Warum Förderung ohne Entlastung ins Leere läuft
Was nach einem absurden Widerspruch klingt, ist Realität: Der Bund stellt Jahr für Jahr mehr Geld für die Städtebauförderung bereit – doch vielerorts können die Kommunen diese Mittel nicht abrufen. Der Grund? Es fehlt an Geld für den Eigenanteil. Städtebauförderung funktioniert nach dem Prinzip der Kofinanzierung: Wer etwas bekommt, muss auch etwas beisteuern. Doch in finanziell klammen Kommunen bleibt genau das zunehmend unmöglich. Das Resultat: Fördermittel bleiben liegen, dringend nötige Projekte versanden, und der gesellschaftliche Zusammenhalt gerät unter Druck. Was als Impuls für Stadtentwicklung gedacht ist, droht zur Symbolpolitik zu verkommen.
Dabei ist der politische Wille durchaus vorhanden. Der Bund will die Städtebauförderung massiv ausbauen – von aktuell 790 Mio. Euro auf rund 1,58 Mrd. Euro im Jahr 2029. Eine fast Verdopplung also, gestreckt über mehrere Jahre. Auf dem Papier klingt das beeindruckend, beinahe visionär. Doch auf der kommunalen Ebene schaut man zunehmend ernüchtert auf diese Zahlen. Viele Städte und Gemeinden wissen längst, dass sie selbst mit bestem Willen davon kaum profitieren werden. Denn: Ohne eigenen finanziellen Beitrag keine Förderung – und genau dieser Beitrag ist für immer mehr Kommunen nicht mehr leistbar.
Die kommunale Finanzlage ist teilweise erschreckend desolat
Die Gründe dafür liegen tiefer. Die kommunale Finanzlage ist seit Jahren angespannt – und sie verschlechtert sich weiter. Während Einnahmen stagnieren, steigen die Ausgaben kontinuierlich, vor allem im Sozialbereich. Pflichtaufgaben – etwa in der Kinderbetreuung, Pflege oder Flüchtlingsversorgung – lassen kaum noch Spielräume für freiwillige Leistungen. Für Investitionen, etwa in klimagerechte Quartiersentwicklung oder soziale Infrastruktur, fehlen nicht nur die Mittel, sondern auch die Kapazitäten. Viele Kommunen müssen sich auf das Notwendigste beschränken.
Laut Deutschem Städtetag belief sich das Defizit für 2024 auf über 13 Mrd. Euro, und für 2025 werden vergleichbare Zahlen erwartet. Die Krise ist strukturell – nicht konjunkturell. Das KfW‑Kommunalpanel 2025, ausgewertet vom Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGB), beziffert den wahrgenommenen kommunalen Investitionsrückstand für 2024 auf rund 216 Mrd. Euro. Viele Gemeinden sitzen auf Altschulden – meist Liquiditätskrediten, die das Tagesgeschäft sichern sollten. So sind die Kassenkredite historisch “explodiert” – von 1,2 Mrd. Euro in 1992 auf über 48 Mrd. Euro im Jahr 2012.
Und so entsteht ein paradoxes Bild: Auf der einen Seite ein wachsender Fördertopf, auf der anderen Seite Kommunen, die ihre Anteile nicht aufbringen können.
Einige Städte kündigen bereits jetzt für 2026 sogenannte „Nullinvestitionen“ an. Das bedeutet: Es wird nichts Neues gebaut, saniert oder begonnen. Nicht aus mangelndem Interesse, sondern aus purer finanzieller Not. Das geht weit über die Eigenanteile für die Städtebauförderung hinaus. Es geht mittlerweile um sämtliche Investitionen, die ausgesetzt werden müssen, weil das Geld nicht da ist.
Lebensqualität und Demokratie hängen zusammen
Wenn Straßen und Brücken gesperrt werden müssen, Schulen verfallen, Bibliotheken schließen oder Spielplätze fehlen – bröckelt nicht nur die Infrastruktur, sondern auch das Vertrauen in den Staat. Städtebauförderung ohne Kofinanzierung bleibt wirkungslos – und städtisches Leben verkommt zur Fassade.
Dabei ist gerade die Städtebauförderung ein zentrales Instrument, um gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Sie hilft, benachteiligte Quartiere zu stabilisieren, Gemeinschaftseinrichtungen zu erhalten, Begegnungsräume zu schaffen. Sie bringt Menschen zusammen – auf Plätzen, in Nachbarschaftszentren, bei Projekten vor Ort. All das ist kein Beiwerk, sondern Fundament demokratischen Zusammenlebens. Wo das öffentliche Leben blüht, wächst Vertrauen. Wo Kommunen gestalten können, wächst Beteiligung. Wer das Leben der Menschen konkret verbessert, stärkt am Ende auch die Demokratie. Doch wenn Kommunen als erste politische Ebene vor Ort zunehmend handlungsunfähig werden, dann gerät auch das Vertrauen in staatliche Wirksamkeit ins Wanken.
In der Frage, ob die Bushaltestelle überdacht ist, die Kita saniert wird, der Quartiersplatz sicher ist oder das Vereinsheim erhalten bleibt, entscheidet sich, ob man dem Staat und dem Gemeinwesen (noch) etwas zutraut. Es sind diese kleinen Orte des Alltags, die Keimzellen gesellschaftlicher Bindung sind – sie sind das Rückgrat unserer Demokratie. Wenn wir diese Orte vernachlässigen, vertrocknet mehr als nur der öffentliche Raum. Dann verliert der Staat seine sichtbarste Wirkungsmacht: die Fähigkeit, das Leben der Menschen konkret zu verbessern.
Ohne Altschuldenregelung und finanzielle Entlastung wird es nicht gehen
Mehr Geld allein reicht nicht. Es braucht die Möglichkeit, es auch einsetzen zu können. Das heißt: Die strukturellen Finanzprobleme der Kommunen müssen endlich gelöst werden. Die Diskussion um eine Altschuldenregelung ist dabei entscheidend. Viele Städte tragen hohe Altlasten in Form von Kassenkrediten mit sich – ursprünglich gedacht, um kurzfristige Liquiditätsengpässe zu überbrücken, doch längst zu einer dauerhaften Belastung geworden. Diese Schulden blockieren jeden Gestaltungsspielraum. Jeder Euro, der in die Tilgung fließt, fehlt für Investitionen in Bildung, Klima, Infrastruktur oder Teilhabe.
Ein erster Schritt ist gemacht: Die Bundesregierung plant, gemeinsam mit den Ländern eine Altschuldenregelung umzusetzen. Der Vorschlag sieht vor, dass der Bund die Hälfte der kommunalen Kassenkredite übernimmt – vorausgesetzt, die Länder tragen die andere Hälfte und sorgen dafür, dass sich die Schulden nicht erneut aufbauen. In Nordrhein-Westfalen wird dieser Weg bereits gegangen. Hier hat das Land schon begonnen, einen Teil der kommunalen Altschulden zu übernehmen – und schafft damit endlich wieder Luft zum Atmen. Doch längst nicht alle Bundesländer ziehen mit.
Wer den Kommunen immer neue Aufgaben überträgt, muss auch für deren Finanzierung sorgen. Wer lebenswerte Städte will, muss Gestaltung ermöglichen. Und wer es ernst meint mit Klimaanpassung, sozialer Gerechtigkeit und bezahlbarem Wohnen, darf die erste Ebene der Daseinsvorsorge – die Kommunen – nicht weiter im Regen stehen lassen.
Städtebauförderung ist mehr als Baupolitik – sie ist Sozialpolitik, Klimapolitik, Integrationspolitik und Demokratiepolitik zugleich. Doch sie funktioniert nur, wenn die Kommunen mitmachen können. Dafür brauchen sie die finanziellen Mittel, die Planungssicherheit und die politische Rückendeckung. Denn ohne kommunale Handlungsfähigkeit bleibt jeder Fördertopf ein Fass ohne Boden.
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Erstveröffentlichung: The Property Post, August 2025