Zwischen politischem Willen und praktischen Hürden
Der Rechenzentrumsmarkt in Deutschland steht vor einer paradoxen Situation. Der Bedarf wächst unaufhaltsam und die Branche ist sich einig, dass Deutschland zwingend mit internationalen Vorreitern Schritt halten muss. Doch was in der Diskussion oft unterschätzt wird: Der Bau von Rechenzentren ist komplex und mit erheblichen Herausforderungen verbunden, die Investoren und Planer genau kennen müssen.
Deutschland braucht neue Rechenzentren: Prognosen zufolge wird die IT-Anschlussleistung von Rechenzentren in Deutschland von 2.730 Megawatt im Jahr 2024 auf 4.850 Megawatt bis 2030 ansteigen. Ein wichtiger Treiber dahinter ist die deutsche Gründungslandschaft. Mit einem Zuwachs von elf Prozent im Jahr 2024 wurden insgesamt 2.766 neue Startups gegründet. Und das vor allem im Softwarebereich, der auf hohe Rechenkapazitäten angewiesen ist.
Die kommende Bundesregierung will den Bau neuer Projekte gezielt fördern. Der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD hält fest, dass der Rechenzentrumsstandort Deutschland zu einem „Leuchtturm” in Europa werden soll. Die Partner wollen die Rechenkapazitäten deutlich ausbauen und mindestens eine neue AI-Gigafactory nach Deutschland holen.
Der politische und wirtschaftliche Wille ist vorhanden. Doch in den letzten Jahren stieß die deutsche Bau- und Immobilienbranche auf erhebliche Herausforderungen, um dieses Ziel in die Realität umzusetzen: vom Fachkräftemangel und langwierigen Genehmigungsverfahren bis hin zu Lieferkettenproblemen und einer unzureichenden Stromversorgung.
Zwischen einem ursprünglichen Investment und einem betriebsbereiten Rechenzentrum können mehrere Jahre liegen. Es braucht strategische Planung und erfahrene Partner, um die Schlüsseltechnologie zukunftssicher in Deutschland zu etablieren. Dafür ist es unerlässlich, dass Bauverantwortliche die aktuellen Herausforderungen kennen, um Projekte erfolgreich umzusetzen.
Wie der Fachkräftemangel den Ausbau zurückhält
Der „Construction Market Insights Report” von der Bauberatung Linesight zeigt, dass in der Baubranche ein weit verbreiteter Mangel besteht, sowohl bei qualifizierten als auch bei ungelernten Arbeitskräften. Es bräuchte mehr Fachkräfte im Bereich der technischen Gebäudeausrüstung, die für den Bau neuer Rechenzentren wichtig sind. Laut Schätzungen des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie werden bis 2030 um die 100.000 Arbeitskräfte in der deutschen Bauindustrie fehlen.
Um der wachsenden Nachfrage gerecht zu werden, sollten alle Beteiligten zusammenarbeiten, um den Bedarf an Fachkräften zu decken. Das kann durch stärkere Investitionen im Bereich der Weiterbildungen umgesetzt werden oder durch Kooperationen mit Hoch- und Berufsschulen. Junge Talente sollten frühzeitig für diese wachsenden Berufsfelder begeistert werden.
Langwierige Genehmigungsverfahren verzögern Projekte
Ein weiteres Hindernis für den Ausbau von Rechenzentren sind die langwierigen Genehmigungsverfahren in Deutschland. Das kritisierte jüngst auch der Branchenverband bitkom. In anderen europäischen Ländern lassen sich Prozesse, die in Deutschland bis zu einem Jahr dauern, in wenigen Wochen abschließen, so der Verband.
Laut bitkom lässt sich an einigen Schrauben drehen: Behörden sollten angehalten werden, nur wirklich notwendige Unterlagen einzufordern. Zudem können digitalisierte Verfahren und klare Prozesse dazu beitragen, die Beteiligten besser zu vernetzen. Das kann die Bearbeitungs- und Reaktionszeiten verbessern und mehr Planungssicherheit für alle Seiten ermöglichen.
Zölle und globale Unsicherheiten beeinträchtigen lokale Projekte
Das aktuelle Hin und Her der US-Zölle zeigt deutlich, wie anfällig globale Lieferketten sind. Selbst bei heimischen Waren sind oft internationale Zulieferer und Partner involviert, die einzelne Rohstoffe oder Produktteile anliefern. Datenzentrums-Projekte sind komplex und kaum ohne transnationale Zusammenarbeit zu schaffen.
Projektentwickler sollten deshalb durch strategische Maßnahmen versuchen, Lieferketten-Risiken auszugleichen. Zu den entscheidenden Schritten gehören die Diversifizierung der Zulieferer, der Aufbau von Partnerschaften mit heimischen Herstellern, die Neubewertung von Budgets und Zeitplänen sowie die frühzeitige Beschaffung von Geräten mit langen Lieferzeiten, wo immer das möglich ist.
Rechenzentren profitieren von einer gesicherten Stromversorgung
Die Standortwahl von Rechenzentren hängt von einer stabilen Stromversorgung ab. Überlastete Stromnetze stellen gerade an etablierten Standorten wie Frankfurt oder der Rhein-Main-Region eine Hürde dar. Ohne eine zuverlässige Energieversorgung können neue Projekte nicht realisiert werden.
Die Deutsche Energieagentur (Dena) fordert, dass der Ausbau der Datenzentren-Landschaft eng mit dem Ausbau der Energiesysteme verbunden wird, um überlastete Stromnetze zu vermeiden. Während das Ballungsgebiet Frankfurt am Main mit mehr als 80 Rechenzentren an seine Grenzen kommen könnte, haben andere Regionen laut Dena noch Potenzial. Das gelte zum Beispiel für Norddeutschland, das auch durch seinen hohen Anteil an erneuerbaren Energien interessant für neue Bauprojekte sein kann.
Fazit
Deutschland hat weiterhin die Chance, sich als zentraler Hub für Rechenzentren in Europa zu positionieren. Doch dafür muss das derzeitige Spannungsfeld aufgelöst werden: Während die Nachfrage rasant steigt und politischer Wille zur Förderung besteht, bremsen strukturelle Probleme die Umsetzung. Fachkräftemangel, langwierige Genehmigungsverfahren und fragile Lieferketten verzögern Projekte und erschweren Deutschlands angestrebte Positionierung als digitaler "Leuchtturm" in Europa.
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, bedarf es eines strategischen Gesamtkonzepts. Bildungsinitiativen zur Fachkräftegewinnung, schlankere Verwaltungsprozesse, diversifizierte Lieferketten und ein koordinierter Ausbau von Energiesystemen sind entscheidend. Für zukunftsfähige Rechenzentren kann sich zudem ein Blick abseits der etablierten KI-Ballungszentren lohnen.
Die Nutzungsrechte wurden The Property Post zur Verfügung gestellt von Linesight
Erstveröffentlichung: The Property Post, September 2025