ihrer Stadt partizipieren sollten, ist in Berlin politisch nicht mehrheitsfähig. Das hat sehr viel mit dem Defizit an Bürgerlichkeit und der Geschichte Berlins zu tun.

Die Stadt war preußische Residenz. Hier gaben Beamte und Militärs den Ton an, der König kümmerte sich, Bismarck erfand die autoritär geprägte Sozialpolitik und auch seine Antipoden aus der Arbeiterbewegung arrangierten sich, kaum war die Revolution von 1918 vorüber, mit dem Staat. Emanzipation hat es dazwischen in Berlin in privaten Salons, der Literatur der Aufklärung, später bei Theodor Fontane und nach dem Krieg in nonkonformistischen Nischen auf beiden Seiten der Berliner Mauer gegeben. 

Historisch notwendig blieb auch im Sozialismus und in der West-Berliner Subventionswirtschaft die staatliche Versorgung der Grundgedanke der Berliner Wohnungspolitik. Initiative zeigten dagegen vor allem Menschen, die mit dem deutschen Staat als Wohltäter nur bedingt etwas anfangen konnten. Gastarbeiter und deren Kinder beziehungsweise Enkel haben bis heute ein überproportionales Interesse an Wohneigentum: Sie wollen ihr Stück Berlin erwerben, während 86 Prozent der Haushalte in Berlin weiter zur Miete wohnen.

Die Linke, die Grünen und großteilig auch die Berliner SPD setzen derweil die antiemanzipatorische Wohnungspolitik fort. Sie behaupten das Primat der Miete und schaffen so die Voraussetzung, um ihre Wähler mit allen Mitteln weiter vor Mietsteigerungen und internationalen Investoren schützen zu können. Nur einmal irgendwann am Beginn der 1950er Jahre keimte der Gedanke, dass man die Berliner beim Eigentumserwerb unterstützen müsste. Berlin ist heute das einzige Bundesland, das die Förderung des Wohneigentums als Verfassungsziel kennt. Zur Realität gehört allerdings, das die minimale Eigentumsförderung, die der aktuelle Koalitionsvertrag vorsieht, ein Jahr vor Ende der Legislatur nicht aus dem Prüfungsstadium kommt. Keine Pointe. 

Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von RUECKERCONSULT
Erstveröffentlichung: Immobilien Zeitung, September 2025

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